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Literatur Neu- und Altwörter als S p r a c h f r a g e n

longtime
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Neu- und Altwörter als S p r a c h f r a g e n
geschrieben von longtime
Sprachfragen - Literaturfragen:


Heute tauchen hier Neuwörter auf; aus literarischen Zusammenhängen stammen, die sich beweisen lassen.
(Ja, man darf recherchieren..! - Es ist sogar erwünscht!)


Ich stelle die Beispiele hier vor als kleine Aufgabe für mitschreibende ST-Foristen:

Als Versuch, hinter alte und neue, aber immer auffällige Wörter unserer Sprache zu schauen..

Und wer „spielt mit“?

Wenn in fünf Tagen kein Ausdruck beschrieben ist, werde ich selber solche Textchen zur Erklärung präsentieren, ob als Anekdote, als Begriff aus dem Wörterbuch, als Zitat nach einem Gedicht, ob als Tagebuchnotiz eines Schriftstellers...

Folgende Begriffe haben ich gesammelt in den letzten drei Tage - und würde mich freuen, wenn hier Mitschreibende sich angesprochen und herausgefordert fühlen:

1. Beispiel: „Kornböden“

2. „ : „Papiergemeinde“

3. " : "Doppeldachhaus“

4. „ : „E Chalef in der Kapole“ – oder: „E Chalef in seijn Malbesch“

5. Beispiel: „Das Herz der Welt“; genauer: „… das große, gebrochene Herz der Welt“


Woher könnten diese Wörter stammen; aus welchen Zusammenhängen? Von wem erdacht oder verwendet?

Für einige gibt es sicherlich mehrere Quellen…!

*

Wer eigene Beispiele für neue Sprachfragen kennt und sie hier benennt - bitte sehr!
clara
clara
Mitglied

Re: Neu- und Altwörter als S p r a c h f r a g e n
geschrieben von clara
als Antwort auf longtime vom 18.03.2010, 14:36:48

Longtime, Nr. 1 kann ich im Beitrag wegen der Farbe gelb nicht lesen, sehe aber beim Zitieren das Wort.
Nr. 4 ist Jiddisch, denke ich.
Sonst weiß ich rein gar nichts.

Clara
marianne
marianne
Mitglied

Re: Neu- und Altwörter als S p r a c h f r a g e n
geschrieben von marianne
als Antwort auf longtime vom 18.03.2010, 14:36:48
Longtime, ich mag nicht googeln..(da müsste ich ja hier aus dem Thread raus!

Die PAPIERGEMEINDE..., ist das so was wie Mitglieder auf dem Papier?! Karteileichen vielleicht?

Eine hübsche Rätselei, danke!
M

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enigma
enigma
Mitglied

Re: Neu- und Altwörter als S p r a c h f r a g e n
geschrieben von enigma
als Antwort auf marianne vom 18.03.2010, 16:52:42
Hallo Longtime,

mögliche (nicht zwingende) Anworten:

Zu 1.
“Kornböden” kommt beispielsweise in einem Gedicht von Ludwig Uhland vor.
Und das geht so:

Zimmerspruch

Das neue Haus ist aufgericht't,
Gedeckt, gemauert ist es nicht,
Noch können Regen und Sonnenschein
Von oben und überall herein:
Drum rufen wir zum Meister der Welt,
Er wolle von dem Himmelszelt
Nur Heil und Segen gießen aus
Hier über dieses offne Haus.
Zuoberst woll er gut Gedeihn
In die Kornböden uns verleihn;

In die Stube Fleiß und Frömmigkeit,
In die Küche Maß und Reinlichkeit,
In den Stall Gesundheit allermeist,
In den Keller dem Wein einen guten Geist;
Die Fenster und Pforten woll er weihn,
Daß nichts Unseligs komm herein,
Und daß aus dieser neuen Tür
Bald fromme Kindlein springen für.
Nun, Maurer, decket und mauret aus!
Der Segen Gottes ist im Haus.


Zu 2.:

Weiß ich nicht, aber so ähnlich wie Marianne hätte ich das auch eingeschätzt, irgendeine Gemeinde, die nicht in der Realität, sondern evtl. nur auf dem Papier existiert oder vielleicht nur durch Briefversand o.ä. arbeitet.
Kann das vielleicht auch ein Neuwort sein??
Ich lasse mich aber gerne von der Auflösung belehren.



