Forum Kunst und Literatur Literatur Neue Folge: Literaturliebhaber denken an: 12.09.: Ottilie Wildermuth

Literatur Neue Folge: Literaturliebhaber denken an: 12.09.: Ottilie Wildermuth

longtime
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Neue Folge: Literaturliebhaber denken an: 12.09.: Ottilie Wildermuth
geschrieben von longtime
12.07.:

Ottilie Wildermuth, geb. Rooschüz (* 22. 02.1817 in Rottenburg am Neckar; † 12.07.1877 in Tübingen) war eine deutsche Schriftstellerin und Jugendbuchautorin. – Ihr 132. Todestag ist also heute.

Sie war im Biedermeier mit Kerner und Uhland befreundet und korrespondierte u. a. mit Stifter, Gotthelf und Heyse. Sie war nicht nur in Schwaben prädestiniert für evangelische Bibliothekspädagogik, bis weit in das 20. Jahrhundert hinein erhielt sie unter dem Etikett »christliche Literatur für Jugend und Familie« ihren selbstverständlichen Platz.


Ottilie Wildermuth erzählt:

http://www.thomas-scharnowski.de/kroatenaehne/OttilieWildermuth_derKroatenaehne.htm

Ihre anekdotenartig-unterhaltsame Schreibweise ist mit vielen Erzähltiteln hier nachzuschlagen:

http://gutenberg.spiegel.de/index.php?id=19&autorid=642

*

Ein Beispiel daraus:

Ottilie Wildermuth:
Ein Mädchenleben


1.
Laß ab fragen
Welcher Welten Abglanz
Die Jugend schmückt,
Es reden Greise
Im Silberhaare,
Dem Grab versprochen
Von der Jugend Wonne,
Und wissen zu sagen
Warum so selig
So sorglos die Stunden
Und Tag' ihr entfließen, –
Und treffens – nie.
Gustav Pfizer.


