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Plaudereien Denkmäler von Umtrittenem und Umstrittenen

JuergenS
JuergenS
Mitglied

Denkmäler von Umtrittenem und Umstrittenen
geschrieben von JuergenS

Ausgelöst bzw. verstärkt durch die Denkmäler von "Sklavenhändlern" in den USA hat nun auch wieder die Diskussion bei uns begonnen, Denkmäler in Frage zu stellen, die von inzwischen Umstrittenen seit Jahrzehnten existieren, landauf landab.

Zum Beispiel stellt die SZ heute den Bismarkturm in der Nähe von Schloss Seeburg am Starnbergersee zur Diskussion.

Ich erwarte hier Meinungen pro und contra, aber ist das so einfach?
Auch Strassennamen sind ja umstritten, inzwischen.
Dass man Hitlerstrassen und Plätze nach dem Krieg wieder rückgetauft hat, ist wohl Konsens, aber sollte man alles schleifen, was mal war und nicht mehr sinnvoll erscheint.

Ich gehöre zu den Zweiflern.

Ein Experte schreibt in der SZ zu dem Thema, drei viertel aller Denkmäler könnte man infrage stellen.

Würde es sinnvoller sein, umstrittene Denkmäler mit Erläuterungs-Tafeln zu versehen.

Ist es Geschichtsverfälschung, alles "Unangenehme" zu eleminieren?

RE: Denkmäler von Umtrittenem und Umstrittenen
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf JuergenS vom 27.06.2020, 08:37:31

"Denkmäler in Frage stellen"....schreibst Du, und das ist ja in Ordnung.

Ein Historiker meinte neulich, dass die Historiker dafür plädieren,
Denkmäler nicht zu vernichten, sondern eben "in Frage zu stellen" und
mit einem anderen Bewusstsein anschauen.

Ich finde, dass dieses exaltierte Getue wieder nur ein oberflächliches
Geschehen ist, ändern wird sich nichts.

Wenn Sklavenhändler von damals vom Sockel gestoßen werden, so bleibt der
Sklavenhandel (z. B. in Fleisch-Verarbeitungs-Fabriken) als Tatsache
in unserer Zeit  bestehen.
Um hier was zu ändern, muss jetzt energisch was geschehen.

Ein Denkmal muss zum Mahnmal werden.
Dazu brauchts ein anderes Bewusstsein als nur Zertrümmern.

Clematis



 

Federstrich
Federstrich
Mitglied

RE: Denkmäler von Umtrittenem und Umstrittenen
geschrieben von Federstrich
als Antwort auf JuergenS vom 27.06.2020, 08:37:31

Denkmale widerspiegeln auch die Erinnerungspolitik. Beide sind ständigen Veränderungen unterworfen. Manche Denkmale verschwinden nach einer politischen Zäsur, weil ihre Beseitung mehrheitlich unumstritten ist. Andere verschwinden oder die Namen von Personen werden nicht mehr für öffentliche Gebäude/Institutionen oder Straßen verwendet, weil es neue Erkenntnisse zu diesen Personen gibt.
Aus rein persönlicher Sicht kann jedoch jedes Personendenkmal mehr oder weniger umstritten sein. Für kontroverse  Personendenkmale  kommt es auch auf die Darstellung an. Es ist ein Unterschied, ob z.B. Bismark eher als Politiker und Reichskanzler dargestellt wird oder eher als kolonialer Eroberer.

Die Frage ist, was unter "Unangemehmen" verstanden wird. Meist geht es bei diesen Auseinandersetzungen nicht um die Denkmale, die konsensual ohnehin keinen Platz mehr im öffentlichen Raum haben sollen, sondern um jene, die widersprüchliche Personen aus der Geschichte darstellen. Es ist keine Geschichtsfälschung "alles 'Unangenehme' zu eliminieren", indem bestimmte Denkmale abgebaut, bestimmte Namen nicht mehr verliehen werden, schon weil das jeweilige Geschichtsbild nicht nur durch Denkmale und Namensverleihungen seinen Ausdruck findet.  Eine Neubesinnung auf und eine Hinterfragung der nationalen Geschichte muss immer möglich sein. Die Frage ist vielmehr, wie eine Gesellschaft generell mit ihrer Geschichte umgeht. Wenn man dem Unangenehmen in Form von bestimmten Denkmalen nicht Raum geben will, heißt das ja noch lange nicht, dass die dunklen Seiten der Geschichte nicht andernorts im gesellschaftlichen Diskurs vielfältig diskutiert und aufgearbeitet werden.
Es wird letztendlich immer um eine Einzelfallentscheidung für oder gegen ein bestimmtes Denkmal oder Namensgeber gehen, weil für diese Entscheidung viele Faktoren, manchmal auch ganz pragmatische, zu berücksichtigen sind.F.


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jacare4
jacare4
Mitglied

RE: Denkmäler von Umtrittenem und Umstrittenen
geschrieben von jacare4
In Kiel war es eine der beliebtesten Uferstraßen und -promenaden an der Förde, das Hindenburgufer. Vor ein paar Jahren ist man überein gekommen, es in Kiellinie umzubenennen. Dieser Weg ist noch genauso schön wie vorher, nur dass sich jetzt der Name geändert hat. 

Ich muss gestehen, dass ich mir vorher bei dem Namen Hindenburgufer nichts weiter gedacht habe. Für mich war es einfach diese wunderschöne Straße und Promenade am Wasser. 