Zu 3.:

Den Begriff “Doppeldachhaus” hat beispielsweise Theodor Fontane im Gedicht “Herr von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland” gebraucht, nachzulesen
hier:

Zu 4.:

Kann da gemeint sein eine Anekdote von
Gustav Karpeles?
im Zusammenhang mit dem Schillergedicht “Die Bürgschaft”?

" Ein Bachur wird von einem Kollegen erwischt, als er ein deutsches Buch laut liest. Der Späher hört ihm aufmerksam zu, wie er liest: 'Zu Dionys. dem Tyrannen - dem Rosche - schlich - er ist geloffen - Möros, den Dolch - den Chalef - im Gewande - in der Kapote-;' Nun stürzt der Späher auf den harmlosen Leser los: 'Was machst Du denn da?' Antwort:'Ich verteutsch mir Schiller'".


Zu 5.:

Keine Ahnung!
Es gibt Buchtitel, die so oder so ähnlich lauten, die ich aber nicht kenne.
Oder gehört das zu der Tagebuchnotiz eines Schriftstellers?
Von Stefan Zweig ist es doch wohl nicht?

Enigma
longtime
longtime
Mitglied

Re: Neu- und Altwörter als S p r a c h f r a g e n
geschrieben von longtime
als Antwort auf enigma vom 19.03.2010, 08:34:03
Danke fürs Mitspielen und Mitraten!

Ich werde zu einzelnen Begriffen Texte, die ich vorbereitet
Zu 1.
“Kornböden”


Vom Kornboden, den man zwar erahnen, aber heute kaum noch von seiner allgemeinen Bedeutung, seiner Funktion, her erschließen kann:

Kleine Vorgeschichte:

Zum Richtfest des Hauses meines Sohnes suchte ich was „Passendes“, d.h. sprachlich oder poetisch Adäquates.
Ich lernte, dass man ein richtfest heute abgespeckt von dem Zeremoniell-Technischen abläuft; man nennt den Anlass und den Sinn „Neubaufete“, kann Nachbarn und Freund und Verwandte einladen, sie bewirten, sie mit freundlichen Worten begrüßen; aber ein Zimmermeister, der oben einen letzten Sparren vernagelte, den gab es schon nicht mehr; Richtsprüche hatte keiner drauf, nur freundliche Glückwünsche – das ist Beispiel für ein neues Bauen, das nach anderen, abgespeckten Riten ablief.

Ja, früher hieß es Richtfest und so feiert und spricht man noch heute in Lexika (s. Wiki):

"Das Richtfest (regional auch Bauheben, Weihefest, Hebefest, Hebauf, Firstbier oder Aufschlagfest; in Österreich Gleichenfeier; in der Schweiz Aufrichte genannt) wird gefeiert, wenn der Rohbau eines Gebäudes fertiggestellt ist und der Dachstuhl errichtet bzw. das Dach erstellt ist. Es findet immer auf der Baustelle und zur Arbeitszeit statt, und zwar nach Mittag, damit alle den Richtspruch und den Umtrunk miterleben können, denn man bringt sich an dem Tag kein Mittagsbrot mit bzw. geht nicht in ein Gasthaus zum Mittagessen.“ (Das ist teilweise schon Geschichte, verändert durch Bauvorschriften und neue Bauabläufe.)


Ein einfacher Richtspruch sollte genügen:

Kleiner Richtspruch

Wir wollen gratulieren,
gerichtet ist das Haus,
hat Fenster und hat Türen,
und sieht gar stattlich aus.

Der Maurer hat's gemauert,
der Zimmerer überdacht;
doch dass es hält und dauert,
das steht in Gottes Macht.

Schützt auch das Dach vor Regen,
die Mauer vor dem Wind,
so ist doch allerwegen,
an Gott allein gelegen,
ob wir geborgen sind.




Zum Richtfest eines Hauses im Jahre 1814:

Ich fand einen wesentlich einfacheren, aber geistig durchtränkten „Zimmerspruch“, wie Uhland sein Gedicht für den Freund Justinus Kerner nannte:

Er schrieb es 1814, nachdem Kerner ihm mitteilte, er und Rickele (also die Kernersche) würden in ein neues, großes, freistehendes Haus (in Welzheim; also nicht in das spätere Kerner-Haus in Weinsheim) ziehen.

