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Plaudereien Laptopnutzung und Internet in schriftlichen Prüfungen an Schulen? - Gut oder nicht so gut?

carlos1
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Laptopnutzung und Internet in schriftlichen Prüfungen an Schulen? - Gut oder nicht so gut?
geschrieben von carlos1
Laptopnutzung soll in Schulen künftig bei Klausuren möglich sein, las ich kürzlich.

In Dänenmark läuft ein Schulversuch an 14 Gymnasien und Handelsschulen. Schüler an diesen Anstalten dürfen bei schriftlichen Prüfungen das Internet bei der Bearbeitung ihrer Fragen oder bei Unsicherheiten zu Rate ziehen. Google und Wikipedia sollen es ermöglichen mehr in die Tiefe zu gehen, wie ein Schüler es ausdrückte. Eine Lehrerin: Schüler sollen lernen Informationen zu nutzen und zu verarbeiten, nicht nur abzuschreiben.

Das setzt voraus, dass der IT-Unterricht systematischer gestaltet sein muss. Effektive Suchstrategien müssen gelernt werden.

Dänemarks Unterrichtsminister, bekannt als Anhänger klassischen Paukens meint: "Wenn man das Internet im Alltag nutzt, soll man es auch bei der Prüfung tun."

Mails dürfen nicht verschickt werden. Ratschläge vom großen Brüder führen zum Ausschluss von der Prüfung.

Meine Meinung: Ja, weg mit alten Zöpfen und Verbotsschildern.

c.

niederrhein
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Eine spontane Reaktion ...
geschrieben von niederrhein
als Antwort auf carlos1 vom 13.11.2009, 19:42:42
Laptopnutzung soll in Schulen künftig bei Klausuren möglich sein [...] Google und Wikipedia sollen es ermöglichen mehr in die Tiefe zu gehen (1) [...] Schüler sollen lernen Informationen zu nutzen und zu verarbeiten, nicht nur abzuschreiben. (2) [...]
Meine Meinung: Ja, weg mit alten Zöpfen und Verbotsschildern. c.




Eigentlich ein Widerspruch, auf ein solches Thema – nach meiner Kenntnis und (Berufs-)Erfahrung eben ein fundamentales Themaspontan einzugehen, ich mache es trotzdem, weil es mich nicht unberührt läßt (oder gleichsam existentiell tangiert) und weil ich mich mit der Problematik (Entwicklung der Buch-, Lese- und Schreibkultur unter der besonderen Berücksichtigung des wissenschaftlichen Arbeitens angesichts Computer und Internet) schon seit Jahren beschäftige.
(Siehe dazu auch die Habilschrift von Michael Giesecke „Der Buchdruck in der frühen Neuzeit“, der sich seinerzeit mit der Durchsetzung neuer Informations- und Kommunikationstechnologien beschäftigt und gleichsam als Blaupause die gegenwärtige Entwicklung laufend einbezieht. Dieses Buch gibt es jetzt in einer preiswerteren Paperback-Ausgabe.)


Bezüglich der Lesenden und Studierenden

Es ist nicht nur eine praktisch-technische Frage, also nicht nur eine Frage eines anderen Informationsträgers, sondern vor allem eine Frage der Veränderung des geistigen Arbeitens. Das diskursive, ausdauernde Lesen, das Erfassenmüssen, das Durchdringen ganzer Sachverhalte, Exzerpieren, Zusammenfassen und kritische Vergleichen etc. ist in der Praxis zu einem bloßen „paste-and-copy“-Verfahren geworden, wobei Studenten – ich weiß, wovon ich hier schreibe! – oft oder meistens die Texte allenfalls flüchtig gelesen haben.
Das Verständnis bezieht sich – wenn überhaupt – nur auf den jeweiligen Bildschirminhalt; Zusammenhänge werden bei diesem flüchtigen Überfliegen einfach nicht erfaßt. Die sorgfältigen Arbeiter unter den Studenten pflegen die im Internet vorhandenen Texte auch zu kopieren und auszudrucken, um sie dann auf die herkömmliche Weise zu „studieren“.

Übrigens: Studenten sagen dies ja explizit, daß sie keine (u.U. sogar „ganzen“) Bücher lesen wollen, wobei gesagt werden muß, daß die jetzigen Studienbedingungen dies wohl auch nicht mehr zulassen und/oder vorsehen.
Ein Studium, das auf äußerste Ökonomie (zeitlich, finanziell, wirtschaftlich) ausgerichtet ist und allenfalls für die Wirtschaft verwertbare Akademiker „erzeugen“ soll, fördert geistiges Arbeiten nicht, sondern fordert Auswendiglernen für Multiple-Choice-Prüfungen.
(In diesem Zusammenhang: In der letzten Woche – ZEIT, SPIEGEL? – wurde gerade diese Leseunfähigkeit von Studenten beklagt.)


