Literatur Schillerjahr

Schillerjahr
geschrieben von ehemaliges Mitglied

2009 gehört nicht nur Darwin allein,
es ist auch das Schillerjahr,
anlässlich seines 250. Geburtstages.

Darauf möchte ich mit einem link hinweisen.

roseluise
welling
welling
Mitglied

Re: Schillerjahr
geschrieben von welling
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 03.02.2009, 08:42:51
"In einem Aufsatz, den Schillers ältere Schwester Christophine unter dem Namen "Notizen über meine Familie" schrieb, befinden sich tief ergreifende und doch so enfache Worte über die Geburt des Bruders:

"Als die lieben Eltern neun Jahre verheiratet waren, wurde ich, das erste Kind, geboren. Die liebe Mutter wählte ihr Wochenbette in Marbach zu halten, um nahe bei ihren Eltern zu sein und ihrer Pflege zu genießen. Nach einundeinhalb Jahren befand sie sich abermals wieder in gesegneten Umständen, als eben der Siebenjährige Krieg ausbrach, wo auch unser Vater mit ins Feld mußte. Diese Trennung in diesen Umständen griff meine Mutter sehr an, und in der Folge noch mehr die traurigen Nachrichten , die vom Kriegsschauplatz hier einliefen.Daher mein Gruder von Geburt auf immer schwächlicher war als ich - und seine nachherigen Schicksale waren auch nicht derart, daß sein Körper recht erstarken konnte."

Ende Oktober des Jahres 1759 war Frau Elisabeth Dorothea in das Militärlager zu Ludwigsburg gekommen, Abschied von ihrem Mann, dem Leutnant Johann Kaspar Schiller, zu nehmen, der in den nächsten Tagen mit seiner Truppe durch das Fränkische nach Hessen marschieren mußte. In seinem Zelt, vom Schmerz der bevorstehenden Trennung tief ergriffen, spürte die Mutter schon die ersten Anzeichen der kommenden Geburt und mußte eilig in der kleinen, unbequemen Kalesche nach Marbach zurückgebracht werden. Trommelwirbel, Kommandoworte, der ganze wilde Lärm eines kriegerisch gesinnten, aber doch unzufriedenen Lagers drang ihr zu Ohren, als das Wägelchen zwischen den Obstbäumen der Landstraße der Heimat entgegenfuhr.
Noch fast vierzehn Tage verzögerte sich aber die Geburt.
Am zehnten Nobember, als der Vater schon in Gemünden am Main kantonierte, kam das Kind zur Welt und erhielt in der Taufe die Namen Johann Christoph Friedrich.
Es herrschten traurige Verhältnisse in dem einstöckigen bescheidenen Haus, desen Erdgeschoß Frau Leutnant Schiller zu Marbach bewohnte. Ihr Vater, einst ein vermögender Mann, hatte seinen Besitz in unglücklichen Spekulationen verloren und war nun froh, als Wächter am Niklastor bescheidene Unterkunft gefunden zu haben."
((zitiert aus : Schiller, Die Geschichte seines Lebens (Alexander v. Gleichen-Russwurm), Standard-Verlag, Hamburg, o.J.))

welling
longtime
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Re: Schillerjahr
geschrieben von longtime
als Antwort auf welling vom 03.02.2009, 10:00:20
Eine besondere Ehrung durch den Schweizer Dichter Robert Walser:

ROBERT WALSER:
Tell in Prosa
Hohlweg bei Küßnacht


Tell (tritt zwischen den Büschen hervor):
Durch diese hohle Gasse, glaube ich, muß er kommen. Wenn ich es recht überlege, führt kein andrer Weg nach Küßnacht. Hier muß es sein. Es ist vielleicht Wahnsinn, zu sagen: Hier muß es sein, aber die Tat, die ich vorhabe, bedarf des Wahnsinns. Diese Armbrust ist bis jetzt nur auf Tiere gerichtet gewesen, ich habe friedlich gelebt, ich habe gearbeitet, und wenn ich müde von der Anstrengung des Tages gewesen bin, habe ich mich schlafen gelegt. Wer hat ihm befohlen, mich zu stören, auf wessen Veranlassung hin hat er mich drücken müssen? Seine böse Stellung im Land hat es ihm eingegeben. (Er setzt sich auf einen Stein.) Teil läßt sich beleidigen, aber nicht am Hals würgen. Er ist Herr, er darf meiner spotten, aber er hat mich an Leib, Liebe und Gut angegriffen, er hat es zu weit getrieben. Heraus aus dem Köcher! (Er nimmt einen Pfeil heraus.) Der Entschluß ist gefaßt, das Schrecklichste ist getan, er ist schon erschossen durch den Gedanken. Wie aber? Warum lege ich mich in den Hinterhalt? Wäre es nicht besser, vor ihn hinzutreten und ihn vor den Augen seiner Knechte vom Pferd herunterzuschlagen? Nein, ich will ihn als das ahnungslose Wild betrachten, mich als den Jäger, das ist sicherer.
(Er spannt den Bogen.) Mit der friedlichen Welt ist es nun vorbei, ich habe auf das Haupt meines Kindes zielen müssen, so ziele ich jetzt auf die Brust des Wüterichs. Es ist mir, als hätte ich es bereits getan und könnte nach Hause ziehen; was im Geist schon geschehen ist, tun die Hände hinterher nur noch mechanisch, ich kann den Entschluß verzögern, aber nicht brechen, das müßte Gott tun. Was höre ich.
(Er horcht.) Kommt er schon? Hat er es eilig? Ist er so ahnungslos? Das ist das Eigentümliche an diesen Herren, daß sie ruhigen Herzens Jammervolles begehen können.
(Er zittert.) Wenn ich jetzt den Schuß verfehle, so muß ich hinabspringen und das verfehlte Ziel zerreißen. Teil, nimm dich zusammen, die kleinste Ungeschicklichkeit macht dich zum wilden Tier. (Hornruf hinter der Szene.) Wie frech er durch die Länder, die er erniedrigt, blasen läßt. Er meint, herrisch zu sein, aber er ist nur ohne Ahnung. Er ist so sorglos wie ein tanzendes Kind. Hundertfacher Räuber und Mörder. Er tötet, wenn er tänzelt. Ein Ungeheuer muß in der Ahnungslosigkeit sterben.
(Er macht sich zum Schuß bereit.) Jetzt bin ich ruhig. Ich würde beten, wenn ich weniger ruhig wäre. Ruhige wie ich erledigen Pflichten.
(Der Landvogt mit Gefolge auf Pferden. Prachtvoller Auftritt.)
(Tell schießt.) Du kennst den Schützen. Frei ist das Land von dir. (Ab.)
(Nach Friedrich Schiller)

*
(Aus: Karl Riha und Hand Wald (Hg.): Auf weißen Wiesen weiden grüne Schafe. Parodien. Frankfurt/M. 2001. IT 2735. S. 83f.

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longtime
Re: Schillerjahr
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf welling vom 03.02.2009, 10:00:20

"Ihr Vater, einst ein vermögender Mann, hatte seinen Besitz in unglücklichen Spekulationen verloren..."


Na, sieh an, hat sich ja nicht viel geändert seither

Danke für Deine Ausführungen, welling,
erwähnen möchte ich noch eine etwas andere Biografie über Schiller,
von Johannes Lehmann:
"Unser armer Schiller.Eine respektlose Annäherung."

Respektlos fand ich sie nicht, mehr unkonventionell und kritisch,
nicht lobhudelnd über den Dichter, sondern den Menschen suchend.
Mir hat das Buch sehr gefallen, und "unsern armen Schiller" näher gebracht.

roseluise

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