Forum Kunst und Literatur Literatur Zeitgeschichte: zum 25ten Todestag von Heinrich Böll

Literatur Zeitgeschichte: zum 25ten Todestag von Heinrich Böll

hafel
hafel
Mitglied

Zeitgeschichte: zum 25ten Todestag von Heinrich Böll
geschrieben von hafel

Sein eigentliches Markenzeichen, war die Baskenmütze und er galt als Mahner, der immer klar und deutlich sagte, was Sache ist. Sein großer Freund und Wegbegleiter war Willy Brandt, mit dem er im Oktober 1983 an der Friedensdemo gegen den NATO-Doppelbeschluss im Bonner Hofgraten teilnahm.

Der Kölner Schreinersohn war schon zu Lebzeiten ein Klassiker der Gegenwartsliteratur. Satiren, Romane und Kurzgeschichten, aber auch Theaterstücke waren sein Metier. Für den Literaturpapst M. Reich-Ranicki war Böll allerdings kein "Sprachkünstler". Aber das gab Heinrich Böll keinen Abbruch, er schaute oft mit einfachen, aber klaren Worten, dem deutschen Volk auf die Finger. Seine Themen waren die schlimmen Folgen des Krieges, gesellschaftliche Fehlentwicklungen im Nachkriegsdeutschland und deutsches Spießertum. 1972 erhielt Heinrich Böll, nach Thomas Mann der erste Deutsche den Literatur-Nobelpreis.

Würde Heinrich Böll heute noch leben, würden ihm mit größter Sicherheit die Themen nicht ausgehen.

Deutschland sollte dankbar sein, einen solchen ehrlichen Mahner in den eigenen Reihen gehabt zu haben.

Hafel
miriam
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Re: Zeitgeschichte: zum 25ten Todestag von Heinrich Böll
geschrieben von miriam
als Antwort auf hafel vom 16.07.2010, 09:54:14
http://hinter-den-schlagzeilen.de/wp-content/uploads/2010/07/Böll-221x300.jpg[/img]



Ohne Heinrich Böll, wäre die ganze Entwicklung Deutschlands nach dem Zweiten Weltkrieg, nicht so gelaufen, wie wir sie erlebt haben.
Seinen enormen Einfluss begreift man vielleicht erst jetzt, 25 Jahre nach seinem Tod.

Kritisch betrachtete Heinrich Böll die Entwicklung der Gesellschaft so kurze Zeit nach dem verheerenden Krieg, eine Entwicklung die Richtung Konsum und Spaßgesellschaft ging – ohne dass die Mehrheit sich auch nur im geringsten Gedanken machte, über die Verbrechen der damals noch jüngsten Vergangenheit.

Heinrich Böll wurde zum Mahner, er und andere große Persönlichkeiten jener Zeit wie zum Beispiel sein Freund Willy Brandt.

Ihm verdanken wir zum großen Teil einen wichtigen Bestandteil der Kultur, die kollektive Erinnerung, die auch die Identität einer Nation ausmacht.

Doch wäre es ein großes Missverständnis sich vorzustellen, dass Böll dafür in Deutschland, in jener Zeit, geschätzt wurde.
Theodor Adorno fasste es sehr gut zusammen, indem er im Jahr 1967 schrieb:


"Ausgebrochen ist er aus jener abscheulichen deutschen Tradition, welche die geistige Leistung ihrem affirmativen Wesen gleichsetzt. Meine Phantasie ist exakt genug, dass ich mir vorstellen kann, welches Maß an Feindschaft und Ranküne er damit auf sich lenkte; einem Menschen seiner Empfindlichkeit muss es kaum erträglich gewesen sein."
([i]Theodor Adorno zum 50. Geburtstag Heinrich Bölls
)

Vielleicht ist uns ein Aspekt jener Zeit am besten wiedergegeben, eben wenn wir uns die Art wie Böll damals, in diesem Land verpönt war, sogar nachdem ihm der Nobelpreis für Literatur im Jahr 1976 vergeben wurde.

Zitat Hafel:

Sein großer Freund und Wegbegleiter war Willy Brandt, mit dem er im Oktober 1983 an der Friedensdemo gegen den NATO-Doppelbeschluss im Bonner Hofgraten teilnahm.

Ich erlaube mir mal, ganz stolz zu sein, da ich dabei gewesen bin. Glücklich auch, dass ich eine der Vielen, der 200.000, gewesen bin.