Wer kann singen und sagen, was die Jugend sei? Wie wir an einer Rosenhecke tagelang vergeblich suchen können nach Einer Rose, die gerade in der rechten Vollendung erblüht ist, so können wir auch den ganzen Blumenflor jugendlicher Gestalten lange überblicken, bis uns Eine so recht und ganz das Bild der Jugend gibt.
Ich wollte, ihr hättet Malwina gesehen, dann wüßtet ihr, was Jugend ist.
Eine Hebe nach Canovas Vorbilde war sie eben nicht, dazu war ihre Gestalt etwas zu voll, die Röthe ihrer Wangen mahnte mehr an den frischen Anhauch eines hellen Wintermorgens als an die zarte Mandelblüthe, aber auf ihren klaren, braunen Augen, aus allen Zügen des fröhlichen, offenen Angesichts blühte ein herzerfreuender Frühling voll Jugendlust und Seelengüte.
Sie war fröhlich den lieben langen Tag und noch länger, nicht mit der sprudelnden, lärmenden, kichernden Fröhlichkeit mancher jungen Mädchen, die dem unbefangenen Zuschauer angst und bange macht, und von der, wie vom Champagnerschaum, fast nichts im Glase bleibt, wenn er verflogen ist; nein, mit einer kerngesunden, klaren, ruhigen Heiterkeit, die den anmuthig kräuselnden Wellen eines tiefen Sees gleicht, in dem sich der blaue Himmel spiegelt.
Schon früh Morgens, wenn sie den Frühstücktisch ordnete, mit dem ruhigen sichern Anstand, der so lieblich stand zu ihrer kindlichen Unbefangenheit, da schaute sie so frisch und hell darein, daß man meinte, sie müsse etwas ganz besonders Erfreuliches zu verkünden haben. O, sie wußte gar nichts Neues, nichts, als daß ihr's eben so gar wohl war auf der Welt! Sie hatte stets etwas, auf das sie sich freute, sie freute sich auf ihre Hühner und Tauben wie sie so lustig ihr Morgenfutter pickten, auf die Blumen, die über Nacht im Garten aufgegangen, man hörte ihre helle Stimme in der Küche, wo sie sich freute, bis der Vater zu Mittag ihre guten Gerichte loben würde, und wenn er sie nicht lobte, so freute sie sich doch, daß es dem kleinen, dicken Vetter, der da speiste, so gut geschmeckt habe.
Nach Tisch freute sie sich ungemein, bis sie an ihrem Nähtischchen sitzen konnte, da waren Blumen am Fenster und ihre Vögelein, und so oft sie die Augen erhob, sah sie in das schöne, grüne Thal und an den Hügel mit der alten Burg, und wenn sie bei der Arbeit nicht sang oder mit der Mutter plauderte, so wiederholte sie sich laut oder leise die schönsten Lieder ihrer liebsten Dichter. Dann freute sie sich wieder auf das Dämmerstündchen, wo sie mit den Freundinnen einen kleinen Gang machte oder auf die Bank vor dem Hause saß, wo es kein Ende gab mit wichtigen Plaudereien.
Dauerte das etwas zu lang und die Mutter schalt, nun das war keine Freude, und Malwina schüttelte es gar nicht leicht ab, aber sie tummelte sich zur Sühne ein wenig flinker, und wenn sie mit der alten, heitern, treuherzigen Miene die Lampe brachte und den Abendtisch richtete, da hatte die Mutter den Unmuth längst vergessen, und sie konnte sich schon wieder freuen auf die stille Zeit nach dem Abendessen, wo sie zu ihrem Strickzeug lesen durfte.
So schön war's alle Tage, am schönsten aber der Sonntag, wo sie Morgens zur Kirche ging und wo Nachmittags die junge Welt manchmal einen fröhlichen Spaziergang machte, oder wo sie allein mit ihren Büchern in die stille Laube saß und sich umrauschen ließ von der Wunderfluth der Poesie, während draußen die Bienen summten, die Vögel sangen und das reiche geheimnißvolle Leben der Natur um sie webte und schwebte. (…)

Forts.:

http://gutenberg.spiegel.de/?id=5&xid=3130&kapitel=34&cHash=59659f29acbild57#gb_found

*

Ich habe die Autorin auch wegen des folgenden, modernen Textes von Boris Palmer ausgewählt, der vom Ottilie-Wildermuth-Gymnasium in Tübingen berichtet:

Der Bürgermeister Boris Palmer schreibt die Schulgeschichte im bautechnischen Sinne weiter:


Wer jetzt kein klimafreundliches Haus hat...
Aus Alt mach Neu - wie Schulen und Rathäuser blau werden


Das größte Tübinger Gymnasium, benannt nach Ottilie Wildermuth, erstrahlt heute in schönstem Blau. Blau schimmern die Solarzellen auf dem Dach und blau leuchtet das ganze Gebäude im Wärmebild. Denn blau ist in thermografischen Aufnahmen die Darstellung kalter Bereiche, während Gelb und Rot hohe Temperaturen an einem Gebäude markieren und damit Hinweise auf Wärmeverluste der Außenhülle geben. Das Wildermuth-Gymnasium ist also energetisch in einem Top-Zustand.
Als ich mein Amt im Januar 2007 antrat, ließ ich mir die Liste der größten Energieverbraucher unter den städtischen Gebäuden vorlegen. Das Wildermuth-Gymnasium stach mit Jahresenergiekosten von über 100000 Euro sofort heraus. Auch der Verbrauch pro Quadratmeter war mit 155 kWh im Jahr enorm hoch. An Ort und Stelle wurde mir rasch klar, warum.
Das Gebäude ist im Jahr 1928 errichtet worden. Und seither hatte man das Satteldach nicht einmal neu eingedeckt. Ich stand auf der Decke der Klassenzimmer im obersten Dachgeschoss und sah die nackten Ziegel. Absolut keine Dämmung! Ähnlich katastrophal war der Zustand der Fenster. Viele ließen sich mehrere Zentimeter öffnen, ohne den Griff zu drehen, so locker waren die Scharniere. Die Heizungsanlage erlaubte keine Einzelraumsteuerung, und der Direktor berichtete mir, dass im Winter manche Klassenzimmer auf 30 Grad aufgeheizt seien, während man zugleich an anderen Ecken der Schule in der Jacke friere.

