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Musik Der Grüne Hügel - eine Art Seifenoper

miriam
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Der Grüne Hügel - eine Art Seifenoper
geschrieben von miriam
Gestern, am 31. August, ging endgültig die lange Ära "Wolfgang Wagner" in Bayreuth zu Ende.

Wolfgang Wagner tritt nach 57 Jahren in denen er (viel zu lange!) Leiter des Grünen Hügels war,
zurück – oder wurde zurück getreten – und heute Abend entscheidet der Stiftungsrat wer die Nachfolge antreten soll, denn es stehen zwei Alternativen zur Debatte, die auch für zwei völlig unterschiedliche Konzepte stehen.

Ich muss gestehen, dass mich eher das Drum und Dran dieser ganzen Affäre interessiert hat – denn
diese glich oft ganz eindeutig einer Posse oder, um in einem passenderen Vokabular zu bleiben, einer
Seifenoper. Bis auf einige wenige Mitwirkende, für den Grünen Hügel eher Randfiguren, die aber sehr
interessant sind – dazu etwas später.

Ganz kurz hier die wichtigsten Ereignisse der letzten Monate:
eigentlich wurde es offensichtlich, dass in Bayreuth die Karten in nächster Zukunft neu gemischt
würden, als am 28.11.07 ganz plötzlich , Ehefrau von Wolfgang, starb.

Dass nach ihrem Tod ihr mittlerweile 89 Jähriger Gatte die Leitung abgeben muss, war ganz klar.
Aber er stellte Bedingungen: die Nachfolge sollte seine und Gudruns Tochter Katharina antreten, dies hätte bedeutet, dass der Papa weitermacht – und natürlich nicht seine wenig dafür geeignete Tochter.

Nachdem dieses Spiel hinter den Kulissen zu eindeutig wurde, zauberte man eine Doppelführung
hervor: Katharina und Eva Pasquier-Wagner, Tochter des Wolfgang aus seiner ersten Ehe, also
Halbschwester der Katharina.
Merkwürdig: die beiden waren sich bis zu diesem Zeitpunkt eher Spinnefeind, vereint sie nun plötzlich die große Liebe zur Kunst oder zum Urgroßvater?

Andererseits ist immerhin Eva Pasquier-Wagner Kunstmanagerin und künstlerische Beraterin des
Opernfestivals von Aix-en-Provence.

Alles in Butter – wäre da nicht ein Wortbruch dadurch entstanden. Denn Eva hatte erst eine
Doppelführung in der selbigen heiligen Kunststätte, mit ihrer Cousine , angestrebt.
Nicke ist die Tochter des viel zu früh verstorbenen Bruders von Wolfgang,
(1917-1966), der seinerzeit so etwas wie eine Hoffnung zur Erneuerung auf dem Grünen Hügel,
verkörperte.

Nun stand also Nike Wagner, Dramaturgin und Leiterin des Kunstfestes Weimar, alleine da.
Aber sie ist ja nicht für nix Dramaturgin, und so bewarb sie sich erneut in Bayreuth, erneut auch in einer Doppelführung – mit keinem geringeren als . Dieser gilt heute als der profundeste Kenner der Oper allgemein, war künstlerischer Leiter der Salzburger Festspiele, nachdem er Leiter der Brüsseler Oper "La Monnaie" gewesen war und diese zu einem international anerkannten Opernhaus machte.

Kurz: der Stiftungsrat muss sich schon eine geniale Ausrede einfallen lassen, um sich nicht für die
Doppelführung Nike Wagner/Gérard Mortier zu entscheiden.

Ich erwähnte am Anfang, dass am Rande von Bayreuth und dem Wagnerclan, auch sehr bemerkenswerte Persönlichkeiten zu finden sind – und meinte damit in erster Linie , Musikwissenschaftler, Sohn aus der ersten Ehe von Wolfgang Wagner, der längst mit diesem schwierigen Erbe und mit der Familie gebrochen hat.
Über ihm ausführlich zu schreiben, würde sich lohnen.

