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Literatur Satire und Sarkasmus

qilin
qilin
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Satire und Sarkasmus
geschrieben von qilin
Beim Rezensieren des Buches von Kozyrew ist mir der Gedanke gekommen das Thema zur Diskussion zu stellen 'Wie weit darf/kann/soll Satire gehen?' Kurt Tucholsky wird häufig zitiert mit seinem "Was darf Satire? Alles." - er schreibt aber auch "Satire hat eine Grenze nach oben: Buddha entzieht sich ihr. Satire hat auch eine Grenze nach unten - in Deutschland etwa die herrschenden faschistischen Mächte. Es lohnt nicht - so tief kann man gar nicht schießen" - allerdings bin ich der Meinung, dass selbst damals - bei allem Risiko für den Satiriker - Satire doch einige Wirkung gezeigt haben muss - sonst hätten die Machthaber nicht so empfindlich darauf reagiert. Dass Manche sich durch sie auf die Zehen getreten fühlen, ist Sinn und Zweck von Satire. Nochmals Tucho: "Übertreibt die Satire? Die Satire muss übertreiben und ist ihrem tiefsten Wesen nach ungerecht. Sie bläst die Wahrheit auf, damit sie deutlicher wird, und sie kann gar nicht anders arbeiten als nach dem Bibelwort: Es leiden die Gerechten mit den Ungerechten." Dabei ist allerdings zu unterscheiden über wen sie sich lustig macht - und dazu ist Textkritik gefragt. Wenn ich an den bekannten 'Bescheidenen Vorschlag' von Jonathan Swift denke, dann ist zweifellos manchmal nicht nur die, sondern auch ein stabiler Magen vonnöten - trotzdem ist der Text nach fast 200 Jahren noch immer ein Inbegriff für die Wirksamkeit von Satire. Die Empfindlichkeit von Mägen ist allerdings verschieden...

() qilin
adam
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Re: Satire und Sarkasmus
geschrieben von adam
als Antwort auf qilin vom 18.05.2013, 10:45:14
Nein Quilin,

so kannst Du meines Erachtens an die Sache nicht ran gehen, besonders deshalb nicht, weil Du Dich an anderer Stelle auf diesen Thread hier als Betrachtung des Problem in einem Dritten beziehst.

Deshalb stelle ich erst einmal fest, daß, ganz aktuell, Satire nicht auf dem Leid eines Menschen und auch nicht auf Menschenverachtung aufbauen kann. Dann wird auch die beabsichtigte Satire zum profanen Abklatsch niederer Instinkte. Dazu passt weder Tucholsky, noch Swift und es hat auch mit der Empfindlichkeit von Mägen nichts zu tun.

Der Satiriker ist selbst verantwortlich für das Publikum, das er anspricht und er kann sich nicht auf Nichtverstehen berufen, sondern hat mit ausgesucht behutsamer Auswahl seiner Rhetorik vorzugehen.

Hinter wirklicher Satire sieht man den Biss der guten Beobachtung, Menschenkenntnis und den positiven Nutzen der Schmerzen, die der Satire einen allgemeinen Nutzen verleihen.

edit: Jetzt lese ich gerade Deine Bemerkung im anderen Thread, was den Ausgangspunkt hier schon wieder anders aussehen läßt. Das ist übel, wenn sich Themen derart überschneiden. Ich lasse aber meinen Text hier unverändert, weil der Tenor weiterhin meiner Meinung entspricht.

--

adam
qilin
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Re: Satire und Sarkasmus
geschrieben von qilin
als Antwort auf adam vom 18.05.2013, 11:47:39
Hallo Adam,

das ist mal eine konkrete Ansage, auf die man auch konkret reagieren kann.
Deshalb stelle ich erst einmal fest, daß, ganz aktuell, Satire nicht auf dem Leid eines Menschen und auch nicht auf Menschenverachtung aufbauen kann. Dann wird auch die beabsichtigte Satire zum profanen Abklatsch niederer Instinkte. Dazu passt weder Tucholsky, noch Swift und es hat auch mit der Empfindlichkeit von Mägen nichts zu tun.
Um diesen Punkt zu beleuchten eignet sich das Beispiel des 'bescheidenen Vorschlags' von Swift ja hervorragend - worauf baut der Text denn auf, wenn nicht auf dem Leid der armen irischen Bevölkerung und der Menschenverachtung der Besetzenden/Besitzenden? Ganz allgemein - wenn eine Satire nicht irgendeinen Übelstand anprangert, welche Funktion hat sie dann? Bloße Unterhaltung?

