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Literatur Packende Lebensgeschichten

melviron
melviron
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Packende Lebensgeschichten
geschrieben von melviron
An alle passionierten Leser,
eine meiner Leidenschaften sind fesselnde Lebensgeschichten und Autobiografien.
Wer hat hierzu Lese-Tipps?
Ich kann ja mal den Anfang machen:
Über viele Wochen haben mich die Memoiren von Vera Vogel-Lamprecht begleitet.
Ihr Buch "Die Rose und das Feuer" erzählt nicht nur mit sprachlicher Finesse von der
Kindheit in Schlesien, der Jugend im Berlin der 30er und 40er Jahre und dem
Reichsarbeitsdienst im Osten. Auch die Nachkriegszeit, hingebungsvolle Pflege des
geliebten Ehemannes, späte Leidenschaft für das Reisen und die Entdeckung der
fernöstliche Religionen werden voller Liebe zum Detail und persönlichem Esprit
beschrieben.
Jeder von uns kann wohl Aspekte dieses Lebens am eigenen Leibe nachvollziehen...

Hier eine kleine Leseprobe:

Am Freitag vor Pfingsten traten wir unseren Dienst an. Die Neusiedler staunten nicht schlecht, als die ihnen versprochenen Arbeitsmaiden vor der Tür standen und sich als höhere Töchter aus Berlin entpuppten, mit denen sie ab sofort ihre Lebensmittelvorräte teilen sollten. Hatte es bislang geheißen, wir würden den armen Neusiedlern die deutsche Kultur nachebringen, sahen wir uns nun mit einer gänzlich andersartigen Situation konfrontiert. Was uns tatsächlich erwartete, war die Arbeit einer gewöhnlichen Bauernmagd. […]
In den folgenden Monaten wuchs ich bei harter körperlicher Landarbeit und für Kriegszeiten märchenhaft guter Ernährung in meine Kraft hinein, die ich bis dahin nicht einmal geahnt hatte. Nur die Holzpantinen, die ich zu allen Arbeiten trug, verdarben mir die Füße. […]
Untergebracht waren wir Mädchen in einem Schulhaus, in dessen Klassenräumen Doppelstockbetten aufgestellt worden waren. Bildung war Luxus. Die Schule, die wir jetzt durchliefen, war die des Krieges. Eine goldige Mitschülerin organisierte farbiges Papier und verzierte die Wände unseres Schlafsaals mit Tiersilhouetten. Ich verstand mich gut mit den Schulkameradinnen. Wie ahnungslos wir waren! Besonders genossen wir die freien Sonntage. Dennoch ließen mich die Gedanken an zu Hause nicht los.

Viel Spaß beim Lesen!
Und ich bin sehr gespannt auf weitere Tipps!
olga64
olga64
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Re: Packende Lebensgeschichten
geschrieben von olga64
als Antwort auf melviron vom 24.06.2011, 14:43:56
In diesem Jahr fesselten mich bisher folgende Bücher:

Jeder stirbt für sich allein (Fallada)
Auftauchen (Jennifer Haigh)
Freiheit (Jonathan Frantzen).
Sehr zu empfehlen. Olga
ehemaligesMitglied35
ehemaligesMitglied35
Mitglied

Re: Packende Lebensgeschichten
geschrieben von ehemaligesMitglied35
als Antwort auf olga64 vom 24.06.2011, 16:06:12

Freiheit (Jonathan Frantzen).


Das wird gerade auf SWR 2 in "Fortsetznng folgt" vorgelesen. Ich habe die meiseten Folgen gehört und kann dein positives Urteil bestätigen,

Gruß Fritz

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ehemaligesMitglied35
ehemaligesMitglied35
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Re: Packende Lebensgeschichten
geschrieben von ehemaligesMitglied35
als Antwort auf melviron vom 24.06.2011, 14:43:56

Viel Spaß beim Lesen!
Und ich bin sehr gespannt auf weitere Tipps!



Amos Oz, Eine Geschichte von Liebe und Finsternis.

Nennt sich zwar Roman, ist aber sehr autobiografisch!
miriam
miriam
Mitglied

Re: Packende Lebensgeschichten
geschrieben von miriam
als Antwort auf ehemaligesMitglied35 vom 25.06.2011, 18:05:16
Wie schade, dass dieses interessante Thema so schnell in der Versenkung verschwunden ist.
Nun, ich versuche mal etwas dazu zu schreiben, da mir persönlich eben die Lebensgeschichten oder auch die autobiographische Literatur des zum Teil so dramatischen 20. Jahrhunderts, von besonderem Interesse erscheint.

Wo waren einige derjenigen die diese Zeit erlebt haben – und wie haben sie diese erlebt bzw. überlebt?

Ich setze erst einmal einige wenige Titel ein, die Bestandteil sind der Vielzahl der Werke, die diesen Teil der Literatur ausmachen - diesmal begrenzt auf das XX. Jahrhundert.

- Elias Canetti:
.......Die gerettete Zunge (1977)
.......Die Fackel im Ohr (1980)
.......Das Augenspiel (1985)

- Ruth Klüger: Weiter leben. Eine Jugend, 1992

- Bruno Walter: Thema und Variationen

- Marcel Reich-Ranicki Mein Leben, 1999

- Carl Zuckmayer, Als wär’s ein Stück von mir, 1966

- Paul Klee Tagebücher 1898–1918, hrsg. von Felix Klee.