Es wäre noch so Vieles über Heinrich Böll zu sagen. Als ich nun ein wenig in der Presse las, verstand ich nicht, wieso es so lange dauern konnte, bis diese große Persönlichkeit im eigenen Land akzeptiert und auch anerkannt wurde.

Hat man ihm seinen deutlich zum Ausdruck gebrachtem Antimilitarismus verübelt? Oder seine scharfe Kritik des Nationalsozialismus?
Gehörte dies nicht als Selbstverständlichkeit zum guten Christen der ja Böll auch war?

Miriam



hafel
hafel
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Re: Zeitgeschichte: zum 25ten Todestag von Heinrich Böll
geschrieben von hafel
als Antwort auf miriam vom 16.07.2010, 13:57:27
Danke für Deinen Beitrag. Eine kleine Korrektur miriam:

Ich hatte es richtig geschrieben. Böll erhielt den Nobelpreis 1972, genau am 10. Dezember, an Nobels Todestag

Hafel

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clara
clara
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Re: Zeitgeschichte: zum 25ten Todestag von Heinrich Böll
geschrieben von clara
als Antwort auf hafel vom 16.07.2010, 14:09:52
Möchte mich der Würdigung von Heinrich Böll anschließen. Im Radio hörte ich, dass ihn nun auch der kleine Ort, wo Böll seine letzte Ruhe fand, zum Ehrenbürger ernennt, nachdem Köln es schon getan hat.
Und wieder hörte ich den mir unverständlichen Satz, dass Böll nur noch wenig Beachtung fände, im gleichen Atemzug wurde gesagt, dass er immer noch in den Schulen gelesen wird.
Dem, was Hafel und Miriam sagten, ist nichts hinzu zu fügen.
Ich habe durch die Lektüre von Bölls frühen Romanen und Erzählungen mehr über den Krieg erfahren - auch über den Krieg an sich - , als uns im Geschichtsunterricht vermittelt wurde.
Ich wüsste nicht, dass wir heute im deutschsprachigen Raum einen ähnlichen aufrechten Autor wie Heinrich Böll hätten, der sich nie den Mund verbieten ließ.

Clara
miriam
miriam
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Re: Zeitgeschichte: zum 25ten Todestag von Heinrich Böll
geschrieben von miriam
als Antwort auf clara vom 16.07.2010, 15:38:00
Nun erst danke auch ich - dir Hafel, dass du das Thema eröffnet hast, dir Clara - dass du unter anderem die Tatsache ansprichst, dass Heinrich Böll eigentlich heute nicht den Stellenwert einnimmt, den er zweifelsohne verdienen würde.

Du schreibst:
"Und wieder hörte ich den mir unverständlichen Satz, dass Böll nur noch wenig Beachtung fände, im gleichen Atemzug wurde gesagt, dass er immer noch in den Schulen gelesen wird."

Ende des Zitats

Mir fiel dabei ein, dass ich die heutige Zeitung noch nicht gelesen habe.
Unter Kultur, findet sich natürlich ein ausführlicher Artikel über Böll - ich setze den als Link ein, und zitiere daraus:


"Schon wenige Jahre danach schien Heinrich Böll vergessen. Und wenn von den Erinnerungssymbolen, die dem zu widersprechen scheinen, die anstehende Fertigstellung einer „Kölner" Ausgabe der Werke Heinrich Bölls im Jahre 25 nach dem Tod in „seinem“ Kölner Verlag Kiepenheuer & Witsch das schönste sein wird, so schmerzt die Frage doch: Welchen Stellenwert hat Heinrich Böll wohl noch in diesem Jahr, in dem er 93 Jahre alt geworden wäre?

Dass er prägend war für seine Zeit, bestreiten nicht einmal die Gegner Bölls. Seine Werke, zumindest ihre Titel, gaben häufig dem gesellschaftlichen Diskurs in Nachkriegsdeutschland ihre Losung: „Das Brot der frühen Jahre“ oft mit aufgeschminktem Pathos, „Ansichten eines Clowns“ bisweilen als Herabsetzung. Noch die Alkoholfahrt von Bischöfin Käßmann und ihre Folgen konnten so als „Ende einer Dienstfahrt“ abgehandelt werden."