Der Satiriker ist selbst verantwortlich für das Publikum, das er anspricht und er kann sich nicht auf Nichtverstehen berufen, sondern hat mit ausgesucht behutsamer Auswahl seiner Rhetorik vorzugehen.
Nochmals Tucho: "Satiren, die der Zensor versteht, werden mit Recht verboten." Wenn ich eine Satire schreibe, kann ich mir nicht aussuchen wer sie liest und wer nicht - würde man also nach Deiner Meinung vorgehen, dürfte man nur schreiben was Jeder versteht und Niemanden kränkt. Wenn man das dann 'Satire' nennt, dann sind 90% der Postings hier Satiren...

Hinter wirklicher Satire sieht man den Biss der guten Beobachtung, Menschenkenntnis und den positiven Nutzen der Schmerzen, die der Satire einen allgemeinen Nutzen verleihen.
Nun, gute Beobachtung und Menschenkenntnis sind wohl schwer abzuschätzen, wenn man jemanden nicht sehr gut kennt - aber 'positiven Nutzen'? Eine Satire ist p. def. das Anprangern eines Übelstands - häufig dadurch, dass dieser übertrieben und positiv dargestellt wird (Beispiel wieder Swift). Eine mögliche positive Wirkung ergibt sich dann durch das Verstehen dieses Mechanismus und ein Abrücken von der beschriebenen falschen Haltung.

() qilin

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Mareike
Mareike
Mitglied

Re: Satire und Sarkasmus
geschrieben von Mareike
als Antwort auf qilin vom 18.05.2013, 12:39:10
Eine Satire sollte kritisch sein, sie sollte es in ihrer Überspitzung auch sein und es muss eine entlarvende Wirkung beabsichtigt sein.

Mareike
qilin
qilin
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Re: Satire und Sarkasmus
geschrieben von qilin
als Antwort auf Mareike vom 18.05.2013, 12:52:57
Hallo Mareike,

das sehe ich genauso, und je überspitzter die Satire ist, desto leichter sollte sie eigentlich zu verstehen sein.
Ich kann mir nicht vorstellen dass irgendein Leser im Ernst annimmt, Swift hätte beabsichtigt, das Schlachten
von Kleinkindern zu propagieren - selbst wenn er das ausdrücklich behauptet...

() qilin
Mareike
Mareike
Mitglied

Re: Satire und Sarkasmus
geschrieben von Mareike
als Antwort auf qilin vom 18.05.2013, 13:10:05
Es stellt sich hier die Frage, warum dennoch "Missverständnisse" aufkommen?

Swift schlägt vor, zur Lösung von Überbevölkerung, Armut und Kriminalität in Irland irische Babys als Nahrungsmittel zu nutzen und durch Export Profit daraus zu schlagen.
Er überzeichnet dabei diverse damals diskutierte Vorschläge, wie etwa die Armen nach dem Vorbild einer Aktiengesellschaft zu organisieren, oder die Praxis, Menschen als Ressource zu betrachten.

Sicher könnte dies auch in anderer Form zur Sprache gebracht werden.
Und so ist es nachvollziehbar, dass so mancher Zeitgenosse damals wie heute diese drastische Art der Erörterung ablehnt.

Jedoch dass jemand glauben könnte, dies könnte von Swift ernst gemeint sein im Sinne von übelster Menschenverachtung, dies erscheint auch mir als äußerst unwahrscheinlich.

Dies kann nur dann passieren, wenn Menschenverachtung wirklich konkret in der geschilderten, "überspitzten" Form in der Gesellschaft vorhanden ist.
Hier denke ich konkret an Forderungen in Hinsicht auf drastische Strafen für Gewalttäter.

Mareike

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Re: Satire und Sarkasmus
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf Mareike vom 18.05.2013, 13:44:06
Swift schlägt vor, zur Lösung von Überbevölkerung, Armut und Kriminalität in Irland irische Babys als Nahrungsmittel zu nutzen und durch Export Profit daraus zu schlagen.
Er überzeichnet dabei diverse damals diskutierte Vorschläge, wie etwa die Armen nach dem Vorbild einer Aktiengesellschaft zu organisieren, oder die Praxis, Menschen als Ressource zu betrachten.

