Literatur Schöne Lyrik

Sirona
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RE: Schöne Lyrik
geschrieben von Sirona
https://www.petra-neckarsulm.de/friedrich_hoelderlins_neckar.html

Der Neckar – Fr. Hölderlin
 

 
Sirona
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RE: Schöne Lyrik
geschrieben von Sirona
Postkutsche.jpg(pixabay kostenlos)


Lebensgruß – Stammbuchblatt
(Heinrich Heine) 

 
Eine große Landstraß’ ist unsere Erd’, 
wir Menschen sind Passagiere;
man rennet und jaget, zu Fuß und zu Pferd, 
wie Läufer oder Kuriere. 
 
Man fährt sich vorüber, man nicket, man grüßt 
mit dem Taschentuch aus der Karosse; 
man hätte sich gerne geherzt und geküßt, 
doch jagen von hinnen die Rosse. 
 
Kaum trafen wir uns auf derselben Station, 
herzliebster Prinz Alexander,
da bläst schon zur Abfahrt der Postillion, 
und bläst uns schon auseinander.




 
RE: Schöne Lyrik
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf Sirona vom 03.04.2020, 09:54:30
MühsamRichtig.png



Der Gefangene

Ich hab's mein Lebtag nicht gelernt,
mich fremdem Zwang zu fügen.
Jetzt haben sie mich einkasernt,
von Heim und Weib und Werk entfernt.
Doch ob sie mich erschlügen:
Sich fügen heißt lügen!

Ich soll? Ich muß? ­ Doch will ich nicht
nach jener Herrn Vergnügen.
Ich tu nicht, was ein Fronvogt spricht.
Rebellen kennen beßre Pflicht,
als sich ins Joch zu fügen.
Sich fügen heißt lügen!

Der Staat, der mir die Freiheit nahm,
der folgt, mich zu betrügen,
mir in den Kerker ohne Scham.
Ich soll dem Paragraphenkram
mich noch in Fesseln fügen.
Sich fügen heißt lügen!

Stellt doch den Frevler an die Wand!
So kann's euch wohl genügen.
Denn eher dorre meine Hand,
eh ich in Sklavenunverstand
der Geißel mich sollt fügen.
Sich fügen heißt lügen!

Doch bricht die Kette einst entzwei,
darf ich in vollen Zügen
die Sonne atmen ­ Tyrannei !
Dann ruf ich's in das Volk: Sei frei!
Verlern es, dich zu fügen!
Sich fügen heißt lügen!


Erich Mühsam
6. 4. 1878 - 10. 7. 1934

Clematis



 

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wastl
wastl
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RE: Schöne Lyrik
geschrieben von wastl
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 06.04.2020, 09:13:01

 ein Gedicht von Theodor Storm, das man in beide Richtungen interpretieren kann, 

                           "Der eine fragt, was kommt danach,
                             der andere fragt nur,
                             ist es recht,
                             und also unterscheidet sich
                             der Treue von dem Knecht."

gruß wastl

Sirona
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RE: Schöne Lyrik
geschrieben von Sirona
friedrich-schiller-67683_960_720.jpg(pixabay kostenlos)

Die Worte des Glaubens – Fr. Schiller

Drei Worte nenn' ich euch, inhaltsschwer,
sie gehen von Munde zu Munde,
doch stammen sie nicht von außen her,
das Herz nur gibt davon Kunde,
dem Menschen ist aller Werth geraubt,
wenn er nicht an die drei Worte glaubt.

Der Mensch ist frei geschaffen, ist frei,
und würd' er in Ketten geboren;
laßt euch nicht irren des Pöbels Geschrei,
nicht den Missbrauch rasender Thoren.
Vor dem Sklaven, wenn er die Kette bricht,
vor dem freien Menschen erzittert nicht.

Und die Tugend, sie ist kein leerer Schall,
der Mensch kann sie üben im Leben;
und sollt' er auch straucheln überall,
er kann nach dem Göttlichen streben,
und was kein Verstand der Beständigen sieht,
das übet in Einfalt ein kindlich Gemüth.

Und ein Gott ist, ein heiliger Wille lebt,
wie auch der menschliche wanke;
hoch über der Zeit und dem Raume webt
lebendig der höchste Gedanke;
und ob Alles im ewigen Wechsel kreist,
es beharret im Wechsel ein ruhiger Geist.

