Plaudereien Das Schweigen

miriam
miriam
Mitglied

Das Schweigen
geschrieben von miriam
Erst erwähne ich einige Beispiele aus Literatur, Film oder Musik, in denen das Schweigen eine Rolle spielt.

- Das Schweigen (Ingmar Bergmann – 1963) der Film der mich seinerzeit auf dem Geschmack der Filme von Ingmar Bergmann brachte, und in dem das Schweigen, die Unfähigkeit zu kommunizieren, eine sehr große Rolle spielt.

-Das Schweigen der Lämmer – nach dem Roman von Thomas Harris, Film von Jonathan Demme aus dem Jahr 1991 - hier geht es eigentlich als eine Art Leitmotiv der die Handlung eher begleitet, um blökende, schreiende Lämmer (vor dem Schlachten), die zum Schweigen gebracht werden sollten.

- Aus "Die Geschichte vom Zappel-Philipp" von Heinrich Hoffmann:

Und die Mutter blickte stumm
Auf dem ganzen Tisch herum…


http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/1/15/H_Hoffmann_Struwwel_19.jpg/300px-H_Hoffmann_Struwwel_19.jpg[/img]

"Schweigt stille, plaudert nicht…" – mit diesem Text fängt die leider viel zu wenig bekannte Kaffeekantate von Johann Sebastian Bach (BWV 211), an.

Da fällt mir gerade noch Heinrich Bölls Erzählung ein "Doktor Murkes gesammeltes Schweigen" – und ich denke mir, heute hätte Doktor Murke noch viel stärker das Bedürfnis verspürt Schweigen ([i]von den Tonbändern die er bearbeitet
) zu sammeln, angesichts der Tatsache, dass es fast keine Fernsehproduktion mehr gibt, die nicht unnötig und geschmacklos mit Musik untermalt wird.

Nun, das waren nur einige wenige Beispiele in denen das Schweigen eine gewisse Rolle spielt.

Das Schweigen begegnet uns in so vielen Formen, in so unterschiedlichen Lagen – und bekommt dadurch einen ganz anderen Stellenwert. Das berühmte "si tacuisses…" ist uns wohlbekannt, oder aber das "Schweigen ist Gold…" im Gegensatz zum Reden welches in diesem Fall nur als Silber bewertet wird.

Doch alle diese Wertungen sind sehr situationsbezogen – zeigen aber eines: das Schweigen besitzt eine gewisse Macht.
Persönlich habe ich immer wieder eines feststellen müssen: das Schweigen als Waffe, wird eher von den Menschen eingesetzt, die diese auch als Waffe im Laufe ihres Lebens erfahren haben.
Noch etwas genauer: meist sind es Menschen die in sehr jungen Jahren das Schweigen der Erwachsenen erlebt haben, die sie als Kinder so machtlos erschienen lies.

Fast unterschwellig setzt sich auch im Erwachsenenleben diese Erfahrung fort, diesmal unreflektiert, einfach als alter Reflex – und sollte noch immer als eine Art Bestrafung verstanden werden.
Wenn ich mir solche Verhaltensweisen im Vorübergehen ansehe, stelle ich fest, dass dabei eine wichtige Bedingung besteht: man muss den nicht mehr kommunizierenden bzw. sein Schweigen wahrnehmen, anders macht das Ganze keinen Sinn.

Sich zum Beispiel in den eigenen vier Wänden ausschweigen, ist ja nicht der Sinn der Sache in diesem Fall: das Schweigen muss offenkundig sein, wahrgenommen werden – wie eine Art negative Kommunikation. "Und die Mutter blickte stumm…“ – na ja, muss nicht immer der Tisch sein auf dem man diese stumme und hoffentlich viel sagende Blicke schweifen lässt.

Ich befürchte, dass ich hier etwas zu viel gesprochen habe über einige Gedanken die ich Euch nicht verschweigen wollte...

--
miriam
dutchweepee
dutchweepee
Mitglied

Re: Das Schweigen
geschrieben von dutchweepee
als Antwort auf miriam vom 04.11.2009, 09:37:08
Ein ganz spezifisches Schweigen ist DAS SCHWEIGEN DER MÄNNER. Dies hat sich als wirksame Abwehr gegen den Redeschwall und haltlose Vorwürfe der Lebenspartnerin gezeigt.

Da in den meisten Fällen eine logische Argumentation bei vor allem vielfachen Wiederholungen des selben Vorwurfs nicht fruchten, ist es besser den Frauen gar nicht zu antworten und alles schweigend über sich ergehen zu lassen.

Jedes Widerwort würde nur einen Streit provozieren. Somit ist DAS SCHWEIGEN DER MÄNNER eine wirksame Deeskalationsmaßnahme.
Re: Das Schweigen
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf miriam vom 04.11.2009, 09:37:08
Das ist wirklich ein sehr interessantes Thema, vielen Dank dafür. Nur der Hintergrund würde mich jetzt noch interessieren.
Dazu fällt mir jedenfalls als erstes Mozarts „Zauberflöte“ ein mit den drei Prüfungen, die Tamino und Papageno bestehen müssen. Und die erste Prüfung war das Schweigen, bei dem Papageno rasant, aber höchst menschlich durchgefallen ist.

s. Link: (Finale: Nur stille, stille, stille, bald dringen wir im Tempel ein)
--
Marina

Anzeige

Re: Das Schweigen
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf dutchweepee vom 04.11.2009, 10:10:38

guter link, dutch. gibts das auch in umgekehrter weise?

wäre ziemlich oft auch angebracht *g


karin2
peter25
peter25
Mitglied

Re: Das Schweigen
geschrieben von peter25
als Antwort auf miriam vom 04.11.2009, 09:37:08

Ich befürchte, dass ich hier etwas zu viel gesprochen habe über einige Gedanken die ich Euch nicht verschweigen wollte...

