Forum Kunst und Literatur Literatur Poetische(s) Rätsel

Literatur Poetische(s) Rätsel

enigma
enigma
Mitglied

Re: Poetische(s) Rätsel
geschrieben von enigma
als Antwort auf Mareike vom 04.07.2011, 19:23:24
Ja, Mareike,

so ähnlich steht es auch in dem Link, den ich über Steiner eingestellt habe.
Und zu Steiner, seine Einstellungen zu Kindern oder Schülern, passen ja ganz gut auch Märchen.

Apropos Märchen:
Der Bezug von Clemens Brentano zu den Grimmschen Märchen, zu denen ja auch “Der süße Brei” gehört, besteht darin, dass Clemens Brentano (und Achim von Arnim) die Gebrüder Grimm veranlasst haben, diese Märchen nach Überlieferungen zu sammeln und zu überarbeiten.

Das ist hier nachzulesen:

Gruß von Enigma
enigma
enigma
Mitglied

Re: Poetische(s) Rätsel
geschrieben von enigma
als Antwort auf enigma vom 04.07.2011, 19:31:57
Hallo, liebe ForistInnen,

so langsam bin ich es wohl allen, die sich hier schon zu einer Interpretation des Rätsels bekannt haben, schuldig, dass ich nun auch meine zunächst spontan gefühlte Lösung preisgebe.
Nachfolgend stelle ich noch einmal den Vorspann von Steiner ein, unter dessen Gesamteindruck ich (noch) nicht an ein Märchen dachte, sondern an etwas Umfassenderes, was wohl allen Kindern zu eigen ist.
Also kurz und gut, ich dachte an die kindliche Wissbegier, die sich entfaltet und Flügel bekommen kann, so dass auch die Fantasie Flügel bekommt und sich aufmacht und wächst (auch über alle Hügel). Nur der letzte Satz mit dem “Riegel” wollte nicht so recht dazu passen oder ich konnte ihn nicht richtig deuten.

Ja, dann kam das Märchen und für mich eine neue Sicht des ganzen Textes.

Hier also noch einmal der Vorspann:

(...)
“Wer Sinn hat für die Untertöne, die aus den Gedanken eines Menschen herausklingen, der kann aus Brentanos tiefgründigen Büchern und Abhandlungen überall den «Rätselsucher» auf besondere Art herausfühlen. Es entstehen bei ihm die Rätsel der Natur und des Geistes dadurch auf besondere Art, dass er in seinen Fragestellungen etwas wie ein Tasten hat, das an die Dinge nicht heran will, weil es glaubt, durch zu unvorsichtiges Zugreifen die Wirklichkeit zu grob wahrzunehmen. Das wird schließlich die Grundstimmung des ganzen Brentanoschen Denkens.
Und ein solches Denken darf sich, ohne sich untreu zu werden, zur Erholung in die spielerischen Regionen zurückziehen, wo das Fragestellen zum geistreichen Umhüllen des Gemeinten wird. So empfindet man gegenüber den Brentanoschen Rätseln. Denn es ist bei ihm dieselbe Seelenverfassung auf leicht-spielerische Art wirksam, wenn er den Leuten Rätsel aufgibt, die sich zum äußersten Ernst erhebt, wenn er den «Rätselfragen» des Daseins nachsinnt.
Man merkt die Gedankenfeinheit, wenn Brentano raten lässt:

«Süß bin ich und dem Kindeshunger Wonne,
Da schwind' ich rasch wie Schnee im Strahl der Sonne.
Doch, schwingt die junge Phantasie die Flügel,
So schwell ich, wachse über alle Hügel
Und sperr' ihr Paradies als breiter Riegel.»

(...)

Ja, vielleicht kommen ja noch Ansichten zum Thema.

Und ich frage mich, wie und ob man das überhaupt auflösen kann oder ob man alles so stehen lassen sollte, wie es steht.

Vielleicht gibt es noch die Möglichkeit, beim Verlag Hilfen anzufragen. Das wurde mal angeboten, ist aber wohl nicht sonderlich in Anspruch genommen worden.
Aber einen Versuch wäre es wert.

Vielen Dank jedenfalls für die Anregungen zum Thema.

Liebe Grüße von Enigma
clara
clara
Mitglied

Re: Poetische(s) Rätsel
geschrieben von clara
als Antwort auf enigma vom 04.07.2011, 17:48:01
Hallo Enigma, schön, dieses Rätsel! Ich denke an Eis (Da schwind' ich rasch wie Schnee im Strahl der Sonne). Das Eis wird in der Fantasie des Kindes zum Eisberg, und keiner kommt mehr in dieses Paradies.

Im übertragenen Sinn könnte es die Kindheit selbst sein, die so schnell schwindet. Das Kind wünscht sich, erwachsen zu werden, doch damit ist dann auch das Paradies verloren.

Auf die Lösung(en) bin ich gespannt.

Gruß, Clara

Edit: Sehe gerade Deinen Beitrag, Enigma. Der Riegel könnte der Verlust der kindlichen Fantasie und Unschuld sein!?

Anzeige

Mareike
Mareike
Mitglied

Re: Poetische(s) Rätsel
geschrieben von Mareike
als Antwort auf clara vom 04.07.2011, 20:21:40
Ich denke eher, dass er die Phantasie der Erwachsenen meint:
"Doch, schwingt die junge Phantasie die Flügel,
So schwell ich, wachse über alle Hügel"

das Spekulieren, wie es sein könnte mit den Seins-zusammenhängen und mit dem SINN. Da stößt der Mensch an seinen Grenzen, da wird dem Geist einen Riegel vorgeschoben, oder steht sich selbst im Weg: ""Und sperr' ihr Paradies als breiter Riegel"
Mareike
enigma
enigma
Mitglied

Re: Poetische(s) Rätsel
geschrieben von enigma
als Antwort auf clara vom 04.07.2011, 20:21:40
Ja klar, Clara,

das (kindliche) Paradies abschirmen durch Fantasie, das kann natürlich ein Riegel sein.