---

Hier in Rendsburg hat man die Büste von dem ehemaligen Bürgermeister De Haan entfernt, nachdem ein ehem. Stadtrat recherchiert hat und zu dem Ergebnis gekommen ist, dass es sich um einen früheren Nazi und Antisemit gehandelt hat. Um ganz sicher zu gehen, dass man dem ehemaligen Bürgermeister nicht Unrecht tut, hat man zusätzlich (für viel Geld) ein wissenschaftliches Gutachten angefordert, das dann zu dem gleichen Ergebnis gekommen ist .Er wurde wohl auch aus der "Ahnengalerie" im Rathaus entfernt. Er soll auch auf Norderney und in Bad Oeynhausen sich als überzeugter Antisemit in den entsprechenden Jahren hervorgetan haben.  Andererseits hat dieser Bürgermeister nach dem Kriege in den 50er Jahren viel für die internationale Städtefreundschaft (Rendsburg - Vierzon,- Lancaster) getan, was aber bei der Entfernung der Büste nicht so sehr ins Gewicht fiel.
RE: Denkmäler von Umtrittenem und Umstrittenen
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 27.06.2020, 09:05:12
Ausserdem kommt es bei Entscheidungen der Namensgebung
für Gebäude oder Straßen darauf an, wer grad im Rathaus o. ä. das Sagen hat.

Düsseldorf hat von 1968 bis 1988 um die Namensgebung ihrer Universität
heftig gestritten.
Es ging um Heinrich Heine, geboren dorten anno 1797.

Also, wenn schon Namensschilder abreissen, dann weiter nachschauen,
wer es veranlasst hat.
Aber dazu gibt es ja berufene Historiker.

Clematis


 
JuergenS
JuergenS
Mitglied

RE: Denkmäler von Umtrittenem und Umstrittenen
geschrieben von JuergenS
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 27.06.2020, 09:05:12


Ein Historiker meinte neulich, dass die Historiker dafür plädieren,
Denkmäler nicht zu vernichten, sondern eben "in Frage zu stellen" und
mit einem anderen Bewusstsein anschauen.


Ein Denkmal muss zum Mahnmal werden.
Dazu brauchts ein anderes Bewusstsein als nur Zertrümmern.

Clematis



 
Ja, ich denke, das ist der richtige Weg, denn sonst müßte man ja so vieles einreissen, auch vieles von dem, was vor 2000  oder mehr Jahren ggf. unter grausamsten Bedingungen entstanden ist, auch kunstvolles, wo hin wir alle schon teure Reisen gemacht haben.


Ich denke die meisten Statuen eines Imperators der Neuzeit gibt es von Bonaparte, wer kennt welche ausserhalb von Paris. Immerhin ist auch er ja sehr umstritten, 2 mal ins Exil geschickt.

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JuergenS
JuergenS
Mitglied

RE: Denkmäler von Umtrittenem und Umstrittenen
geschrieben von JuergenS

auch wenn das Thema zum Gähnen anregt, Trump regt sich auf, heute am US-independance-day.
Er fürchtet scheinbar, dass "die Linken" den Mount Rushmore" sprengen wollen, wo die "verdienten Vorgänger" aus historischer Zeit verewigt sind.

Ich persönlich denke eben, dass man nicht alles, was an die Vergangenheit erinnert, an umstrittene, jetzt eliminieren sollte, sondern wie weiter unten zu Mahnmalen machen sollte.

Was aber sollte zum Beispiel mit dem "Cafe Mohrenkopf" auf der Wiesn geschehen, das seit glaub ich 70 Jahren nie Anlass zu Rassenhass war, denn Mohr oder das N-Wort waren für mich nie abwertende Begriffe.

Was ist mit dem netten Liedchen: 10 kleine N, die.....

Natürlich ist das alles nicht so einfach, aber ignorieren ist auch keine Lösung.

Der-Waldler
Der-Waldler
Mitglied

RE: Denkmäler von Umtrittenem und Umstrittenen
geschrieben von Der-Waldler

Ich fände Informations-Tafeln hilfreich und wichtig. In wirklich schwierigen Fällen wie z.B. Massenmördern aus der Kolonialzeit, könnte man Statuen entfernen, aber in einem Museum aufstellen mit ausführlicher Information. Alle Statuen, von denen man heute weiss, dass die Dargestellten  aus heutiger Sicht Untaten begangen haben, einfach zu zerstören, macht die Untaten ja nicht ungeschehen...

RE: Denkmäler von Umtrittenem und Umstrittenen
geschrieben von WurzelFluegel
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 27.06.2020, 09:05:12
"Denkmäler in Frage stellen"....schreibst Du, und das ist ja in Ordnung.

Ein Historiker meinte neulich, dass die Historiker dafür plädieren,
Denkmäler nicht zu vernichten, sondern eben "in Frage zu stellen" und
mit einem anderen Bewusstsein anschauen.

Ich finde, dass dieses exaltierte Getue wieder nur ein oberflächliches
Geschehen ist, ändern wird sich nichts.

Wenn Sklavenhändler von damals vom Sockel gestoßen werden, so bleibt der
Sklavenhandel (z. B. in Fleisch-Verarbeitungs-Fabriken) als Tatsache
in unserer Zeit  bestehen.
Um hier was zu ändern, muss jetzt energisch was geschehen.

Ein Denkmal muss zum Mahnmal werden.
Dazu brauchts ein anderes Bewusstsein als nur Zertrümmern.

Clematis
danke @Clematis
ein Denkmal muss zum Mahnmal werden
für mich hast du es damit auf den Punkt gebracht

nicht zerstören und vernichten - die aktuellen Ereignisse zeigen ja, dass wir viele Probleme noch immer nicht gelöst haben
in Frage stellen und zwar so lange, bis es kein Thema mehr für die Menschheit ist

vernichten würde ja auch wieder unsichtbar machen, was schon an Schrecklichem geschehen ist in der Geschichte des Menschen - was unsichtbar ist  - verdeckt passiert - kann noch viel leichter und länger weitgehend unbemerkt weiter praktiziert werden

WurzelFluegel

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