Forum Kunst und Literatur Literatur Literatur-Nobelpreis für Hertha Müller

Literatur Literatur-Nobelpreis für Hertha Müller

clara
clara
Mitglied

Re: Literatur-Nobelpreis für Herta Müller
geschrieben von clara
als Antwort auf enigma vom 22.10.2009, 07:29:17
Liebe enigma,

nach dem Durchlesen des Links samt Leserbriefen habe ich Lust bekommen, das Buch Atemschaukel vergleichend auch noch zu lesen. Denn ich finde ebenfalls, dass die von Dir zitierten Metaphern gelinde gesagt...eigenwillig sind. Die Überschrift verwendet das Wort "Kitsch", na ja.

Nun war die Erstausgabe vom Fasan schon 1986 und die Autorin lebt inzwischen schon lange in Berlin. Mag sein, dass sich durch einen solch gravierenden Ortswechsel auch die Sprache ändert oder maniriert wird. Darüber zu spekulieren, steht mir nicht zu.
Zum Vergleich mal eine exemplarische Stelle aus dem Buch:

Der Lehrer steckte das Stroh mit einem brennenden Holzspan an. Die Flamme fraß das Stroh. Sie wuchs. Die Flamme schluckte die Rinde des Baums. Das Feuer knackte im Holz. Die Baumkrone leckte am Himmel. Der Mond deckte sich zu.

Man mag diese Sätze banal finden, aber im Gesamtzusammenhang m. E. passend. So nach außen hin karg ist die dörfliche Welt, sind die beschriebenen Menschen.

Ich danke Dir für Deine Stellungnahme!

--
clara
Re: Literatur-Nobelpreis für Herta Müller
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf clara vom 22.10.2009, 12:32:53
Liebe Clara, ich finde deine Stellungnahme sehr interessant, zumal du ein anderes Buch gelesen hast als das, worauf die Kritik von I. Radisch abhebt, aber selbst dieses wird von anderen Kritikern auch wieder ganz anders beurteilt, die Geschmäcker sind eben sehr verschieden. Zumindest hast du dir mehr als einen Eindruck verschafft und diesen weitergegeben. Ich gestehe, dass ich noch nicht genau weiß, was ich von den zitierten Metaphern halten soll, möchte aber wirklich kein Urteil abgeben, so lange ich gar kein Buch von ihr vollständig gelesen habe. Und das hast Du immerhin getan im Gegensatz zu mir, deshalb danke für deinen Beitrag.

marina
olga64
olga64
Mitglied

Re: Literatur-Nobelpreis für Herta Müller
geschrieben von olga64
als Antwort auf clara vom 22.10.2009, 12:32:53
Ich habe nicht vor, die Bücher von Herta Müller zu erwerben und zu lesen ("mein" Genre ist zu unterschiedlich). Ich lese jedoch derzeit über diese Frau, die ja in Rumänien - ausser bei den sog. Banat-Schwaben - nicht sehr bekannt war und bei letzteren auch nicht sehr beliebt, da sie - typisch deutsche Einstellung bei kritischen Personen - eine Netzbeschmutzerin sei.
Durch den Nobelpreis wird zum einen der Hanser Verlag (dort verlegt sie m.W.) viel Geld machen und auch Frau Müller wird sich finanziell sanieren. Der Nobelpreis ist ja (m.W. ) mit fast 1 Mio Euro dotiert. Ich gönne ihr dies und ich hoffe, sie wird nach der Anfangsbegeisterung noch richtig einem breiteren Publikum bekannt werden, da Schreiben ja ihr Lebensinhalt ist.
--
olga64

Anzeige

enigma
enigma
Mitglied

Re: Literatur-Nobelpreis für Herta Müller
geschrieben von enigma
als Antwort auf clara vom 22.10.2009, 12:32:53
Hallo Clara,

ich danke Dir natürlich auch für Deine Stellungnahme.

Ich erinnere mich auch nicht, dass mich bei dem älteren Erzählerband von Herta Müller, der noch vor den von Dir jetzt gelesenen Büchern herausgekommen sein muss, ihre Sprache so gestört hat.
Ja, vielleicht hat sie da noch anders geschrieben oder ich habe es anders empfunden?