Sicher könnte dies auch in anderer Form zur Sprache gebracht werden.
Und so ist es nachvollziehbar, dass so mancher Zeitgenosse damals wie heute diese drastische Art der Erörterung ablehnt.


Genau das ist der Punkt, Mareike.

Meli
qilin
qilin
Mitglied

Re: Satire und Sarkasmus
geschrieben von qilin
als Antwort auf Mareike vom 18.05.2013, 13:44:06
Hallo Mareike,
Sicher könnte dies auch in anderer Form zur Sprache gebracht werden.
Und so ist es nachvollziehbar, dass so mancher Zeitgenosse damals wie heute diese drastische Art der Erörterung ablehnt.
Zweifellos kann man die gleiche Aussage auch in gesetzten Worten und tiefem Ernst formulieren (wie oft ist das nicht schon gemacht worden? Es ist nur fraglich, ob sie dann die gleiche Wirkung hat - das ist ja der Grund warum es Satire überhaupt gibt...) - das ist aber eine Geschmacksfrage und keine von Moral, Intelligenz oder Empathie - also "Das lehne ich ab, weil es nicht meinem Geschmack entspricht" und nicht "Das ist abzulehnen, weil es schlecht, dumm, herzlos [oder sonstwas] ist".

Dies kann nur dann passieren, wenn Menschenverachtung wirklich konkret in der geschilderten, "überspitzten" Form in der Gesellschaft vorhanden ist.
Hier denke ich konkret an Forderungen in Hinsicht auf drastische Strafen für Gewalttäter.
Dazu antworte ich Dir lieber per PN, da ich mir nicht nochmals vorhalten lassen möchte, ich würde hier verschiedene Threads vermengen...

() qilin
adam
adam
Mitglied

Re: Satire und Sarkasmus
geschrieben von adam
als Antwort auf qilin vom 18.05.2013, 12:39:10
@qilin,

noch folgende Bemerkungen

Wenn ich eine Satire schreibe, kann ich mir nicht aussuchen wer sie liest und wer nicht - würde man also nach Deiner Meinung vorgehen, dürfte man nur schreiben was Jeder versteht und Niemanden kränkt. Wenn man das dann 'Satire' nennt, dann sind 90% der Postings hier Satiren.


Ich schrieb nicht, daß sich der Satiriker aussuchen kann, wer ihn liest, sondern wen er anspricht. Das ist ein wichtiger Unterschied, den Du ja selber anführtst ("Satiren, die der Zensor versteht, werden mit Recht verboten."). So ergibt sich das Gegenteil von dem, was Du schreibst.

Satire kann fein sein bis zum Nichtverstehen durch manche Zeitgenossen. Aber gut, es ist Definitionssache, was man unter Satire verstehen möchte.
Eine Satire ist p. def. das Anprangern eines Übelstands - häufig dadurch, dass dieser übertrieben und positiv dargestellt wird (Beispiel wieder Swift). Eine mögliche positive Wirkung ergibt sich dann durch das Verstehen dieses Mechanismus und ein Abrücken von der beschriebenen falschen Haltung.


Zuviel Zucker ist genauso wenig positiv wie zu zuviel Salz. Ich schrieb von allgemeinem Nutzen, im Fall der Satire also ein Stück Erkenntnis sowohl für den Parodierten als auch für den Leser. Aber gut, auch das ist Sache der Definition, was man unter Satire verstehen möchte.

Nicht Sache der Definition, was man unter Satire verstehen möchte ist, daß auch bei der Satire der Zweck nicht die Mittel heiligen darf. Satire gehört zu dem Genre, bei dem nicht alles erlaubt ist. Und hier meine ich nicht etwa politische Zensur, weil einem Diktator eine Aussage nicht passt, sondern Ehrenrechte, die durch freiheitliche Verfassungen geschützt sind. Da ist auch für Satire das Ende der Fahnenstange erreicht.

Ein weiteres Gebiet, auf dem die Satire ihren Namen nicht verdient ist, wenn ein Mißstand durch Übertreibung nicht mehr aufgeklärt werden muß und die Satire nur noch als Aufhänger für Schockaussagen herhalten soll.

"Über Gebissträger lacht man nicht!" sagt der Volksmund. Hier sind also die Grenzen des guten Geschmacks angesprochen, die zugegebenerweise wieder jeder für sich definieren darf.

