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pelagia
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Reise- und Urlaubslektüre: "Langsamer Abschied"
geschrieben von pelagia
In der Liste der vorgestellten Bücher (blog - Eigene Themen)findet sich auch „Langsamer Abschied“ von Irina Korschunow.
Da ich einige Male zu diesem Buch gefragt worden bin, stelle ich es hier kurz vor:
Das Buch ist im Frühjahr 2009 erschienen. Es ist ein ernstes Buch, das sich mit den Themen Liebe, Lebensinhalte, Wachkoma und Tod auseinandersetzt.

Nora, die Ich-Erzählerin, ist seit 17 Jahren mit Pierre verheiratet, als der nach einem Autounfall ins Koma fällt. Als er nach einiger Zeit daraus erwacht, erleidet er nach anfänglichen Fortschritten als Spätfolge eine Hirnblutung und dämmert nun als Wachkomapatient mit keinen Möglichkeiten zu Aktionen oder Reaktionen vor sich hin.
Nora hat Pierre in der Nacht vor dem Unfall, in der sie sich nach einer großen Krise endlich wieder versöhnt hatten, versprochen ihn nie mehr allein zu lassen und fühlt sich nun an dieses Versprechen gebunden.

Beeindruckend finde ich die Klarheit, mit der die 83-jährige Autorin schreibt und die Selbstverständlichkeit, mit der sich Irina Korschunow dem Thema Wachkoma annimmt. In der heutigen Zeit schafft es die moderne Medizin immer öfter, Menschen am Leben zu erhalten, die früher gestorben wären. Der Preis dafür ist die Tatsache, dass es immer mehr Patienten mit Wachkoma gibt, die in einem Zustand leben, bei dem niemand sagen kann, was sie eigentlich noch wahrnehmen oder denken. Manche Patienten können sich in geringem Maße verständlich machen oder reagieren, in diesem Roman, bei Pierre, ist selbst das nicht möglich.
Hier ist mein einziger Kritikpunkt an dem Buch, dass Pierre nicht mehr als „denkender Mensch“ behandelt wird. Die Ärzte sind sich bis heute nicht darüber einig, was ein Mensch im Wachkoma mitbekommt, es gibt aber Berichte von Menschen, die reaktionslos im Bett lagen und hinterher berichteten, dennoch alles mitbekommen haben, was gesprochen wurde.
Das Buch geht davon aus, dass der Wachkomapatient nichts mehr mitbekommt. Irina Korschunow beschreibt ein Problem darin, dass Nora zwischenzeitlich in der Gefahr ist, ihr eigenes Leben aufzugeben, um nur noch für eine "lebende Leiche" zu leben.

Das Thema Wachkoma ist aber nicht das einzige heiße Eisen, das Irina Korschunow anpackt. Vor Pierres Unfall gab es einen Konflikt, bedingt durch die unterschiedlichen Lebenserwartungen von Nora und Pierre.
Nora ist mit Leib und Seele Kunsthistorikerin, Pierre sehnt sich schon früh nach einer Familie mit Kindern. Im Alter von 40 Jahren ist endlich auch Nora bereit, Kinder zu bekommen. Pierre gerät in einen wahren Freudentaumel, bringt am Anfang von jeder Dienstreise Spielzeug oder Anziehsachen für seine Tochter Laura mit, kauft eine Wiege, fängt an, ein Spielzimmer einzurichten – das Problem ist nur, dass es Laura gar nicht gibt und nicht geben wird, weil Nora auch nach Jahren nicht schwanger geworden ist. Zur gleichen Zeit ist Pierre allerdings Vater geworden, ohne es zu wissen. Das Kind ist das Resultat eines Seitensprunges auf einer Dienstreise.
Einige Jahre später erfährt es Pierre, verheimlicht es aber vor Nora um sie nicht zu verletzen und besucht seine Tochter Annika, die er sehr liebt, regelmäßig heimlich.
Als aufgrund der Kinderlosigkeit von Nora und Pierre die Frage nach der Fruchtbarkeit von Pierre gestellt wird, rutscht ihm heraus, dass es nicht an ihm liegen kann, weil er ja schon eine Tochter hat. Nora reagiert eifersüchtig und verlangt von ihm, sich zwischen ihr und dem Kind zu entscheiden. Dabei stellt sich für Pierre nun die Frage nach der Verantwortlichkeit für Tochter und Ehefrau.

Die Frage nach der Vereinbarkeit von Karriere und Familie für eine Frau, ein weiteres Thema dieses Romans, wird von Irina Korschunow anhand verschiedener Personen abgehandelt. Außer Nora sind dies die Fernsehredakteurin Barbara, eine Kollegin von Nora, und ihre Nachbarin und Freundin Renate.

„Langsamer Abschied“ ist bei allen ernsten Themen kein düsteres Buch. Es ist realistisch, absolut lebensbejahend und äußerst lesenswert.

Irina Korschunow: Langsamer Abschied
Verlag Hoffmann und Campe, Hamburg, 2009. 160 S. € 17,95
pelagia
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Buchvorstellung: Langsamer Abschied
geschrieben von pelagia
als Antwort auf pelagia vom 02.07.2009, 11:12:15
So, ich hoffe, jetzt ist der Beitrag zu finden.
LG Inge
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pelagia
ehemaligesMitglied47
ehemaligesMitglied47
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Re: Buchvorstellung: Langsamer Abschied
geschrieben von ehemaligesMitglied47
als Antwort auf pelagia vom 02.07.2009, 13:12:59
das ruft in mir alles wach ... ich kenne das nur zu gut ... persönlich lesen möchte ich es deshalb nucht, weil ich vielleicht viel zu dicht im Thema bin ...
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cundinamarca

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