Bei dem Text, den Du exemplarisch eingestellt hast, stören mich die ersten Sätze überhaupt nicht, die beiden letzten (kurzen) gehen mir schon wieder “gegen den Strich“, vielleicht gerade, weil ich wegen der Beschreibung einer kargen Landschaft auch sprachlich etwas mehr Zurückhaltung erwarte?
Ich weiß es auch nicht, vielleicht liegt mir dieser Stil einfach nicht.

Aber, wie Marina gesagt hat, die Geschmäcker sind eben verschieden - und so muss sich auch niemand wegen der eigenen Vorlieben oder Ablehnung rechtfertigen.

Es wäre schön, wenn wir uns “in Sachen Bücher” noch öfter begegnen würden.

Viele Grüße



--
enigma
clara
clara
Mitglied

Re: Literatur-Nobelpreis für Herta Müller
geschrieben von clara
als Antwort auf olga64 vom 22.10.2009, 15:18:33
Ich habe nicht vor, die Bücher von Herta Müller zu erwerben und zu lesen ("mein" Genre ist zu unterschiedlich).


Ganz so geht es mir, ich lese nie ein Buch auf Krampf. Wenn mir die Thematik nicht zusagt, lasse ich's. Ich habe auch keine Scheu, ein Buch nach einigem An - oder Querlesen im Bücherschrank verschwinden zu lassen oder weiter zu geben.

Eine Prognose über eine weitere Verbreitung ihrer Werke ist natürlich nahezu unmöglich, ich kann da nach meiner bisher dürftigen Lektüre schon gar nichts sagen. Allzu viele Nobel - und andere Preisträger sind schon kurz danach in der Versenkung verschwunden. Ja, wünschen wir es ihr!

Zu den Verlagen:
Die Erzählung Der Mensch ist ein großer Fasan auf der Welt erschien 1986 als Erstausgabe im Rotbuch Verlag Berlin. Oktober 2009 veröffentlicht als 2. Auflage im Fischer Taschenbuch Verlag (das mir vorliegende Buch) als Lizensausgabe des Hanser Verlags.
Ebenfalls Fischer/Hanser 2. Auflage der Roman Herztier.
Zwei Auflagen weisen auf ein gewisses Interesse hin, allerdings kenne ich nicht die Höhe der Auflagen.

--
clara
clara
clara
Mitglied

Re: Literatur-Nobelpreis für Herta Müller
geschrieben von clara
als Antwort auf enigma vom 22.10.2009, 15:18:41


Ich weiß es auch nicht, vielleicht liegt mir dieser Stil einfach nicht.


Wie ich in meiner Antwort an Olga und selbstverständlich an alle Bücherfreunde hier schon schrieb, finde ich es überhaupt nicht unnormal, wenn man ein Buch ungelesen beiseite legt. Sei es wegen nicht ansprechender Thematik oder wie bei Dir aus sprachlichen Gründen. Bloß keine Rechtfertigung!

Ja, ich wünsche mir auch weitere Diskussionen über Gelesenes!

Noch einen schönen Abend, Clara


Anzeige

clara
clara
Mitglied

Re: Literatur-Nobelpreis für Herta Müller
geschrieben von clara
als Antwort auf clara vom 22.10.2009, 18:59:45
Hallo Bücherfreunde,

seit gestern habe ich den Roman Herztier "geschafft", was ganz leicht war.

Der Inhalt allerdings ist weniger verdaulich, geht es doch um schlimme Erfahrungen im Rumänien Ceausescus (der Name selbst erscheint nur zwei Mal im Buch, ansonsten wird vom Diktator gesprochen).

Man erfährt aus Sicht der Ich-Erzählerin vom tristen Leben in Stadt und Land, der allgegenwärtigen Bedrohung durch den Geheimdienst, Schwierigkeiten bei der Übersiedlung und persönlichen Tragödien.

Die Autorin bleibt sich ihrer bildhaften Sprache treu, manchmal erfolgen abrupte Zeitwechsel, Vergangenheit und Gegenwart verschmelzen dann.

Es kann einen schon schauern beim Lesen, trotzdem oder eben deshalb empfehlenswert.

Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Rumänen eine Nestbeschmutzung (s. Beitrag von Olga) erkennen können, waren sie doch fast alle von der Schreckensherrschaft betroffen.

Der Roman erschien erstmals 1994. Jetzt sehe ich zu, dass ich noch das neueste Werk von Herta Müller, Atemschaukel, zu lesen bekomme.

--
clara
clara
clara
Mitglied

Re: Literatur-Nobelpreis für Herta Müller
geschrieben von clara
als Antwort auf clara vom 01.11.2009, 13:35:54
Edit mein letzter Beitrag: Habe nicht genau gelesen, mit "Nestbeschmutzer" meinte Olga die Banat-Schwaben, nicht die Rumänen.
Dann wird ihre Bemerkung wahrscheinlicher.

--
clara
miriam
miriam
Mitglied

Re: Literatur-Nobelpreis für Herta Müller
geschrieben von miriam
als Antwort auf clara vom 01.11.2009, 15:01:41
Edit mein letzter Beitrag: Habe nicht genau gelesen, mit "Nestbeschmutzer" meinte Olga die Banat-Schwaben, nicht die Rumänen.
Dann wird ihre Bemerkung wahrscheinlicher.

--
clara


Dies stimmt auch Clara - dabei habe ich meine persönliche Erfahrung mit dieser Betrachtungsweise gemacht.

Ich stamme ja aus der selben Ecke wie Herta Müller, also aus dem Banat (Temesvar - die Stadt in der auch die Autorin einige Jahre gelebt hat).

Meine damalige Cliqué war sehr gemischt was die "Minderheit" der wir angehörten betraf. Das war ein sehr schönes Gefühl - aber eigentlich nahm ich es damals als Sebstverständlichkeit.

Lange vor den anderen engen Freunden, wanderte ich aus - erst in die Schweiz, später nach Deutschland.
Ich freute mich auch die alten Freunde die inzwischen auch ausgewandert waren hier wieder zu treffen - man kam entweder zu mir (sie wohnten fast alle in Freiburg), mal fuhr ich nach Freiburg auf Besuch. Der Ton war etwas verändert, man fragte zu oft nach der eigentlichen Abstammung einzelner Personen.

Dann plötzlich die Nachricht, dass Herta Müller mit ihrem damaligen Mann, nach Deutschland ausgewandert sind.
Ich las ihr erstes hier erschienen Buch "Niederungen" - und war begeistert. Also ging sehr bald eine Empfehlung auch an meine Freundinnen nach Freiburg, das Buch zu lesen.

Die Empörung war sehr groß, man fragte mich wie ich denn dazu käme eine Nestbeschmutzerin zu lesen, bzw. sie weiter zu empfehlen.

Es war eines unserer letzten Gespräche - ich war der Gruppe plötzlich nicht mehr willkommen.

--
miriam
clara
clara
Mitglied

Re: Literatur-Nobelpreis für Herta Müller
geschrieben von clara
als Antwort auf miriam vom 01.11.2009, 16:27:24
Liebe Miriam,

zuerst mal freut es mich, dass noch jemand die Autorin Herta Müller gut findet.
An anderer Stelle habe ich von Deiner rumänischen Herkunft - nicht Abstammung gelesen. Du kannst also die Situation und Gefühle der Rumänien-Deutschen authentisch beurteilen.

Worauf der veränderte Ton, von dem Du schreibst, herrührt, kann ich mir nicht so recht erklären, vielleicht war man als Ausgewanderte mehr auf identische Abstammung erpicht und wollte deshalb unter Seinesgleichen sein. Doch das sind nur Spekulationen. Traurig ist es natürlich für Betroffene.

Trotzdem verstehe ich immer noch nicht, was die Nestbeschmutzung sein soll. Dass die Deutschen nicht hätten übersiedeln sollen, oder was? Sind es die doch recht primitiven Zustände in den deutschen Dörfern dort und die entsprechend beschränkt denkenden Menschen, die sie beschreibt? Sicher - es sind wenig schmeichelhafte Tatsachen und die hört keiner gern.

Im Grunde unverständlich, dass so etwas eine Gruppe auseinander bringt!

--
clara

Anzeige