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Literatur Literatur-Nobelpreis für Hertha Müller

longtime
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Literatur-Nobelpreis für Herta Müller
geschrieben von longtime
Medial gemunkelt war schon von Herta Müller; s. u. - die Nachricht vom hr, die davon sprach:
"Auf der Pole Position steht jetzt Herta Müller." (Was für mein Verständnis nicht gerade deutsch klingt; sondern einer Rennfahrer-Generation, die wohl nicht liest, sondern Hypes verkündet, zu verdanken ist. .)

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Ich habe es vor einigen Jahren aufgegeben, sie zu lesen; sie wiederholte ihre rumänisch-deutsche Leidensgeschichte in immer ähnlichen, sich grotesk steigernden Metaphern...

Ihren neuen Roman "Atemschaukel" werde ich nicht lesen, entsprechend der Rezension von Iris Radisch in der ZEIT, vor der Verleihung:

http://www.zeit.de/2009/35/L-B-Mueller-Contra

Dass Herta Müller in außerdeutschen Sprachgebieten angekommen ist, ist ja o.k.!


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longtime
Karl
Karl
Administrator

Re: Literatur-Nobelpreis für Herta Müller
geschrieben von Karl
als Antwort auf longtime vom 08.10.2009, 13:17:15
Bemerkenswert ist zumindest ihre Schaffenskraft (s. Linktipp). Ich muss gestehen, sie noch nicht gelesen zu haben, aber eine solche Auszeichnung entlarvt dies schon als ein Versäumnis. Hineinlesen werde ich mich jedenfalls einmal, urteilen kann ich erst hinterher.
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karl
olga64
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Re: Literatur-Nobelpreis für Herta Müller
geschrieben von olga64
als Antwort auf longtime vom 08.10.2009, 13:17:15
Sind Sie sicher, dass viele Deutsche den letzten deutschen Nobelpreisträger jemals gelesen haben? Wenn überhaupt, haben sie die Blechtrommel im Fernsehen gesehen.
Nach welchen Kriterien der Nobelpreis vergeben wird, weiss ich nicht. Ich bin nur froh, dass ihn nicht die Autorin von Harry Potter o.ä. erhielt.
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olga64

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longtime
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Re: Literatur-Nobelpreis für Herta Müller
geschrieben von longtime
als Antwort auf olga64 vom 08.10.2009, 15:40:53
Für die Beschäftigung mit Herta Müller hab ich einen Kurzaufsatz eingestellt und verweise auf meinen BLOG-Beitrag
Herta Müllers Erzählung "Die tiefe Stelle", aus ihrem ersten, großen, erfolgreichen Buch nach ihrer Übersiedlung in den Westen:
"Der Mensch ist ein großer Fasan" (1986).


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longtime
miriam
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Mitglied

Re: Literatur-Nobelpreis für Herta Müller
geschrieben von miriam
als Antwort auf olga64 vom 08.10.2009, 15:40:53
Zugegeben: aus einer Art Lokalpatriotismus, war meine erste Reaktion Freude - über die Vergabe des Nobelpreises für Literatur an Herta Müller. Ich erwähnte es ja schon - sie stammt aus dem Banat - wie auch ich, und ihre ersten Bücher die ich hier gelesen habe, haben mich begeistert. Hauptsächlich wenn es um die Beschreibung des banater-schwäbisch dörflichem Milieu ging.

Ich erwähne dabei "Niederungen" - und kann es auch jetzt sehr emfehlen, gleichfalls "Der Mensch ist ein großer Fasan auf der Welt".

Ihr letztes Buch, "Atemschaukel", habe ich nur in der Buchhandlung überflogen - ich konnte mich nicht entscheiden es zu kaufen.
Später las ich Iris Radisch's Kritik und konnte vielen ihrer Kritikpunkten zustimmen. Denn Iris Radisch zweifelt an die Möglichkeit mit "poetischen Verfahren" jene Zeiten des Gulags beschreiben zu können - hauptsächlich wenn man eigentlich gar nicht dabei gewesen ist.

Ich habe mir heute dann wiedermal "Die Untergegangenen und die Geretteten" von Primo Levi vorgenommen - und erneut begriffen, dass man von den selbsterlebten Grauen von Auschwitz (oder anderer KZs bzw. Gulags), nur so schreiben kann - fast möchte ich sagen: nur so schreiben darf.
Primo Levi, einer der wenigen Überlebenden jener Juden aus Italien, kam mit dem Trauma des Überlebens nicht zurecht.
Doch wollte er mit seinem Buch, geschrieben ein halbes Jahr vor seinem Freitod, noch von jenen Zeiten nüchtern und sachlich berichten.

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miriam
dutchweepee
dutchweepee
Mitglied

Re: Literatur-Nobelpreis für Herta Müller
geschrieben von dutchweepee
als Antwort auf longtime vom 08.10.2009, 13:17:15
Wann bekommt eigentlich mal wieder ein wirklich wichtiger Autor den Nobelpreis?

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enigma
enigma
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Re: Literatur-Nobelpreis für Herta Müller
geschrieben von enigma
als Antwort auf longtime vom 08.10.2009, 13:17:15
Wikipedia ist bekanntlich immer sehr schnell aktualisiert, also steht die Begründung für die Verleihung des Nobelpreises - übersetzt für die deutsche Seite - schon drin:

„die mittels Verdichtung der Poesie und Sachlichkeit der Prosa Landschaften der Heimatlosigkeit zeichnet“

Bei allem Respekt für persönlich Erlebtes fehlt mir bei der Sprache von Herta Müller eher eine gewisse Sachlichkeit oder Nüchternheit, weil gerade die das Grauen des Geschehens viel deutlicher machen als Sprachschöpfungen, die, jedenfalls für mein Empfinden, auf emotionale Betroffenheit des Lesers zielen.