--
miriam


Manchmal sollte man schon abschätzen können,wenn "schweigen" sinnvoll ist. (Gold wert ist)
peter25
miriam
miriam
Mitglied

Re: Das Schweigen
geschrieben von miriam
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 04.11.2009, 10:33:27
Danke dir Marina - das ist ein wichtiger Aspekt des Themas. Du fragst nach dem Hintergrund - und der ist mir noch nicht ganz klar, manchmal überrasche ich mich ja selber...

(Erst nachdem ich das Thema hier eingesetzt hatte, fiel mir auf wie facettenreich es eigentlich ist - dazu aber später mehr.)

Zurück zum Beispiel Tamino und Papageno: ist es nicht so, dass sowohl das Schweigen wie auch das sich Artikulieren schwere Prüfungen sein können?
Ich fand soeben einen Artikel der zum 20.ten Todestag von Thomas Bernhard geschrieben wurde, Titel: "Monolog gegen das Schweigen". Dabei wird Thomas Bernhard zitiert

„Jedes Wort ein Treffer. Jedes Kapitel eine Weltanklage.“

Eigentlich finde ich es spannend, dass wir uns hier auf einen nicht ganz eindeutig vorgegebenen Weg begeben.
Es könnte eine gedanklich-sprachliche Abenteuerreise werden.

--
miriam (zurzeit Abenteuerin)

Anzeige

chris
chris
Mitglied

Re: Das Schweigen
geschrieben von chris
als Antwort auf miriam vom 04.11.2009, 09:37:08
Ich befürchte, dass ich hier etwas zu viel gesprochen habe über einige Gedanken die ich Euch nicht verschweigen wollte...



Hallo Miriam,

ich denke, es ist gut, dass du dieses Thema hierher gestellt hast.

Schweigen hat sicher für jeden eine andere Bedeutung. Vor allem kommt es
darauf an, in welcher Situation man schweigt.

Ein Schweigen während oder nach einem Musikstück bedeutet für mich, dass
ich die Musik in mir aufnehme und dass sie in mir nachhallt.

Ein Schweigen hier im Forum zu einem Diskussionsbeitrag kann natürlich
viele Deutungen zulassen.

1. Man hat zu dem Thema nichts zu sagen
2. Man liest oder befürchtet, der Beitrag könnte nicht verstanden werden
3. persönliche Dinge mag und will ich nicht weiter aussagen, aus welchem Grund
auch immer
4. auch nach einem TV-Film oder Kinofilm kann einem zum Schweigen zumute sein.

Zum Schweigen während der Kaffeekantate wäre z.B. zu sagen, dass Bach vielleicht
das muntere Plaudern während der Kaffeerunde gestört hat.

aus der Kaffeekantate:
Schweigt stille, plaudert nicht
Und höret, was itz und geschicht:
Da kömmt Herr Schlendrian
Mit seiner Tochter Liesgen her,
Er brummt ja wie ein Zeidelbär;
Hört selber, was sie ihm getan!

--
chris
miriam
miriam
Mitglied

Re: Das Schweigen
geschrieben von miriam
als Antwort auf chris vom 04.11.2009, 11:05:47
Danke dir Chris - nun sind unsere Gedanken zum Schweigen von sooo schöner Musik begleitet - erst Mozart und jetzt die mir so liebe Kaffeekantate von J.S. Bach. Da fällt ja das Schweigen sehr leicht - ich meine: theoretisch.

Mir fiel inzwischen eine schöne Familiengeschichte zum Schweigen ein:

Es ist eine alte Geschichte - die beiden Akteure sind inzwischen tot. Ich hatte einen Onkel Paul, er stammte aus Dresden (war also angeheiratet), und dieser hatte einen Schwager in Norwegen, ebenfalls Paul, der sehr lieb aber äußerst wortkarg war. Ich denke, dass eine der wenigen Gemeinsamkeit der beiden, ihr Name war.

Sie verbrachten fast jedes Jahr einen Teil der Sommermonate in der Ferienwohnung des norwegischen Pauls.

Das Ritual war jedem Morgen das gleiche: man nahm sich zwei Liegestühle und setzte sich auf die herrliche Wiese - und schwieg sich an.

Mein äußerst kommunikativer Onkel Paul war etwas irritiert in der ersten Zeit, bis er dann das Ritual ergänzte, indem er gleich am Morgen seinen norwegischen Schwager fregte:
"Paul, über was schweigen wir heute?"


--
miriam
chris
chris
Mitglied

Re: Das Schweigen
geschrieben von chris
als Antwort auf miriam vom 04.11.2009, 11:22:17


Miriam,

die Mischung von Schweigen und miteinander reden, ich glaube das macht ein
Forum aus und aber auch ein Familienleben oder auch eine Partnerschaft.


--
chris
KarinIlona
KarinIlona
Mitglied

Re: Das Schweigen
geschrieben von KarinIlona
als Antwort auf miriam vom 04.11.2009, 11:22:17
Schön ist es
miteinander zu schweigen,
doch schöner, miteinander zu lachen.
Friedrich Nietzsche

--
karilona

Anzeige