Da legte Uhland los:
„Mein Zimmerspruch soll über Dein neues Haus ausgesprochen werden."

Und tatsächlich: Beim Richtfest von Kerners neuen, großen Haus in Weinsberg 1822 wurde das Gedicht ereneut vorgetragen:

Der Turm des Kerner-Hauses in Weinsberg:
Des Dichters Kerner und sein Kerner-Haus



Zurück zu Uhlands Gedicht:

Ludwig Uhland (1787 - 1862)

Das neue Haus ist aufgerichtet,
gedeckt, gemauert ist es nicht.
Noch können Regen und Sonnenschein
von oben und überall herein:

Drum rufen wir zum Meister der Welt,
er wolle von dem Himmelszelt
nur Heil und Segen gießen aus
hier über dieses offne Haus.

Zuoberst woll’ er gut Gedeihn
in die Kornböden uns verleihn;
in die Stube Fleiß und Frömmigkeit,
in die Küche Maß und Reinlichkeit,

in den Stall Gesundheit allermeist,
in den Keller dem Wein einen guten Geist.
Die Fenster und Pforten woll’ er weih’n,
dass nichts Unseliges komm herein,

und dass aus dieser neuen Tür
bald fromme Kindlein springen für.
Nur, Maurer, deckt und mauert aus!
Der Segen Gottes ist im Haus!
*
(L.U.: Werke. Bd. I. sämtliche Gedichte. München 1980. S. 49f.)

*

Kornboden kann verschiedene Bedeutung haben.

Im Uhlandschen Gedicht ist es der Dachboden, wo das geerntete Korn luftig, aber trocken gelagert wird, bis es verarbeitet werden kann.

Dass dieses Haus als Fachwerk errichtet war, zeigt die zweite Zeile: “gedeckt, gemauert ist es nicht“. – Da mussten also noch die Gefache ausgemauert und das Dach (wohl mit Schindeln) gedeckt werden. – Dass die Gesundheit fürs Hausvieh (Federvieh, schafe, Schweine in eigenen Koben) eine große Rolle spielte bei den Segensssprüchen, zeigt, dass man in solchen Häusern, die keine Bauernhöfe, aber auch keine reichen Stadthäuser waren, auf die Haustiere angewiesen war.

*

Im Grimmschen Wörterbuch finden wir weitere Bedeutungen:

KORNBODEN (Nom, mask.):
1) Boden, wo das Korn,Ggetreide lagert: Kornboddem (im Kornhause).
MICHELSEN Mainzer hof 14; gott ist ir vorraht und kornboden, weinkeller und alle ir gut. LUTHER 3, 292; in ihren hölen oder kornböden. MATHESIUS Sar. 23a von den ameisen (s. keinspitzlein); weisz alle gänge und schliche im gebirg, dasz er so wenig zu fangen ist wie eine maus auf dem kornboden. GÖTHE 42, 122. vgl. kornbühne.

2) Guter Kornboden, Ackerboden, gut zum Kornbau.
"Kornboden" im Grimmschen Wörterbuch



longtime
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Re: Neu- und Altwörter als S p r a c h f r a g e n: Teil II: neue Fragen zu neuen Wörtern
geschrieben von longtime
als Antwort auf longtime vom 19.03.2010, 12:59:15
Ich werde zu den anderen Sprachfragen noch Stellung nehmen.


*

Wer macht wieder mit?


Als neue Aufgbe möchte ich diese Sprachfragen stellen:


... veenomenal

Haft-Probe

Klösterreich

Menschenflüsterer




Was kann mit diesen Wörtern gemeint sein?

*

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majana
majana
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Re: Neu- und Altwörter als S p r a c h f r a g e n: Teil II: neue Fragen zu neuen Wörtern
geschrieben von majana
als Antwort auf longtime vom 19.03.2010, 14:49:42
Zu " veenomenal könnte sich z. b. auf Herrmann van Veen beziehen.

