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Literatur Religiöse Dichtung

hydelber
hydelber
Mitglied

Re: Religiöse Dichtung
geschrieben von hydelber
als Antwort auf hydelber vom 23.07.2007, 22:33:44
Eine Zugabe - mit besten Wünschen an die Tyrannen :


"Frühlingslied"


Noch ein Lied dem deutschen Bürger,
noch ein echtes Maienlied !
Frühling sei es keinem Würger,
der sein Volk zum Staube zieht;
Frühling jedem bis zum Tod,
Frühling nie für den Despot !
Selbst der Himmel, warm und rein,
der des Freien Brust erweitert,
eine Klippe, dran er scheitert,
mög er jedem Wütrich sein.

Alle Blumen sollen flüstern:
"Seht ihr, seht ihr den Tyrann ?
Bleib in deinem Reich, dem düstern,
in der Hölle, finstrer Mann !
Willst du noch des Weihrauchs mehr ?
Unser Kelch ist für dich leer,
Fort ! Du taugst nicht an das Licht !
Weiche ferne, du Verräter,
du verstehst den freien Äther
und die Frühlingsfreiheit nicht ! "

Jede Biene dünk Tarantel,
jeder Rose Purpurkleid
ihm ein Karbonarimantel,
drin ein Dolch für ihn bereit !
Jeglich Säuseln, das er hört,
ihm sein Volk, das sich empört;
keine Freude und kein Scherz,
keine Wonne soll ihm blühen,
und von keiner Sonne glühen
je ihm sein sibirisch Herz!

Nächtlich mit Entsetzen dreh er
sich im sternenlosen Nichts,
und von allen Engeln seh er
nur den Engel des Gerichts;
jeder Schlag der Nachtigall
kling ihm wie Posaunenschall,
der ihn vor den Ew'gen ruft;
und der Lerche jubelnd Schmettern,
wie der Blitz von tausend Wettern
treff es ihn aus blauer Luft.

Jeder Blütenbaum am Wege
streu aufs Haupt ihm Silberschnee,
einen eis'gen Panzer lege
um sein Schiff ihm jeder See;
wo er immer landen mag,
flieh erschreckt der goldne Tag:
In der öden, kahlen Flur
soll sich seine Seele spiegeln,
ihm ein Buch mit tausend Siegeln
sei im Lenze die Natur.

Ja, o Lenz, sei für die Dichter,
für die Völker Lenz allein !
Für Tyrannen sollst du Richter,
für Tyrannen Rächer sein.
Schreib auf jedes grüne Blatt:
Ich bin eurer herzlich satt,
eurer schnöden Tyrannei !
Frei sind meiner Blumen Düfte,
meine Wolken, meine Lüfte,
auch die Menschen seien frei !


von Georg Herwegh, 1817-1875


Leider fand sich keine Übersetzung ins texanische...

--
hydelber
Friedrich Nietzsche
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 10.07.2007, 10:32:01
Dem unbekannten Gott

Noch einmal, eh ich weiterziehe
und meine Blicke vorwärts sende,
heb ich vereinsamt meine Hände
zu dir empor, zu dem ich fliehe,
dem ich in tiefster Herzenstiefe
Altäre feierlich geweiht,
daß allezeit
mich deine Stimme wieder riefe.

Darauf erglüht tief eingeschrieben
das Wort: Dem unbekannten Gotte.
Sein bin ich, ob ich in der Frevler Rotte
auch bis zur Stunde bin geblieben:
Sein bin ich - und fühl die Schlingen,
die mich im Kampf darniederziehn
und, mag ich fliehn,
mich doch zu seinem Dienste zwingen.

Ich will dich kennen, Unbekannter,
du tief in meine Seele Greifender,
mein Leben wie ein Sturm Durchschweifender,
du Unfaßbarer, mir Verwandter!
Ich will dich kennen, selbst dir dienen.

-- Friedrich Nietzsche --

Re: Novalis
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 23.07.2007, 23:50:57
Wenn ich ihn nur habe,
Wenn er mein nur ist,
Wenn mein Herz bis hin zum Grabe
Seine Treue nie vergißt:
Weiß ich nichts von Leide,
Fühle nichts, als Andacht, Lieb und Freude.

Wenn ich ihn nur habe,
Laß ich alles gern,
Folg an meinem Wanderstabe
Treu gesinnt nur meinem Herrn;
Lasse still die andern
Breite, lichte, volle Straßen wandern.

Wenn ich ihn nur habe,
Schlaf ich fröhlich ein,
Ewig wird zu süßer Labe
Seines Herzens Flut mir sein,
Die mit sanftem Zwingen
Alles wird erweichen und durchdringen.

Wenn ich ihn nur habe,
Hab ich auch die Welt;
Selig, wie ein Himmelsknabe,
Der der Jungfrau Schleier hält.
Hingesenkt im Schauen
Kann mir vor dem Irdischen nicht grauen.

Wo ich ihn nur habe,
Ist mein Vaterland;
Und es fällt mir jede Gabe,
Wie ein Erbteil in die Hand:
Längst vermißte Brüder
Find ich nun in seinen Jüngern wieder.