Ende des Zitats - Kölner Stadt-Anzeiger 16. Juli 2010.

Dass man Heinrich Böll bei Lebzeiten nicht genug gewürdigt hatte, wusste ich.
Seit seinem Tod, sind 25 Jahre vergangen.

Wenn sich diesbezüglich nichts geändert hat, wirft dies eine Menge Fragen auf, die unsere Zeit und dieses Land betreffen.

Die sollte sich lieber jeder selber stellen, wenn man möchte.

Liebe Grüße

Miriam

longtime
longtime
Mitglied

Re: Zeitgeschichte: zum 25ten Todestag von Heinrich Böll
geschrieben von longtime
als Antwort auf miriam vom 16.07.2010, 16:51:18
Es freut mich, dass hier Heinrich Böll erinnert wird!

Vor 25 Jahren waren wir als Familie in Köln; und hörten auf der Rückfahrt von Bölls Tod. Abends sahen wir darüber als erste Tagesschaumeldung. – Am nächsten Tag erlaubte sich sogar BILD auf den Dichter und Nobelpreisträger hinzuweisen.

In Lesebüchern und Lektürenbänden ist das Werk in den Schulen immer präsent.
Man kann etwa fünf Werke benennen, die absolut grundlegend sind in den sozialen, politischen, religiösen oder ökologischen Themen.

Der WDR hat 41 Seiten zu Heinrich Böll zusammengestellt.

Der WDR bietet Beiträge zu Heinrich Böll.

Von der „Kölner Ausgabe“ seiner Werke sind bisher 27 Bände erschienen; ich habe sie mir bisher nicht alle leisten können.

Bölls "Kölner Ausgabe"


Folgenden Text hat HB im Jahre 1984 geschrieben – als Diktat, das über einen Rundfunksender (das alte „Radio Luxemburg“) ausgestrahlt wurde und bei dem Hörer ihre Diktattexte zur Korrektur einschicken konnten.
(Aus: H. B.: Die Fähigkeit zu trauern. Bornheim-Merten. 1986. S. 165f.)

*

Ich stelle den Text, den es auch gekürzt und kommentiert in einem Internet-Forum gibt, hier als recht willkürliches Diktat ein:

Heinrich Böll: Vom deutschen Schmettern

Ausländern schwer begreiflich, wohl auch vielen Deutschen r..tselhaft ist die Bezeichnung Schmetterling für den leichtfl…geligen Sommerboten, der Heiterkeit erweckt, flatternd Vergänglichkeit, Sch…nheit und Anmut verkörpert.
Was hat der Schmetterling mit dem teutonischen Gott Donar zu tun, dem großen Schme.…erer, der im Zorn M…llnir, seinen Hammer, schwingt, grollend den Himmel verdüstert, Blitze schleudert, Donner rollen läßt? Mit diesem herrischen Raketengö…zen, nach dem die T..r-Raketen benannt sind?
Nichts hat der Schmetterling mit dem großen Schmetterer zu tun. Nichts. Es ist nichts Schmetterndes am Schmetterling. Er ist anderer Herkunft, hat in den verschiedenen Regionen und Dialekten zahlreiche Namen, heißt unter anderem S…ntlicker, Ke..elböter, Florlör...en, Raupensch...ßer, Müllermaler, Mol…envogel.

Er schmettert nicht, er mag den Schmetten, den Rahm auf der Milch; sprachkundlich führt seine Verwandtschaft zu dem böhmischen Komponisten Sme..ana hin, dessen Name Sahne oder Rahm bedeutet.
Das bedrohlich gerollte R gehört nicht in des Schmetterlings Familie: Es ist eingebracht worden von faulen Zungen, die hinter dem Schmetten nicht noch einmal Atem h…len mochten, das N zu einem R di…imilierten und so den Schmetterling in deutschen Schmetterverruf brachten.
Das macht die Gewohnheit, wenn sie zur Macht der Gewohnheit wird. Wo doch uns rätselhaften Deutschen das Schmetterig-Schmetterhafte gar nicht mehr so sehr liegt, schon gar nicht Raketengeschm…tter. Schli...stenfalls möchten die Deutschen allerorten, wie die B…rstat…stik zeigt, einen schmettern, und, wenn sie dann einige zuviel geschmettert haben, ertönt das berühmt-berüchtigte deutsche Schmetterlied oder Liedgeschmetter.



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