In etwa sind drei „Meinungen“ bezüglich dieses Themas festzustellen:

(1) Einmal die Internet-Euphoriker, die das alles nicht nur „toll“ finden, sondern sogar das Ende des Buchzeitalters kommen sehen. (Siehe den eBook-Trend auf der Frankfurter Buchmesse in diesem Jahr.)

(2) Dann jene, die die abendländische Buchkultur schwinden sehen und damit einen großen Kulturverlust. (Sie sehen in der Entwicklung nicht nur einen technischen Wandel – also einen Wechsel des Informationsträgers – , sondern einen Kulturwandel. Nun hatte seinerzeit Platon [Phaidros, 274 a 6-275 d 3] sogar die beginnende Schriftlichkeit beklagt ...)

(3) Und dann die Gruppe der mehr oder weniger skeptisch-vorsichtigen Pragmatiker (zu denen ich mich zählen würde – wenn dieses persönliche Statement hier nicht stört), die sich sagen, daß Computer und Internet eine z.T. durchaus sehr faszinierende Ergänzung und Erweiterung der traditionellen Schreib-, Buch und Wissenschaftskultur sind.
Allein die Vorstellung einer weltweiten Bibliothek von Texten, Bilder und Tönen (Sprache, Musik, andere Tondokumente, aber auch Dokumentationen, Theaterinszenierungen, ja auch Filme), die jedermann zugänglich ist ... eigentlich ein Traum eines jeden geistig arbeitenden Menschen.

Aber es geht ja nicht nur um eine willkommene Erweiterung der Arbeits- und Informationsmöglichkeiten, sondern vielleicht wirklich um eine Veränderung der jahrtausendlangen Buch- und Schreibkultur?

Zwei Anmerkungen (Indexziffern oben)

1) Google und Wikipedia sollen es ermöglichen mehr in die Tiefe zu gehen
Wieso ausgerechnet Google (sic!) geistiges Arbeiten vertiefen soll und kann ... derjenige, der das schreibt, ist wohl bezüglich der Google-Strategie nicht ganz informiert. Bei Google handelt es bis jetzt nicht um eine globale Wissenschaftsorganisation ...
Wikipedia - vor allem das deutschsprachige Wikipedia - hat in den letzten Jahren an erstaunlicher Qualität gewonnen; so sehr, daß die Herausgeber sowohl des Brockhaus als auch des Kindlers Neuen Literaturlexikon wohl keine weitere Printausgabe mehr planen.
Aber ausgerechnet die guten Wikipdedia-Artikel basieren auf bisherige Fachlexika und Fachliteratur. Warum nicht gleich oder besser zum Orignal (lies: das Buch) greifen?

2) Schüler sollen lernen Informationen zu nutzen und zu verarbeiten, nicht nur abzuschreiben.
Ich muß lachen und wiederhole nur: paste and copy ...

Mit einem freundlichem Gruß

Die Bertha
vom Niederrhein



P.S. Ich bin im Besitz etlicher Digitalversionen von wissenschaftlichen Nachschlagewerken (u.a. das MGG, Grimms-Wörterbuch etc.) - ich finde das, was ich suche, schneller in meinen Printausgaben, also im herkömmlichen Buch, als etwa über diese Digitalversionen. (In diesem Zusammenhang lege ich Wert auf die Feststellung, daß ich seit 1986 mit einem Computer arbeite ;-) ...)
florian
florian
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Re: Laptopnutzung und Internet in schriftlichen Prüfungen an Schulen? - Gut oder nicht so gut?
geschrieben von florian
als Antwort auf carlos1 vom 13.11.2009, 19:42:42
Ich befürworte diesen Denkanstoß aus Dänemark.

@Niederrhein

Ich bin nicht der Meinung, dass dann nur kopiert wird. Die Lehrer von heute sind auch nicht zurückgeblieben und wissen genau, was sie wie eingeben müssen, um zu überprüfen, ob ein Schüler etwas völlig (dämlich) herauskopiert hat oder nicht. Aus meiner Schulzeit kannte ich einige Fälle, wo in Facharbeiten wahllos kopiert wurde. Die Strafe folgte natürlich - Note 6, Betrug und Diebstahl geistigen Eigentums.