Die drei Worte behaltet euch, inhaltsschwer,
sie pflanzet von Munde zu Munde;
und stammen sie gleich nicht von außen her,
euer Inneres gibt davon Kunde.
Dem Menschen ist nimmer sein Werth geraubt,
so lang' er noch an die drei Worte glaubt.

Die drei Worte sind: 
Freiheit (2. Strophe) - Tugend (3. Strophe) - Glauben an Gott (4. Strophe)


 
Roxanna
Roxanna
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RE: Schöne Lyrik
geschrieben von Roxanna
DSC03991.JPG
 

Abschied
 
O Täler weit, o Höhen,
O schöner, grüner Wald,
Du meiner Lust und Wehen
Andächt'ger Aufenthalt!

Da draußen, stets betrogen,
Saust die geschäft'ge Welt,
Schlag noch einmal die Bogen
Um mich, du grünes Zelt!

Wenn es beginnt zu tagen,
Die Erde dampft und blinkt,
Die Vögel lustig schlagen,
Daß dir dein Herz erklingt:

Da mag vergehn, verwehen
Das trübe Erdenleid,
Da sollst du auferstehen
In junger Herrlichkeit!

Da steht im Wald geschrieben,
Ein stilles, ernstes Wort
Von rechtem Tun und Lieben,
Und was des Menschen Hort.

Ich habe treu gelesen
Die Worte, schlicht und wahr,
Und durch mein ganzes Wesen
Ward's unaussprechlich klar.

Bald werd ich dich verlassen,
Fremd in der Fremde gehn,
Auf buntbewegten Gassen
Des Lebens Schauspiel sehn;

Und mitten in dem Leben
Wird deines Ernsts Gewalt
Mich Einsamen erheben,
So wird mein Herz nicht alt.

Joseph Freiherr von Eichendorff



Ich finde es unmöglich, dass mitten im Beitrag eine Reklame erscheint. Ich musste sogar umformatieren, weil sie zwischen Überschrift und Gedicht platziert war. Zwischen den Beiträgen ok, aber nicht mitten drin. Lieber @karl, ließe sich das vielleicht ändern?

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Sirona
Sirona
Mitglied

RE: Schöne Lyrik
geschrieben von Sirona
als Antwort auf Roxanna vom 21.04.2020, 09:13:55
Und der gute Felix Mendelssohn hat diese wunderbare Wald-/Naturbeschreibung vertont. 
 

 
RE: Schöne Lyrik
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf Sirona vom 25.04.2020, 12:37:00



Summa Summarum


Sag, wie wär es, alter Schragen,
wenn du mal die Brille putztest,
um ein wenig nachzuschlagen,
wie du deine Zeit benutztest.

Oft wohl hätten dich so gerne
weiche Arme weich gebettet;
doch du standest kühl von ferne,
unbewegt, wie angekettet.

Oft wohl kam′s, dass du die schöne
Zeit vergrimmtest und vergrolltest,
nur weil diese oder jene
nicht gewollt, so wie du wolltest.

Demnach hast du dich vergebens
meistenteils herumgetrieben;
denn die Summe unsres Lebens
sind die Stunden, wo wir lieben.


Wilhelm Busch
15. 4. 1832 - 9. 1. 1908


😍

Clematis

 
Roxanna
Roxanna
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RE: Schöne Lyrik
geschrieben von Roxanna
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 14.05.2020, 07:46:30

LG
Roxanna
RE: Schöne Lyrik
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf Roxanna vom 17.05.2020, 21:14:43
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Foto: Pixabay

Gesang der Geister über den Wassern

Der Menschen Seele
Gleicht dem Wasser:
Vom Himmel kommt es,
Zum Himmel steigt es,
Und wieder nieder
Zur Erde muß es,
Ewig wechselnd.

Strömt von der hohen,
Steilen Felswand
Der reine Strahl,
Dann stäubt er lieblich
In Wolkenwellen
Zum glatten Fels,
Und leicht empfangen
Wallt er verschleiernd,
Leisrauschend,
Zur Tiefe nieder.

Ragen Klippen
Dem Sturz entgegen
Schäumt er unmutig
Stufenweise
Zum Abgrund.

Im flachen Bette
Schleicht er das Wiesental hin,
Und in dem glatten See
Weiden ihr Antlitz
Alle Gestirne.

Wind ist der Welle
Lieblicher Buhler;
Wind mischt vom Grund aus
Schäumende Wogen.

Seele des Menschen,
Wie gleichst du dem Wasser!
Schicksal des Menschen,
Wie gleichst du dem Wind!


Johann Wolfgang von Goethe

Clematis
 

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