Bekannt wurde Gottfried Wagner unter anderem durch seine Schriften zum Antisemitismus von Richard
Wagner und auch durch die Tatsache, dass er den Zugang zu den Archiven der Wagners forderte,
durch die die Rolle der Familie in der NS-Zeit offen gelegt werden sollte.

Sehr interessant scheint mir ein Interview von Gottfried Wagner, eine kurze treffende Zusammenfassung zum Wagnerclan und dessen Seifenopera.

Nicht so zufällig scheint mir der Platz den er sich ausgesucht hat für diese Meinungsäußerung: es ist das Holocaust-Denkmal in Berlin.

Ich entschuldige mich für die Länge meines Beitrags, anscheinend kann man aber über eine solche Seifenoper nicht kürzer berichten.

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miriam
angelottchen
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Re: Der Grüne Hügel - eine Art Seifenoper
geschrieben von angelottchen
als Antwort auf miriam vom 01.09.2008, 12:34:43
keine Sorge, miriam, der Bericht kann gar nicht ausführlich genug sein - nicht für diejenigen, die das Geschehen dort auf dem Grünen Hügel mit Spannung (wie damals auf die nächste DALLAS Folge..) beobachten

Auch ich bin sehr gespannt, wer es denn nun wird und welche nachfolgenden Szenen uns da noch erwarten ...

Interessant dazu in der Süddeutschen vor wenigen Stunden:

Eva Wagner-Pasquier lässt Nike Wagner abblitzen

Bayreuth (dpa) - Wagners Erbinnen kämpfen bis zuletzt: An diesem Montag entscheidet der Stiftungsrat über die künftige Leitung der Bayreuther Festspiele. Die Auseinandersetzung der Kandidatenteams erlebte am Sonntag einen letzten Höhepunkt.

Nike Wagner bot ihrer Cousine Eva Wagner-Pasquier noch einmal an, die Seiten zu wechseln - vergeblich. «Ich werde an meiner Bewerbung festhalten und freue mich auf die Herausforderungen gemeinsam mit Katharina (Wagner)», zitierte der Internetdienst «myclassicworld.com» am Sonntag Eva Wagner- Pasquier.

Damit sind die Frontstellungen endgültig klar. Eva Wagner-Pasquier kandidiert gemeinsam mit ihrer Halbschwester Katharina Wagner. Ihre Cousine Nike bewirbt sich zusammen mit dem international renommiertem Opernmanager Gérard Mortier. Wagner-Pasquier hatte vor Monaten eine ursprünglich geplante gemeinsame Bewerbung mit Nike Wagner aufgekündigt und sich stattdessen mit Katharina zusammengetan.
geschrieben von sz-aktuell


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angelottchen
miriam
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Re: Der Grüne Hügel - eine Art Seifenoper
geschrieben von miriam
als Antwort auf angelottchen vom 01.09.2008, 13:15:37
Danke dir Angelottchen, dachte schon, dass ich völlig daneben liege mit meinen Interessen.
Sehr interessant auch der Artikel aus der SZ.

Sollten wir vielleicht, wie bei einem Pferderennen, auch Wetten eingehen bzw. entgegennehmen?

Auf welches Pferdegespann setzt du?


--
miriam

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angelottchen
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Re: Der Grüne Hügel - eine Art Seifenoper
geschrieben von angelottchen
als Antwort auf miriam vom 01.09.2008, 13:35:37
also ... wenn nomen omen ist, MUSS es doch eigentlich Nike werden Gérard Mortier im Gespann könnten die nächsten Hügeljahre sehr interessant werden ...
--
angelottchen
miriam
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Re: Der Grüne Hügel - eine Art Seifenoper
geschrieben von miriam
als Antwort auf angelottchen vom 01.09.2008, 14:31:12
Bin der gleichen Meinung, Angelottchen - aber wenn man den (Saft)laden schon ein bisschen beobachtet hat, dann weiß man auch, dass denen immer noch etwas einfallen kann.
Mir ist auch nicht bekannt welche die Tendenz der Mehrheit im Stiftungsrat ist. Aber wunderschön wäre es schon, wenn plötzlich der alte Geist (der zum Teil noch von Winifred stammt), weg wäre.