Die Schüler müssen dabei angeregt werden, anstelle zu kopieren, ihre eigene Interpretation niederschreiben zu können. Nicht bloß ein paar Wörter im Satz umtauschen, sondern möglichst völlig neue Bilden (lang leben die Synonymfunktionen einiger Programme).
Mir hat das viel gebracht, ich habs mir besser merken können, als das ganz normale pauken, indem man nur liest, was der Lehrer einem vorlegt bzw. was die Lehrbücher hergeben.

Mir hats geholfen und ein Zweier-Abitur abgelegt.
--
florian

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schorsch
schorsch
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Re: Laptopnutzung und Internet in schriftlichen Prüfungen an Schulen? - Gut oder nicht so gut?
geschrieben von schorsch
als Antwort auf florian vom 15.11.2009, 19:23:39
Gratuliere für den Zweier....

....oder warst du einfach etwas cleverer als die surfenden Lehrer?

--
schorsch
longtime
longtime
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Re: Eine spontane Reaktion ...
geschrieben von longtime
als Antwort auf niederrhein vom 15.11.2009, 18:18:53
Für schulische Prüfungsarbeiten, die konkrete, gleichartige Texte bzw. andere fachliche Prüfungsaufgaben für alle Probanden stellen und vergleichbare, vorher festegelegte, mit Punkten qualifizierte Leistungen erwarten muss, ist ein PC mit Internet-Anschluss unsinnig.

Aber ein PC als Schreibgerät, mit den Funktionen der Prüfung von zu untersuchenden Wörtern, abzufragenden Motiven, für das Gesamtergebnis festgelegten Erfordernissen von Textstellen - also mit einer eigens entworfenen "Maske" und einem schnell identififzierbaren Repertoire von Prüfungsschritten - ist machbar; allerdings nach komplizierter IT-Vorarbeit.

Und Normallehrer, die sich nicht eingearbeitet haben, können damit nicht umgehen.

Brauchbar sind solche PC-Einsätze für Seminare an Unis mit Tests und der abzuarbeitenden Liste einer abfragbaren Textklausur zu den Lesesverpflichtungen; was schnell überprüfbar ist; auch nach Rechtschreibfehlern.

Alles andere am PC ist freie Arbeit (z.B. Hausarbeiten, Literatursuche), aber keiner Prüfungssituation dienlich, mit dem Zweck der Vergleichbarkeit von Anforderungen.

*

Übrigens:


Das Grimmsche Wörterbuch ist wesentlich einfacher durch das System "Wörterbuch im Wörterbuchnetz" der Uni Trier zu nutzen als auf den zwei CDs, die man natürlich abspeichern kann. Ebenso das "Digitale Wörterbuch", mit Textstellen aus Büchern und Zeitungen seit 1900, mit verschiedenen Suchfunktionen.

Hier der Überblick über das Wörterbuchnetzhttp://germazope.uni-trier.de/Projects/WBB/woerterbuecher/


Beispiel zum DWB, s. Linktipp:


--
longtime
niederrhein
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Eine Anmerkung ...
geschrieben von niederrhein
als Antwort auf longtime vom 16.11.2009, 10:50:10
Eine Anmerkung ...

Es steht nicht zur Disposition und Diskussion, ob der grundsätzliche Einsatz von PC, Internet - dies an der Universität, an der Schule - sinnvoll ist oder nicht.
Ich nehme auch an, daß diese technischen Hilfsmittel letztlich auch im Bereich Prüfungen, Korrekturen etc. eingesetzt werden.

Mein Beitrag allerdings ging über diese Frage (siehe Ausgangsbeitrag) hinaus; es geht mir um die Frage, ob mit dem Einsatz von PC, Internet etc. es zu einer grundsätzlichen Änderung des geistigen Arbeiten kommen wird. (Stichwort: Buchkultur etc.)

Vorhin gerade entdeckt: Im aktuellen SPIEGEL ein Essay von Frank Schirrmacher (anläßlich seines neuen Buches "Payback"; erschienen bei Blessing), das u.a. diese Frage auch tangiert.



Mit einem freundlichen Gruß

Die Bertha
vom Niederrhein


P.S. Die Ausführungen fand ich sehr informativ; auch für den Link-Hinweis danke ich.
carlos1
carlos1
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Re: Eine Anmerkung ...
geschrieben von carlos1
als Antwort auf niederrhein vom 16.11.2009, 16:52:43

Hallo Niederrhein,

danke dir und den andern für die Beiträge. Ich werde noch darauf zurückkommen, wenn ich Zeit habe. Seewolf hat einen Link eingestellt aus SPON mit einem Artikel von Schirrmacher über Computer und Lernen und die Google-Machtmaschine. Der Thread befindet scih in Innenpolitik: Que sera.

Dir ein angenehmes Wochenende
c.

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