Plaudereien Feng-Shui....

gerry
gerry
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Feng-Shui....
geschrieben von gerry
Warum nicht mit der Zeit gehen?
Das wäre doch auch für uns Ältere mal angesagt.... Nur Mut!

Wer immer noch wie ein Sack Zement an seiner Schrankwand - altdeutsch, antik - hängt, dem ist nicht mehr zu helfen.
Heute ist was anderes angesagt, nur mal ein Beispiel:
Eine Bekannte - nennen wir sie Barbara Kuhfuß - wollte voll in die "moderne" einsteigen.
Endlich fasste sie sich ein Herz und trennte sich ohne Versöhnungstermin von ihrer kompakten Schrankwand vom Typ "Radebeul Buche hell", made in GDR, mit Schiebeglasscheiben, sowie von ihrem piefig- saubquemen Sofa. Einem Erbstück großmütterlicherseits.

Mit goldenem Kundenrabatt erwarb sie im Erlebnisrestaurant's eines großen skandinavischen Möbelhauses eine Lachsvergiftung sowie eine Etage tiefer die instabilen Holzleiterregale vom Typ "Trullesund".
Dazu eine penisförmige, knallgelbe Papierstehlampe und das cool-kantige Snappsofa "Wencke" mit der Öko-Bodyline.
Bei einem hiesigen Hinterhof-Designer erfeilschte sie einen puritistischen Swingersessel aus quietschigem Pinkleder und legte sich noch einen frühen Miro zu.
Die geblümten Malimo-Vorhänge aus den 70er DDR-Zeiten ließ sie als Eyecatcher ganz lässig hängen.
Ihrer Neubau-Nasszelle hauchte sie mit einem ultimativen Mülleimer Original U.S. Push Can für zweihundert Euronen, das Feeling des sonnigen Florida ein.

Sie hatte "Schlag" bei ihrem Chef und erhoffte sich durch eine Einladung mehr.
Nun standen die Snacks bereit - Parma auf Melone, Shrimpsschnittchen, Sangria im Eisbett kaltgestellt.
Den Sound vom letzten Album Julio Ilgesias wie letzten September im Cafè del Mar aufgelegt.
Espanà perfekto!

Nun konnte er kommen, der Chef, dieser quallige 68er Frankfurter APO-Sponti!
Er erschien auch!
Doch wen brachte er da noch mit?
Brigitte aus dem Vertrieb, diese Sonnenbak-Squaw, diese hessische Lederhaut.
Darauf war Barbara nicht vorbereitet.
Diese Beiden hatten kaum die Schwelle überschritten, kam der Aufschrei: "Grauenvoll, überhaupt kein Chi!"
Sie machten kehrt und stürmten davon.
Da saß nun Barbara allein.
Ratlos!
Sitzengelassen mit dem klebrigen Sangria, allein auf ihrem "Wencke" Snappsofa.
Nicht wegen Mundgeruchs oder ihrer Vorliebe für Westerwelle.
Nein!

Barbara muss sich keine Vorwürfe machen.
Sie ist als Ex-Ossi nur Spätopfer ihrer Weltabgeschiedenheit!
So spät rächt sich an ihr der proletarische Internationalismus, für den zwischen Ulan Bator und Hanoi nicht mal die Landkarte gelb war.
Genau wie Barbara Kuhfuß hausten 16 Millionen ahnungslose Ostdeutsche eine historische Epoche lang in ihrer Bude auf einem Pulverfass, egal, ob P 2 mit Durchreiche in Dresden, unsanierter Altbau in Halle oder Edelplatte mit Flügeltür in Berlin-Nicolaiviertel.

Sie waren alle in ihren vier Wänden täglich vom tödlichen Atem des Drachens gestreift.
Wegen des dauernden Schnittblumen-Engpasses bohrten sich täglich in Blumenfenstern Kakteen als Giftpfeile des Bösen in ihre Seelen.
Denn sie kannten "Chi" nicht!
Sie kannte Ho-chi Min und Carmen Hatschi.
Sie kannten Chichi und Chinchin.
Und man kannte Chi aus dem Kreuzworträtsel als 22. Buchstaben des griechischen Alphabet's.
Aber sie kennen das wahre "Chi" bis heute nicht!

CHI-dieses kosmische Energiebündel des Feng Shui, der Harmonielehre für die Klaviatur des Miteinanders.
Yin und Yang, statt feste druff!
Aber Barbara hat dazugelernt!
Dank eines Kurses an der Volkshochschule und einer Supervision mit ihrem Kanzleichef verinnerlichte sie endlich die Lehre vom Feng Shui im Alltag.
Nun lässt sie sich vom kosmischen Atem des Drachen leiten, meidet getreu der Lehre alles Lästige und Störende, wie Dissonante, Friedhöfe, Schlachthöfe, Krankenhäuser, Polizeistationen, Finanzämter und Steuerberatungskanzleien.
Seither klappt es bei Barbara auch mit dem Chi doch leider nicht mit dem Chef.

Doch darauf soll es in der Welt der Selbstverwirklichung nun wirklich nicht mehr ankommen.
Das Problem mit chi-feindlicher Möblierung löste sich nach dem dritten Besuch des Gerichtsvollziehers von selbst.
In ihrem kleinen Zimmer einer Notunterkunft am Stadtrand lebt Barbara nun im Gleichkland von Yin und Yang mit einem Goldfisch und einer Fledermaus.
Der Energiefluss des Chi umspült harmonisch eine Schrankwand von Typ "Radebeul Eiche hell", gespendet vom Arbeitslosenservice, sowie ein abgestoßenes graues Nudelmeier-Sofa aus dem Sperrmüll eines hiesigen Autohauses.
Doch wichtig ist das Feng-Shui und das Ying-Yang, heiliger Bim-Bam...

Euch wünsche ich allen
ein Yin und Yang
Gerry


christl1953
christl1953
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Re: Feng-Shui....
geschrieben von christl1953
als Antwort auf gerry vom 19.08.2010, 15:26:25
Gerry ,du bist echt der beste Satirenschreiber im ST,das muß dir der größte Neider lassen!
du bringst es wieder einmal auf den Punkt mit diesen
neuzeitlichen- "Muß sein!
aber wie es schon heißt,der Mensch darf nicht auf der Stelle treten,sonst geht das ultrageile Leben mit den tausend wichtigen Dingen,ohne die man gut leben könnte vorbei.
Ich habe selten so gelacht!

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