Diese Energieverschwendung unverzüglich zu stoppen wurde mein erstes Klimaschutzprojekt. Es fügte sich gut, dass der Erste Bürgermeister Michael Lucke dem Gemeinderat nahegelegt hatte, die Haushaltsberatungen in das Jahr 2007 hinauszuziehen, um dem neu gewählten Oberbürgermeister die Chance zu geben, den Haushalt mitzugestalten. Er war es auch, der mir den Vorschlag machte, für Klimaschutzinvestitionen 400000 Büro im Haushalt zu veranschlagen.

Durch einen Hinweis der Geschäftsführerin der kommunalpolitischen Vereinigung der Grünen in Baden-Württemberg Sabine Schlager erfuhr ich zur selben Zeit davon, dass die Bundesförderbank KfW soeben ein zinsgünstiges Kreditprogramm für die Sanierung von Schulen aufgelegt hatte. Innerhalb von vier Wochen legte das Hochbauamt ein Sanierungskonzept vor. Und schon im März beschloss der Gemeinderat mit dem Haushalt die energetische Sanierung des Wildermuth-Gymnasiums für 1,7 Millionen Euro.
Die Zustimmung der Gremien war leicht zu erhalten, weil sich zeigte, dass die Investition wirtschaftlich vernünftig ist. Denn die Sanierung sollte nicht nur 60% der CO2-Emissionen einsparen, sondern auch 60 000 Euro Energiekosten. Die Zinsen für den Sanierungskredit belaufen sich hingegen nur auf 40000 Euro jährlich. Solche Investitionen dürfen wir nach meiner Überzeugung keinen einzigen Tag aufschieben. Denn Schulden bei der Bank können wir zurückzahlen, Schulden beim Klima bleiben über Jahrhunderte eine schwere Hypothek.

Als die Bauarbeiten am Wildermuth-Gymnasium in den Schulferien 2007 begannen, bildete sich eine Gruppe von Lehrern, Eltern und Schülern, die das zum Anlass nehmen wollte, das ideal nach Süden orientierte steile Satteldach mit einer Solaranlage zu krönen. In kürzester Zeit gründeten sie eine Gesellschaft, sammelten Einlagen und bestellten die Module. Im Frühjahr 2008 war die Anlage mit 55 kW Spitzenleistung am Netz. Im Herbst 2008 wurde die energetische Komplettsanierung der Schule abgeschlossen. Jetzt lernen die Schülerinnen und Schüler nicht mehr, dass die Stadt zu arm ist, um ihre Schulen zu unterhalten, sondern an moderne Gebäude angepasstes Nutzungs- und Lüftungsverhalten.

Ich bin schon oft gefragt worden, wie ich mir erkläre, dass viele Schulen und öffentliche Gebäude trotz der offensichtlichen Vorteile einer energetischen Sanierung immer noch Energieschleudern sind. Die Antwort ist vielschichtig. Die Mehrzahl der öffentlichen Gebäude wurde zu Zeiten niedriger Energiepreise und vielfach vor der Einführung von Wärmedämmvorschriften errichtet. Solange Gas und Öl billig waren, hat niemand an eine Sanierung gedacht. Als Ende der 90er-Jahre die Preisexplosion einsetzte, hatten die Kommunen längst kein Geld mehr in den Kassen. In Haushaltskrisen wurde vor allem am Unterhalt der Gebäude gespart. Entsprechend marode sind sie heute vielfach.