Denn erst dann würde sich die Frage endlich stellen: was bleibt eigentlich von Richard Wagner übrig? Kann man seine zum Teil sehr schöne Musik von manchen Inhalten trennen - oder sie neu interpretieren?
Und eben dazu möchte ich die Meinung von Gottfried Wagner hören.

Wobei seine politische Rolle mir eigentlich viel wichtiger erscheint. Zum Beispiel als Mitbegründer der Post-Holocaust-Dialog-Gruppe.

--
miriam
angelottchen
angelottchen
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Re: Der Grüne Hügel - eine Art Seifenoper
geschrieben von angelottchen
als Antwort auf miriam vom 01.09.2008, 14:45:37
tja, nun haben doch die Halbschwestern das Rennen gemacht ...
quote aus dem Spiegel
Halbschwestern-Duo übernimmt Leitung in Bayreuth

Die Favoritinnen haben sich durchgesetzt: Katharina Wagner und ihre Halbschwester Eva Wagner-Pasquier lösen ihren Vater Wolfgang als Leiter der Bayreuther Festspiele ab. Damit endet ein langer Streit um seine Nachfolge.
quote end
--

Die 2 werden aber sicher neuen Wind unter die alten Wagnerkittel blasen ...


angelottchen

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miriam
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Re: Der Grüne Hügel - eine Art Seifenoper
geschrieben von miriam
als Antwort auf angelottchen vom 01.09.2008, 16:42:37
Danke Angelottchen für die Nachricht, die ja zu befürchten war.

Um die Stimmung zu ergänzen dies noch dazu:



Heute Abend werden sich einige Persönlichkeiten zur Wahl in Bayreuth in einem Live-Stream auf 3sat äußern, von 20.15 bis 21. Uhr.

Ich werde mir die Sendung nicht ansehen, entscheide mich für den anderen Psychothriller auf ZDF, "Mordgeständnis".

Bis demnächst mal...

--
miriam
marianne
marianne
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Re: Der Grüne Hügel - eine Art Seifenoper
geschrieben von marianne
als Antwort auf miriam vom 01.09.2008, 17:20:01
Danke, Miriam!

Ich war jeweils zu ungeduldig, in der ZEIT darüber zu lesen...dachte immer, ach was: So ein Schmonzes...

Du hast es verständlich gemacht.
Wirklich vielen Dank von

Marianne
angelottchen
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Re: Der Grüne Hügel - eine Art Seifenoper
geschrieben von angelottchen
als Antwort auf miriam vom 01.09.2008, 17:20:01
nun ... wer weiss, vielleicht wird die schwesterliche Götterdämmerung doch eher Siegfrieds Tod ... und ich werde mir heute Abend mein kleines Lieblingsratespiel im SWR ansehen ... "Sag die Wahrheit>" ... passt auch irgenwie auf den Hügel, das Spiel
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angelottchen
miriam
miriam
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Re: Der Grüne Hügel - eine Art Seifenoper
geschrieben von miriam
als Antwort auf angelottchen vom 01.09.2008, 17:28:26
Ahaaaaaaa! Noch eine die den Smudo und Co so mag! Ich bin auch immer dabei.

Liebe Marianne, solche Zusammenfassungen kultureller Ereignisse, hauptsächlich wenn sie auch etwas Skurriles an sich haben, liegen mir sehr.

Was bleibt, ist der Gedanke doch einmal so ausführlich es mir möglich ist, über Gottfried Wagner irgendwann zu schreiben.

--
miriam

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