-- Novalis --

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enigma
enigma
Mitglied

Re: Novalis
geschrieben von enigma
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 24.07.2007, 11:35:13
Henry David Thoreau

Rauch
Rauch, leichter Vogel Ikarus,
Die Schwingen schmelzend im erhobnen Flug,
Liedlose Lerche und des Dämmers Bote,
Der du das Nest der Weiler überkreist
Oder, ein Traum und schattenhafte Form
Der Nachtgesichte, deinen Rocksaum raffst,
Die Sterne zu verschleiern und am Tag
Das helle Licht der Sonne zu verdunkeln:
Geh du, mein Weihrauch, aus von diesem Herd
Und bitte Gott, die Flamme zu verzeihn.



Hier ist es m.E. interessant, mehr über die Person von Thoreau und seine Bedeutung für die amerikanische Literatur zu wissen, wie sie zu seinen Lebzeiten und heute gesehen wird-
She. Linktipp




--
enigma
Re: Religiöse Dichtung
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 20.07.2007, 10:26:23
Das nachstehende Gedicht habe ich bei einer Wohnungsauflösung (auf der Rückseite eines Bildes aufgeklebt) gefunden.

Der arme Spielmann

Zu Mainz ging einst voll Harm und Leid ein Spielmann alt und arm
Mit weißem Haar im Bettelkleid, die Geige in dem Arm.

"Wie frieret mich, wie hungert mich, wie bin ich alt und schwach!
Wer, ach! erbarmet meiner sich und nimmt mich unter Dach?

Als ich vor Jahren lustig sang, da priesen sie mich sehr;
Wenn meine Geige hell erklang, war alles froh umher.

Nun geh ich armer Greis allein, der nimmer singen kann;
Sie sprechen: "Stell dein Geigen ein, du altersschwacher Mann."

Der Alte ging mit seinem Gram zu Mainz den Rhein entlang,
Als er zu einem Kirchlein kam, draus hell ein Glöcklein klang.

Er stellte still sich in die Tür und sah auf dem Altar
Ein gold'nes Bild in reicher Zier von einer Jungfrau klar.

Voll Andacht sah er nach dem Bild und klagte seinen Schmerz;
Ihm war, als spräch es süß und mild ihm Trost ins kranke Herz.

Da weinet lang und weinet heiß vor ihm der alte Mann
Und spielt dem Bild zu Lob und Preis das Beste, was er kann.

Er singt dazu sein Lied und spricht: "Du kennst der Armut Schmerz,
Du hörst die alte Geige nicht, du hörst mein warmes Herz."

Und als das Lied geendet war und er wollt' weiterzieh'n,
Da warf den Schuh von Gold so klar das Bild zum Lohn ihm hin.

Der Alte hob ihn küssend auf und dankte tausendmal,
Zur Stadt dann ging er freudig hin, ihn trieb des Hungers Qual.

Die Häscher aber faßten ihn und riefen hart ihm zu:
"Ei halt, wo eilst Du Alter hin? Gestohlen ist der Schuh!"

"Mir schenkte ihn das Bild zum Lohn", So rief der Alte bang;
Sie aber sprachen drauf mit Hohn: "Dem Dieb gebührt der Strang."

Sie glaubten seinem Schwure nicht, verdammten ihn zum Strang,
Sie schleppten ihn zum Hochgericht den stillen Rhein entlang.

Und als er auf der harten Bahn zum kleinen Kirchlein kam,
Da hielt er bei dem Bilde an und sprach in seinem Gram:

"Du selber littest größern Schmerz und gabst für Gott Dein Blut;
Ich opfre Dir mein armes Herz, nimm mich in Deine Hut."

Zum letzten nimmt der alte Mann die alte Geig' hervor,
Und singt dazu so gut er kann, sein Lied dem Bilde vor.

Doch als das Lied geendet war und er wollt' weiter ziehn,
Den zweiten Schuh von Gold so klar warf ihm die Heil'ge hin.

Voll Staunen und voll Rührung sah das Volk dem Wunder zu,
Sie sprachen: "Gott der Herr ist nah! geschenkt ward ihm der Schuh."

Sie fielen reuig auf das Knie und beteten im Kreis
Und mit dem Spielmann sangen sie dann Gottes Lob und Preis.

G. Görres

Immanuel Kant
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 10.07.2007, 10:32:01

Glaube und Tat

Was auf das Leben folgt, deckt tiefe Finsternis;
was uns zu tun gebührt, des nur sind wir gewiss.
Dem kann kein Missgeschick, kein Tod die Hoffnung rauben,
der glaubt, um recht zu tun, recht tut, um froh zu glauben.

-- Immanuel Kant --

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Re: J. W. Goethe
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 24.07.2007, 00:00:31
Wär' nicht das Auge sonnenhaft,
die Sonne könnt' es nie erblicken;
läg' nicht in uns des Gottes eigne Kraft,
wie könnt' uns Göttliches entzücken?

-- Johann Wolfgang Goethe --

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