Ich glaube, ich muss doch noch den Verlag anschreiben.

Gruß von Enigma


edit:

Mareike,

ich habe gerade erst Deinen Beitrag wahrgenommen.

Ich neige allerdings mehr zu der Meinung von Clara, dass das Kind seine eigene Welt abschirmen und sich in ihr weiterentwickeln will.

Aber dennoch, das Märchen passt so perfekt.
Es bleibt eine Ungewissheit.

Gruß von Enigma
Mareike
Mareike
Mitglied

Re: Poetische(s) Rätsel
geschrieben von Mareike
als Antwort auf enigma vom 04.07.2011, 20:53:38
Einen Satz noch zur Ergänzung: Zitat: "Allein die Naturwissenschaft, in der Brentano aufgewachsen ist, und an der er methodisch festhalten wollte, betrachtet ein Eindringen in die wirkliche geistige Welt als Phantastik. Siehe Link

Liebe Grüße
Mareike

Anzeige

Re: Poetische(s) Rätsel
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf enigma vom 04.07.2011, 20:53:38
Hallo Enigma, ich sehe die Lösung auf jeden Fall metaphorisch - im übertragenen Sinn, d. h. die Süße hat meiner Meinung nach nichts mit der Süße des kulinarischen Geschmacks, sondern mit einer Süße im Empfinden zu tun.
Und da kommt mir der Gedanke, es könnte die allererste heimliche Liebe gemeint sein. Denn die schmilzt in der Sonne, d. h. wenn sie ans Tageslicht kommt, dann ist die Heimlichkeit und damit der Zauber vorbei. Doch mit Phantasie vermischt, wrird sie größer und wächst über sich selbst und ihre Begrenzungen hinaus.

Du kennst ja das Lied:
Kein Feuer keine Kohle
kann brennen so heiß
als heimliche Liebe
von der niemand nichts weiß.

Allerdings irritiert mich dann doch wieder, dass er das in die Kindheit und nicht in die Jugend verortet. Dann liege ich vielleicht doch falsch. Ist nur ein Versuch.
Re: Poetische(s) Rätsel
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 04.07.2011, 22:09:17
Mir kommt gerade noch eine andere Idee. Vielleicht ist es ja auch das Geheimnis?
Davon hat man ja in der Kindheit meistens so einige. Und dann gibt es ja den schönen Spruch: Die Sonne bringt es an den Tag.
enigma
enigma
Mitglied

Re: Poetische(s) Rätsel
geschrieben von enigma
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 04.07.2011, 22:24:30
Hallo Mareike,

ja, das habe ich auch gelesen, dass Franz Brentano in seiner Jugend naturwissenschaftlich beeinflusst aufgewachsen ist, aber m.E. orientierte er sich auch in seinen späteren Jahren ebenso geisteswissenschaftlich. Da füge ich auch noch einmal den folgenden Satz aus dem Steiner-Aufsatz ein:

(...)„Es entstehen bei ihm die Rätsel der Natur und des Geistes dadurch auf besondere Art, dass er in seinen Fragestellungen etwas wie ein Tasten hat, das an die Dinge nicht heran will, weil es glaubt, durch zu unvorsichtiges Zugreifen die Wirklichkeit zu grob wahrzunehmen. Das wird schließlich die Grundstimmung des ganzen Brentanoschen Denkens.“ (...)


Hallo, liebe Marina,

ja, letztlich fühle ich auch immer noch so, dass es nicht nur um etwas Gegenständliches geht, dass also die genannte “Süße”, wie Du es auch formulierst, als Metapher gemeint ist, vor allem, weil, wie irgendwo dem Steiner-Aufsatz zu entnehmen ist, es um Daseinsfragen geht.

Aber ich kann das Ganze auch nur vermuten.

Jedenfalls werde ich mich nun ins Bett begeben und die ungelösten Fragen dahin mitnehmen.
Vielleicht kommt mir ja im Traum die Erleuchtung.

Liebe Grüße und danke an alle, die mitgemacht und sich Gedanken gemacht haben.

Vielleicht treten wir ja morgen wieder in Übelegungen ein?


Enigma
murasaki
murasaki
Mitglied

Re: Poetische(s) Rätsel
geschrieben von murasaki
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 04.07.2011, 22:24:30


Vielleicht sind Träume gemeint, nicht nur auf die Kindheit bezogen?


Süß bin ich und dem Kindeshunger Wonne,
(Süße Träume, d. h. Wünsche)

Da schwind' ich rasch wie Schnee im Strahl der Sonne.
(Träume, die sich nicht erfüllen, Konfrontation mit der Realität)

Doch, schwingt die junge Phantasie die Flügel,
(Auch wenn sich die Träume nicht erfüllen, so bleiben sie einem erhalten und werden durch ewig junge, d.h. neue Phantasien am Leben erhalten)

So schwell ich, wachse über alle Hügel
(Festhalten an unerfüllten Träumen, unbegrenztes Ausleben der Träume in der Phantasie)

Und sperr' ihr Paradies als breiter Riegel.
(Meine Träume sind mein Paradies, zu dem nur ich Zutritt habe)

murasaki


Anzeige