Nicht ganz außer Acht lassen darf man allerdings den politischen Willen und das Bewusstsein für Energiefragen. Noch immer wissen viele Gemeinden gar nicht, welches Gebäude wie viel Strom und Heizenergie braucht, welche Kosten dafür anfallen und was sich durch eine Sanierung einsparen ließe. Das ist schlicht ein politisches Versäumnis und zeigt, wie viel wir noch zu tun haben, um auch nur die schlimmste Energieverschwendung zu beenden.

In Tübingen sind zwei Jahre nach meinem Amtsantritt die wichtigsten Erkenntnisse abrufbar. Es wurden Zähler eingebaut, um die Wärmeabnahme einzelnen Gebäuden zuordnen zu können. Wir haben Bestandsaufnahmen erstellt, um die Wärmeverluste der Hülle abzuschätzen, die Gebäudetechnik analysiert und Einsparpotentiale ermittelt.(…)"

*

(Aus: Boris Palmer: Eine Stadt macht blau. Politik im Klimawandel – das Tübinger Modell. Köln 2009. kiwi 1105. S. 125f.)

*

An diesem Wildermuth-Gymnasium in Tübingen können heute natürlich keine Wildermuth-Texte mehr im Deutsch-Abitur vorgelegt werden; sie sind sprachlich und epochengeschichtlich überlebt.

Der obige, rührige Verehrungstext (von einem biedermeierlichen „Mädchenleben“) könnte aber als Beispiel für mädchenbezogene Trivialliteratur und ihre soziale Funktion analysiert und dann in den Schülerleistungen bewertet werden.
**

Schönen Sonntag wünscht Anton R.

--
longtime
indra
indra
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Re: Neue Folge: Literaturliebhaber denken an: 12.09.: Ottilie Wildermuth
geschrieben von indra
als Antwort auf longtime vom 12.07.2009, 05:39:55
Da ich Ottilie Wildermuth nicht kenne...(ich bin bekennende Atheistin),möchte ich heute an Pablo Neruda erinnern, der am 12.Juli 1904 als Neftali Ricardo Reyes Basoalto geboren wurde.
Das Pseudonym Pablo Neruda widmete er seinem tschechischen Vorbild Jan Neruda, der mit seinen sozialkritischen Schriften großen Einfluss auf das Werk Pablo Nerudas hatte.
1971 erhielt Pablo Neruda den Literatur-Nobelpreis.
Am 23.9.1973 starb er.
--
indra
ehemaligesMitglied47
ehemaligesMitglied47
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Re: Neue Folge: Literaturliebhaber denken an: 12.07.: Pablo Neruda
geschrieben von ehemaligesMitglied47
als Antwort auf indra vom 12.07.2009, 11:51:28
Vielen Dank, dass Du an Neruda erinnerst - ich wollte schon den ganzen Tag etwas über ihn zusammenstellen, aber komme einfach nicht dazu ..

So möchte ich auf diesen Link hier aufmerksam machen, wo man einiges über ihn nachlesen kann:

Neruda - El Poeta

Wer mehr über diesen chilenischen Dichter erfahren möchte, der sollte nicht nur seine Gedichte sondern auch seine Autobiografie mit dem Titel Ich bekenne, ich habe gelebt lesen. Ein Buch, das man, einmal das Lesen begonnen, kaum wieder aus der Hand legt.

Ein nicht unkritischer aber sehr lesenswerter Beitrag zu Nerudas 100jährigem Geburtstag erschien 2004 in der Berliner Zeitung, Nachzulesen unten auf dem Link
--
cundinamarca

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longtime
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Re: Neue Folge: Literaturliebhaber denken an: 13.07.: Helga Königsdorf
geschrieben von longtime
als Antwort auf ehemaligesMitglied47 vom 12.07.2009, 13:10:27
Danke für die Ergänzungen zu Pablo Neruda.
Herrlich!
Der Tscheche und der Chilene - literarische und politische Vorbilder für die gesamte Welt!