Allerdings gilt es bei dieser Definition zu beachten, daß ein tiefer Fall durch den Vorwurf der Geschmacks- oder gar Emotionslosigkeit droht, weil das Empfinden der Menschen beleidigt wird, die manchen Aussagen so wenig entgehen können, wie ein Autor sich aussuchen kann, wer ihn liest.

--

adam
Re: Satire und Sarkasmus
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf adam vom 18.05.2013, 16:31:46
Allerdings gilt es bei dieser Definition zu beachten, daß ein tiefer Fall durch den Vorwurf der Geschmacks- oder gar Emotionslosigkeit droht, weil das Empfinden der Menschen beleidigt wird, die manchen Aussagen so wenig entgehen können, wie ein Autor sich aussuchen kann, wer ihn liest.
geschrieben von Adam


Adam,

ich danke Dir für Deine Worte.

Nur ein Mensch, der keine Ahnung davon hat und sich nicht einmal vorstellen kann, weiß, wie schwer missbrauchte Menschen und ich meine nicht nur Frauen, sondern auch Männer, unter ihrem Schicksal leiden.

Mir sind in meiner beruflichen Laufbahn immer wieder Menschen begegnet, die genau dieses Schicksal, zum Teil im Kindesalter erlitten haben.
Und ich weiß, wie empfindlich sie auf bestimmte Aussagen reagieren.
Deshalb schrieb ich von "Geschmacklosigkeit" und bin dem Volksmund doch für den Spruch, dass man über Gebissträger nicht lacht, dankbar.

Doch jetzt zu quilin und seine Äußerungen Mareike gegenüber.
Denn wenn ich auch nicht direkt angesprochen wurde, so wurde ich es doch mit meiner Äußerung zur Geschmacklosigkeit indirekt.

@ quilin

Es liegt doch eine Vermischung vor, auch wenn Du nicht ausdrücklich meinen Namen nennst.
Jeder, der jetzt vom 1. bis zum 3. Thread mitgelesen hat, weiß was gemeint ist, wenn Du schreibst

Zweifellos kann man die gleiche Aussage auch in gesetzten Worten und tiefem Ernst formulieren (wie oft ist das nicht schon gemacht worden? Es ist nur fraglich, ob sie dann die gleiche Wirkung hat - das ist ja der Grund warum es Satire überhaupt gibt...) - das ist aber eine Geschmacksfrage und keine von Moral, Intelligenz oder Empathie - also "Das lehne ich ab, weil es nicht meinem Geschmack entspricht" und nicht "Das ist abzulehnen, weil es schlecht, dumm, herzlos [oder sonstwas] ist".
geschrieben von quilin


Und weiter:

Dazu antworte ich Dir lieber per PN, da ich mir nicht nochmals vorhalten lassen möchte, ich würde hier verschiedene Threads vermengen...
geschrieben von quilin


Denn ich schrieb im 1. Thread:

Dass ich, Meli, es für geschmacklos halte, wenn missbrauchte Menschen in dieser, von Dir gewählten Form, für eine Satire herhalten sollen, weil sie meiner Meinung nach, damit ein zweites Mal missbraucht werden.
Dies kritisiert sehr wohl die Form als auch den Inhalt.

Die Einleitung zu Deinem Thread "Volksmeinung" kann jeder nachlesen. Ich werde hier nicht zitieren.
Das war meine Antwort darauf und alles, was jetzt kommt, ist m.M.n. nachgeschoben.

Ich möchte auch für unsere Leser einmal kurz einsetzen:

Jonathan Swift (* 30. November 1667 in Dublin, Königreich Irland; † 19. Oktober 1745 ebenda) war ein irischer Schriftsteller und Satiriker der frühen Aufklärung. Er hat auch unter folgenden Pseudonymen geschrieben: Isaac Bickerstaff, A Dissenter, A Person of Quality, A Person of Honour, M.B. Drapier, T.R.D.J.S.D.O.P.I.I. (The Reverend Doctor Jonathan Swift, Dean of Patrick's in Ireland).
geschrieben von Swift, Jonathan


Weder in früheren Zeiten noch in der heutigen Zeit muss sich niemand an diesen Schriften erfreuen und darf sie durchaus auch ablehnen. Diese Form und das ist meine persönliche Meinung schadet den Opfern (wie im 1. Thread ausgeführt) und dagegen schreibe ich an.

Das über Schriften von Swift unter Nennung des Schriftstellers, zitieren seiner Satiren etc. mit Fragestellung diskutiert werden kann, steht für mich auf einem völlig anderen Blatt.

Meli

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