Meine Wunschkandidatin wäre sie nicht gewesen, aber, wie Olga64 es mit anderen Worten formuliert hat: Es hätte schlimmer kommen können.

Für den Deutschen Buchpreis ist Frau Müller auch nominiert.

Gruß


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enigma

Mitglied_81b4260
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Re: Literatur-Nobelpreis für Herta Müller
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf enigma vom 09.10.2009, 07:46:10
...; ein Teil dem, der in der Literatur das beste in idealistischer Richtung geschaffen hat; (Zitat aus dem Testament von Nobel zur Vergaberichtlinie des Literaturnobelpreises)

Ob das auf die diesjährigen Nobelpreisträgerin tasächlich zutrifft, kann ich nicht beurteilen - ich kannte sie nicht.

Aber Kritik an den Ausgezeichneten, dass diese eher wegen ihres (gesellschafts-)politischen Engagements als für ihre literarische Werke belohnt werden würden, läuft doch eher ins Leere. Nobel hat die Jury eben im Testament ausdrücklich auf den Idealismus des Autors bzw. seines Werkes verpflichtet.


DER STANDARD berichtet unter dem Titel "Schreiben gegen die Diktatur" über den Lebenslauf der jüngsten Nobelpreisträgerin folgendes:

....Geboren am 17. August 1953 im deutschsprachigen Nitzkydorf in Rumänien, studierte die Tochter eines SSlers zunächst rumänische und deutsche Literatur in Temeschwar; ab 1976 arbeitete sie als Übersetzerin in einer Maschinenfabrik, wo sie, so jedenfalls plante es der rumänische Geheimdienst Securitate, ihre Kollegen ausspionieren sollte. Außerdem hofften die Geheimdienstler, an Müllers Freunde heranzukommen: rumänische Autoren und Intellektuelle, die sich für freie Meinungsäußerung engagierten. Müller verweigerte die Kollaboration, wurde entlassen und hielt sich ab 1979 als Gelegenheitslehrerin über Wasser.

Geistiges und seelisches Überlebensmittel wurde das Schreiben: Über die Gewalt- und Unterdrückungsmechanismen der (Ceausescu-) Diktatur, über ihre Kindheit in der rumänischen Provinz, über das Zusammenleben im Dorf und die stete Angst vor Denunziation, über die Gefahren, denen man ausgesetzt war, wenn man sich nicht anpasste; über das Leben und Sterben in den Lagern.

Belegt mit Arbeits- und Publikationsverbot sowie nach unzähligen Hausdurchsuchungen, Verhören und Todesdrohungen emigrierte die Erinnerungskünstlerin 1987 mit ihrem Mann, dem Schriftsteller Richard Wagner, nach Berlin...."

geschrieben von Andrea Schurian / Print-Ausgabe, 9.10.2009)


Eine für mich sehr interessante Vita!

Die Kommentare aus "berufenem" Mund bewegen sich zwischen

(Ein sehr kurz angebundener Marcel Reich-Ranicki)„Ich will nicht über die Herta Müller reden. Adieu.“ .....)

und

(Der rumänische Philosoph und Kunsthistoriker Andrei Plesu) "Was ich bei Herta Müller bewundere, ist die perfekte Mischung von Talent, menschlicher und politischer Verantwortung sowie ethischem Gedächtnis, die in ihren Büchern zu finden ist.“

bis zu

(Schriftstellerkollege Thomas Brussig) "Es hat auf jeden Fall die Richtige getroffen."

Nun, jeder kann also dasjenige daraus entnehmen (übernehmen), was in sein Weltbild und in sein literatisches Verständnis hineinpaßt.

Aber es geht eben meinem Verständnis nach eher nicht um "Wann bekommt eigentlich mal wieder ein wirklich wichtiger Autor den Nobelpreis?" (dutchweepee) sondern darum, wer unter Vorgabe des Inhalts "Idealismus", einer Lebenseinstellung, bei der altruistischen Ideen bzw. Idealen gefolgt wird, sein Anliegen in bester Form literarisch umgesetzt.
Vielleicht wird dieses Anliegen gerade durch die Nobelpreisvergabe "wichtig"!...
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mart1

Lesen werde ich allerdings den von enigma und miriam besonders erwähnten Titel auf jeden Fall.
enigma
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Re: Literatur-Nobelpreis für Herta Müller
geschrieben von enigma
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 09.10.2009, 08:38:59
Hallo Mart,


an dem humanen Anliegen von Herta Müller habe ich keine Zweifel, das sollte auch mein Satz, dass ich Respekt vor ihrem persönlich Erlebten habe, aussagen.

Aber sie begeistert mich eben sprachlich nicht sonderlich, eine ganz persönliche Empfindung, die ich aber auch als solche gekennzeichnet habe.

Vielleicht ist das auch eine innere Abwehrhaltung, wenn ich das Gefühl habe, dass ich emotional manipuliert werden soll oder der Autor mir meiner Meinung nach keine Distanz lässt.

Da lösen die eher sachlichen Schilderungen anderer Autoren zu diesem oder ähnlichen Themen bei mir viel mehr Betroffenheit aus.


Gruß


--
enigma
Mitglied_81b4260
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Re: Literatur-Nobelpreis für Herta Müller
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf enigma vom 09.10.2009, 09:13:55
Ich sehe gerade, dass ich mich an dich darangehängt habe. Mein Beitrag sollte eine Antwort auf die Frage von dutchweepee sein, wann denn endlich einmal ein wirklich wichtiger Autor drankäme.

Tut mir leid, ich habe gerade deine Erklärungen und persönliches Urteil als sehr gut nachvollziehbar empfunden.
--
mart1

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