**

Wir können heute Helga Königsdorf zum 71. Geburtstag gratulieren. (Geb. am 13.07.1938 in Gera).


Helga Königsdorf wurde in Gera geboren. Nach dem Abitur studierte sie Physik. Von 1961 bis 1990 war sie Mitarbeiterin am Mathematischen Institut der Akademie der Wissenschaften der DDR. Nach ihrer Habilitation leitete sie dort eine Abteilung für Wahrscheinlichkeitsrechnung und Statistik. 1974 erhielt die international bekannte Mathematikerin eine Professur. Seit ihrer Emeritierung (1990) arbeitet sie als freischaffende Autorin. Wiederholte Themen ihrer literarischen Werke sind das Wechselverhältnis von menschlichen Beziehungen und gesellschaftlichen Verhältnissen, der Umgang mit Kreativität und der Wissenschaftsbetrieb.

Positiv erlebte die Autorin 1989 die politische Wende in der DDR.

In verschiedenen Artikeln und Essays, in Erzählungen und Romanen wie z. B. "Im Schatten des Regenbogens" (1993) beschäftigte sie sich mit der neuen politischen und gesellschaftlichen Situation.
Helga Königsdorf lebt heute in Berlin.

Über ein Buch, in dem H. Königsdorf „um ihr Leben schreibt“: „Landschaft in wechselndem Licht“:

http://www.welt.de/print-welt/article390830/Schach_dem_Tod.html


Dieser Bericht wird ergänzt - s. TIPP:

Wer hat noch Texte und Infomaitonen über Helga Königsdorf, da ich viel zu wenig von ihr kenne?

cecile
cecile
Mitglied

Re: Neue Folge: Literaturliebhaber denken an: 13.07.: Helga Königsdorf
geschrieben von cecile
als Antwort auf longtime vom 13.07.2009, 00:20:29
@ Longtime:

Helga Königsdorf entdecke ich jetzt erst durch deinen Beitrag ... mit weiteren Informationen kann ich leider nicht dienen ...

.......


Aber zu Pablo Neruda möchte ich noch einen Link nachliefern:

Etwas ungewohnt, aber sehr harmonisch und irgendwie weicher als in spanisch:

Massimo Troisi und Maria Grazia Cucinotta (Il Postino) :


Nuda


Und noch eine Neruda-Website, diesmal in spanisch, mit einer großen Anzahl von Gedichten:

Pablo Neruda: Poemas


--
cecile
indra
indra
Mitglied

Re: Neue Folge: Literaturliebhaber denken an: 13.07.: Helga Königsdorf
geschrieben von indra
als Antwort auf longtime vom 13.07.2009, 00:20:29
Helga Königsdorf ist mir schon seit den 80ziger Jahren bekannt.Sie war in vielen Fernsehsendungen der DDR präsent. Ich glaube nicht, dass sie das Ende der DDR wollte, denn sie stand dem System doch sehr nah und engagierte sich aber für die Reformierung des/Ihres Landes.
Aber als die Zustände immer mehr erstarrten, sah sie doch das Ende als gegeben an.1991 erschien dann auch "Adieu DDR, Protokolle eines Abschieds"
Wie sie sich persönlich verhielt, ist ja hier nicht darzustellen.
Mir persönlich gefiel besonders "Über die Rettung der Welt",erschienen 1994 im Aufbauverlag.
Sie stellt dem Buch einen Text voran, der mich immer wieder berührt und ich geb ihn mal absatzweise hier ein...