«Juliette» ist der Titel eines «Spectacle musical», das der abenteuerlichen Lebensgeschichte der britischen Balletttänzerin Margot Fonteyn gewidmet ist. «Im Herbst ist in Paris Weltpremiere, das wird noch ein Stück Arbeit, und auch danach geht es immer weiter und weiter», sagt van Veen, den sein Freund und Kollege Heinz Rudolf Kunze einmal «die mobile Zirkuskirche» nannte. Seine künstlerische Produktivität ist «veenomenal». Rund 150 CDs hat der Absolvent der Utrechter Musikhochschule herausgebracht, seit er 1965 zusammen mit dem Pianisten Erik van der Wurff das Cabaret Chantant Harlekijn gründete.
enigma
enigma
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Re: Neu- und Altwörter als S p r a c h f r a g e n: Teil II: neue Fragen zu neuen Wörtern
geschrieben von enigma
als Antwort auf majana vom 19.03.2010, 15:01:54
Veenomenal ist der Herman bestimmt, Majana.
Gut, dass es ihn immer noch gibt. Und wie es ihn gibt! Der setzt sich bestimmt noch nicht zur Ruhe, das kann ich mir einfach nicht vorstellen.

Zum Thema “Klösterreich” gibt es z.B. einen Zusammenschluss von 21 österreichischen Klöstern und Stiften, die den interessierten Besuchern alle möglichen Angebote machen.
Die Bibliothek würde mich schon interessieren, wenn ich mal wieder hinkomme zu unseren Nachbarn.

Was da so alles angeboten wird, íst z.B. hier zu sehen:

Also, auf ins Klösterreich nach Österreich!

***

Was bei den Pferden ihr Flüsterer bewirkt hat, kann ja auch mal mit Menschen ausprobiert werden. Also warum nicht die “Menschenflüsterer”?
Einige haben sich wohl auch schon entschieden, das mal auszuprobieren.

Jürgen Fliege meint wohl auch, dass sein Flüstern nicht ohne Wirkung geblieben ist oder bleibt.
Ja, kann direkt nachgelesen werden, hier:

Aber es gibt noch einen weiteren sehr speziellen Menschenflüster, nämlich einen mit “Warmduscher-Flair”. Zehn Jahre flüstert er nun schon, der Herr Beckmann.
Und meist kann er ja zufrieden sein mit dem Ergebnis, nur Guido hat glatt verweigert, im Fernsehstudio eine Bewerbung abzugeben. Muss er ja auch nicht. Da kann er doch besser noch ein paar “Reisen für Deutschland” machen.

Es gibt natürlich nicht nur prominenten Flüsterer, sondern eine Menge von Beratern, Therapeuten, Seelsorgern, die alle helfen wollen, zu einem Teil natürlich auch gegen Bezahlung.
Na, Hauptsache, dass es auch denen hilft, die daran glauben.

Was ich bis jetzt allerdings nicht wusste, ist, dass es auch ein “Flüstern verkehrt” gibt, was im Klartext heißt, dass Pferde auch als Menschenflüsterer auftreten können.
Zu diesem Zweck sind sie natürlich speziell für Seminare geschult.
Und die (Pferde-)Trainer sehen doch auch wirklich vertrauenerweckend und beruhigend aus.

Das ist hier zu sehen.

Ja, dann bleibt nur zu hoffen, dass die Sprache der vierbeinigen Menschenflüsterer auch von den Zweibeinern verstanden wird.


Enigma







enigma
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Re: Neu- und Altwörter als S p r a c h f r a g e n: Teil II: neue Fragen zu neuen Wörtern
geschrieben von enigma
als Antwort auf enigma vom 19.03.2010, 18:12:46
Sorry, den Link zu Reinhold Beckmann als Menschenflüsterer habe ich vergessen und stelle ihn ein - she. Linktipp!
marianne
marianne
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Re: Neu- und Altwörter als S p r a c h f r a g e n: Teil II: neue Fragen zu neuen Wörtern
geschrieben von marianne
als Antwort auf longtime vom 19.03.2010, 14:49:42
Eben las ich Majana, zu "veenomenal"!
Ich hätte gedacht, es ist "phänomenal", bloß falsch geschrieben!

Grüße an Longtime, Grüße an alle Mitrater,
M

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