Welch Schande, wieder ist ein Bücherdieb an meiner kleinen Bibliothek gewesen – sein oder ihr Interesse ehrt mich ja – aber mir eben den Bruno Walter zu klauen, das spricht zwar für seinem (ihrem) Geschmack, muss nachdenken, ob auch für dessen Charakter…

Melde mich später wieder - vielleicht setze ich dann ein Fragment eines dieser Werke, ein.

Miriam
eleonore
eleonore
Mitglied

Re: Packende Lebensgeschichten
geschrieben von eleonore
als Antwort auf miriam vom 27.06.2011, 07:59:43
Magda Szabó

Eine altmodische Geschichte


Lenke Jablonczay, das älteste von neun Geschwistern aus einer verarmten ungarischen Adelsfamilie, verlebt ihre Kindheit und Jugend im Haus ihrer Großmutter in der Debrecener Kismester utca, einem Haus, das in vielem dem von Garcia Lorcas Bernarda Alba gleicht.

In einer beklemmenden Atmosphäre übertriebener Sittenstrenge, Bigotterie und kleinkrämerischer Knausrigkeit wächst das ungeliebte, körperlich schwache Kind dennoch zu einem begehrenswerten, ungewöhnlich hübschen Mädchen heran, dessen vielseitige künstlerische Begabung zu den schönsten Hoffnungen berechtigen könnte.

Doch Lenke Jablonczay, geboren gegen Ende des 19. Jahrhunderts, verkörpert ein für jene Zeit typisches Frauenschicksal: wie die meisten ihrer Geschlechtsgenossinnen hat sie sich mit der Rolle der Gattin und Mutter zufriedenzugeben.

Ihre »Altmodische Geschichte« endet an dem Tag, als sie der kleinen Märia Magdolna das Leben schenkt: der späteren Schriftstellerin Magda Szabo, die ihrer Mutter hier ein Denkmal aus Bewunderung, Verehrung und Dankbarkeit errichtet. Dieser Roman, der auf einer gründlichen Erforschung der Familiengeschichte fußt, stellt über das persönliche Anliegen seiner Verfasserin hinaus ein authentisches Zeitdokument dar, das weniger durch dramatische Handlungsführung als durch genaue Milieuschilderung und Charakterzeichnung besticht. /amazon
miriam
miriam
Mitglied

Re: Packende Lebensgeschichten
geschrieben von miriam
als Antwort auf eleonore vom 27.06.2011, 08:08:21
Als Erstes eine Entschuldigung – und die geht an dem vermeintlichen Bücherdieb, der doch keiner gewesen ist: Bruno Walter, besser gesagt seine Memoiren Thema und Variationen, befanden sich in guter Gesellschaft, in meinem Bücherregal.
Natürlich neben Thomas Mann, denn der Ausnahme-Dirigent und der große Schriftsteller, wohnten in München in fast unmittelbarer Nachbarschaft, die Kinder der beiden Familien waren eng befreundet – was eigentlich zu manch "Ärgernis" führte.

Es folgt nun ein kleines Fragment aus "Thema und Variationen":


Nah bei unserem Hause in der Mauerkirchenstraße, die den Herzogpark durchschneidet, zweigte die kurze Poschingerstraße ab. Und an ihrem Ende, unmittelbar vor dem Ufer der Isar, stand, von einem breiten Vorgarten verdeckt, die stattlich vornehme Villa von Thomas Mann.
Um die Ecke ging es zu der weißen Gartentür, durch die man, zuerst erschreckt durch Bauschans Gebell und dann beschwichtigt durch die überschwänglich freundliche Begrüßung des vom Dichter besungenen Hundes, zu der weiten Terrasse des Mannschen Hauses gelangte.

Auf dieser Terrasse haben wir zur warmen Jahreszeit, in einem behaglichen Herrenzimmer neben dem großen Bibliotheks- und Arbeitsraum des Dichters während des Winters unvergessliche Stunden verlebt.
Ich weiß nicht mehr, wo ich Thomas Mann kennengelernt habe, ob bei dem Kunstfreunde Dr. Hallgarten oder in dem schönen, mit erlesener italienischer Keramik geschmückten Hause seines Schwiegervaters, des bekannten Mathematikers, Professor Alfred Pringsheim, eines originellen, geistig beweglichen, musikbegeisterten Mannes, der noch mit Hermann Levi verkehrt und sein leidenschaftliches Wagnerianertum sogar in der Verfassung von Klavierarrangements Wagnerscher Opernbruchstücke ausgedrückt hatte.
Seine Frau war die bis in ihr hohen Alter schön gebliebene Hedwig Pringsheim, geborene Dohm, Tochter des Herausgebers des Berliner "Kladderadatsch" und der bekannten Frauenrechtlerin Hedwig Dohm.


Ende des Zitats.

Ich habe dieses Fragment gewählt, da ich es äußerst spannend fand, wer in dieser Art von "Who is who" - alles anzutreffen war.

Ein kleiner Zusatz, diesmals aus der Feder von Thomas Mann, entnommen dem Essay "An Bruno Walter zum siebzigsten Geburtstag"

Da schreibt Thomas Mann u.a.:

"Lieber Freund, es ist sehr ärgerlich. Soeben sind wir, nach einer strengen Prüfungszeit von 34 Jahren, übereingekommen, fortan Du zu einander zu sagen...“


Miriam


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