"In der Zeit, in der diese Texte geschrieben wurden, sind die Armen auf der Welt ärmer
und die Reichen reicher geworden....
....
In dieser Zeit sagten die Leute:
"Es geht schon irgendwie weiter...
es hat sowieso keinen Zweck...
....
In dieser Zeit wurde Kunst eine Geldanlage
und Geld ein Kunstwerk...
In dieser Zeit lief der Weltuntergang auf Hochtouren
und alle sehen zu!!!"
Ach ja, sie ist schon ein kluges Mädchen...(smile) Happy Birthday Helga
(leider kann ich immer noch keine Links eingeben)
--
indra

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longtime
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Re: Neue Folge: Literaturliebhaber denken am 13.07. an: Helga Königsdorf
geschrieben von longtime
als Antwort auf indra vom 13.07.2009, 16:45:26
Danke!

Ich habe diese Links gefunden, die zwar nicht alle fluppen...:
--
longtime
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Re: Neue Folge: Literaturliebhaber denken am 14.07. z.B. an: Monika Hunnius
geschrieben von longtime
als Antwort auf longtime vom 13.07.2009, 19:25:05
Ich erinnere – wg. baltischer Spezialinteressen - an:

Monika Hunnius (14.7.1858 in Narva - 30.2.1934 in Riga):

Monika Adele Elisabeth HUNNIUS war eine baltisch-deutsche Schriftstellerin, als Tochter des Pfarrers Constantin H.

Sie erhält in ihre Heinmat eine Gesangsausbildung; dann auch "im Reich", in Frankfurt/Main, wo sie u. a. von Julius Stockhausen unterrichtet wurde.
Sie war mit einigen Musikern befreundet. M. H. lehrte ab 1884 Gesang und Vortragskunst in Riga. Ab 1917, z. Zt. der Bolschewikenherrschaft, beschrieb sie eigene Erlebnisse und Ereignisse jener Zeit.
1919-24 schrieb M. H. "Meine Weihnachten" und "Menschen, die ich erlebte" in Königsfeld (Schwarzwald) und begann das Werk "Mein Weg zur Kunst". 1924 kehrte H. ins Baltikum zurück und litt zunehmend unter Lähmungs-erscheinungen, wobei sie Schreibhilfe in Anspruch nahm. Leben und Werk Hesses regten sie zu ihrem Erstlingswerk "Mein Onkel Hermann" an.

Die Werke der Hunnius, die zu den weniger bekannten deutschsprachigen Autorinnen des Baltikums im 20. Jh. gehören, enthalten aber einige typische Beschreibungen jener vergangenen Zeit der baltischen Herrschaftskultur in Livland.


Monika Hunnius bei "Wiki"


Ihr Werk „Mein Weg zur Kunst“ (1925) liest sich so: s. TIPP:


*

Ich beziehe abschließend mich auf das Wissen und das fachspezifische Bewusstsein des Literaturwissenschaftlers Gero von Wilpert, der selber Balte ist:

Ein gutes Beispiel bietet die Sängerin und Gesangslehrerin Monika HUNNIUS (1858-1934) aus Riga, die beim Gesangsstudium in Deutschland 1882-1884 noch Johannes Brahms, Clara Schumann und andere Künstler kennenlernte, 1884 Gesangslehrerin in Riga und ab 1917 vorwiegend Schriftstellerin wurde, im Alter jedoch infolge Nervenleidens und Lähmung ihr Sprachvermögen verlor. Sie begann als bereits alte Dame mit der Aufzeichnung ihrer Erinnerungen, zunächst ohne jeden Plan einer Veröffentlichung, bis ihr Neffe, der Dichter Hermann Hesse, sie zur Publikation ermutigte, ihr einen Verleger gewann und zu ihrem ersten Werk über H. Hesses Großvater „Mein Onkel Hermann“ (1921) ein Geleitwort schrieb.

Die kindlich-fromme, warmherzige und liebenswürdig plaudernde Autorin hatte nicht die geringsten Ambitionen, Dichterin zu werden, sondern zeichnete ganz unkritisch und schwärmerisch ihre schlichten Lebenserinnerungen aus der Heimat mit ihren Pastoraten, Doktoraten, Gutshöfen und Schlössern und idem baltischen Familien- und 'Gesellschaftsleben in anspruchsloser Umgangssprache auf, um ihr nur subjektiv richtiges, doch reichlich verklärtes und «golden» versüßlichtes Bild einer versunkenen Welt baltischen Lebens über die Grenzen der Heimat hinaus zu vermitteln und die Kenntnis baltischen Wesens und baltischer Menschen für künftige Generationen aufzubewahren.

