Plaudereien Der Betrug...

gerry
gerry
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Der Betrug...
geschrieben von gerry

Es ist schon viele Jahre her, doch erst jetzt fiel es mir wieder ein:
Unsere Tochter war noch Kind und ich beschloß damals, ihr einen Wellensittich zu kaufen. Zwar hatte sie Kaninchen, Hund und Katze, wünschte sich aber auch einen kleinen Vogel.
Ein Bekannter betrieb eine Vogelzucht. Ich suchte ihn auf und trug ihm mein Anliegen vor. Erst zeigte er mir seine ganze "Vögelei" mit den verschiedensten Sittich-Arten.
"Du hast Glück" sagte er mir "für Dich habe ich ganz was Besonderes". Ich wurde neugierig. Er zeigte mir einen grünen Wellensittich, der auch nicht besser aussah, als die anderen. "Was ist an dem so besoders?" wollte ich wissen. "Wart's nur ab, der kann den Erlkönig auswendig" so mein Bekannter.
Ich wollte es nicht glauben. "Man muß ihn nur ansprechen und mit der ersten Zeile "in Gang bringen" wurde ich belehrt.
Er fing an: "Jackie, wer reitet..." Der Vogel, ich meine der kleine Wellensittich, machte sofort weiter:"...so spät durch Nacht und Wind, es ist der Vater mit seinem...."
Ich war begeistert, es war unglaublich. Sofort hatte ich Feuer gefangen.
"Was soll er denn kosten?" wollte ich wissen. "Weil Du es bist, gib mir hundert Mark."
Das war der Vogel allemal wert, mit dem könnte man auftreten und Geld verdienen.
Zu Hause, die Familie war ebenso begeistert, die Tochter völlig aus dem Häuschen.
Oft stand ich dann vor dem Käfig und staunte über das Wundertier. Bis....ja, bis ich das erste Mal den Käfig säubern wollte. Da stellte sich der Betrug heraus. Der Vogel verteidigte seinen Futternapf mit Schnabel und Krallen. Etwas später nahm ich den Käfig mitsamt dem Vogel und brachte ihn unter dem Geplärre meiner Tochter zum Händler zurück: "Was ist los, warum bringst Du ihn wieder? Gefällt er Deiner Tochter nicht mehr?"
Ich sagte: "Hör bloß auf, Du hast mich über's Ohr gehauen."
"Wieso?"
"Ich wollte den Käfig saubermachen, er ließ mich nicht an den Futternapf ran, hackte nach meiner Hand und zeterte rum. Das machte mich neugierig. Und was soll ich Dir sagen, da entdeckte ich den Betrug. Hinter dem Futternapf hatte das kleine Vieh einen Zettel versteckt. Der konnte den Erlkönig gar nicht auswendig, sondern hat es heimlich abgelesen.
Sag' nicht, Du hättest es nicht gewußt."
Er beteuerte zwar seine Unschuld und nahm auch den Vogel nicht zurück. Was blieb mir übrig, als zu versuchen, dem "Jackie" die Kunst der freien Rede beizubringen, oder es wenigstens zu versuchen. Es hat bis zu seinem Tod leider nicht geklappt, wahrscheinlich wäre ein Papagei günstiger gewesen, die werden ja uralt. Und der hätte wohl auch Schiller's "Lied von der Glocke" auswendig gelernt.
Ich habe nie wieder einen sprechenden Vogel gekauft, das besorgen meine Frauen zu Hause. Das Sprechen, meine ich....Und nicht zu knapp....

Einen schönen Tag
wünscht Gerry


Sonny
Sonny
Mitglied

Re: Der Betrug...
geschrieben von Sonny
als Antwort auf gerry vom 18.06.2010, 12:17:50
Lieber gerry,

mit leisem Lächeln und Schmunzeln lese ich deine Geschichten.
Du hast die besondere Gabe alle Stories in einer exzelenten Wortwahl zu präsentieren.

Seit einer Woche hat meine Krankheit wieder zum Angriff geblasen und ein neuer Schub mit bekannten Nervenschmerzen läßt wenig Raum zu einem befreienden Lachen.

Darum meinen herzlichsten Dank für deinen neuen Beitrag. Aber auch für alle Schmunzel-Geschichten die ich bisher lesen konnte.

viele Grüße
Sonny
Karl
Karl
Administrator

Re: Der Betrug...
geschrieben von Karl
als Antwort auf Sonny vom 18.06.2010, 17:46:46
Nette Geschichte

Karl
schorsch
schorsch
Mitglied

Re: Der Betrug...
geschrieben von schorsch
als Antwort auf gerry vom 18.06.2010, 12:17:50
Köstlich!

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