Getragen von zart-inniger Heimat liebe, beschwört sie schlicht und bescheiden eine glückliche, schöne Vergangenheit des Alltags- und Feiertagslebens, wie es vielleicht nie war oder längst untergegangen im verklärendem Rückblick erscheint - und wer wäre nicht glücklich, auf eine solche idyllische Vergangenheit zurückschauen zu können?

Das erklärt, warum Monika Hunnius ohne jeden literarischen Kunstanspruch und trotz lokaler Begrenzung und gelegentlicher Wiederholungen in den frühen Jahren nach dem Ersten Weltkrieg mit Bänden wie „Menschen, die ich erlebte“ (1922), „Mein Weg zur Kunst“ (1925), „Baltische Häuser und Gestalten“ (1926), „Aus Heimat und Fremde“ (1928) und anderen über die Backfischlektüre hinaus eine der bekanntesten baltischen Autorinnen wurde.

*
(Gero von Wilpert: Deutchbaltische Literaturgeschichte. C.H. Beck. München 2005.S.258f.)




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longtime
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Re: Neue Folge: Literaturliebhaber denken am 14. 07. z.B. an: einen besonderen Russen!
geschrieben von longtime
als Antwort auf longtime vom 14.07.2009, 06:56:14
Erinnerung...?

Im Sommer 1904 begab er sich in den Kurort Badenweiler in Deutschland.
Dort verstarb er am 15. Juli (nach anderen Quellen am 14. Juli.

- "Ich sterbe" - nach einem Glas Champagner sollen dies seine letzten Worte gewesen sein.

Begraben wurde der - einer der größten Dramatiker und Erzähler des 20. Jh.s in Moskau auf dem Neufrauenkloster-Friedhof :

Anton Pawlowitsch Tschechow

Mich interessiert nun, was ihr von ihm für besonders wichtig oder interesant haltet... - und auch als Erinnerung ode als Leseempfehlung anbieten möchtet.

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longtime
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Re: Neue Folge: Literaturliebhaber denken am 14. 07. z.B. an: einen besonderen Russen!
geschrieben von indra
als Antwort auf longtime vom 14.07.2009, 13:57:27
A.P. Tschechows Werk hat mich eine recht lange Zeit meines Lebens begleitet- und ich möchte mich den Worten von Sean O`Casey (1880-1964,einer der größten Dramatiker des 20.Jahrhunderts,er war irischer Freiheitskämpfer und Sozialist)voll und ganz anschließen, der über Tschechow folgendes sagte:
"Über Tschechow läßt sich mit innerer Gewißheit nur wenig sagen-er ist so groß und so vielseitig, daß man ihn nicht mit gewöhnlichem Maß messen kann. Er erhellt seine Bahn mit dem eigenen Licht, und wir können nur auf ihn blicken und seiner sanften Stimme lauschen, in der die Musik der Barmherzigkeit und der Wahrheit klingt.
Als ein Mensch aus dem Volk kannte er dessen Sprache und dessen Anliegen,wußte er, was es will und wovor es sich fürchtet und aus alldem hat er seine Lieder gemacht und sie in die weite Welt gesandt, denn seine Erzählungen sind Lieder, seine Stücke sind Lieder-eine zauberhafte leise Musik."
Ich habe Tschechow zum Glück in Russisch lesen können, so dass mir die klare Einfachheit der Sprache Tschechows noch besser ins Bewusstsein kam und die russkaja Ducha (russische Seele) mich sehr berührte.
Danke für die Erinnerung an ihn ...ich nehm mir gleich `mal seine Meistererzählungen zur Hand

--
indra

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