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Plaudereien Meine ersten Ferien - Kindheitserinnerungen

margit
margit
Administrator

Meine ersten Ferien - Kindheitserinnerungen
geschrieben von margit
Ein aktuelles Foto eines alten Schuppens, in dessen Scheiben sich die Sommerwolken spiegeln und die einen Blick in sein geheimsvolles Inneres preisgeben, hat schöne Kindheitserinnerungen wieder lebendig gemacht.

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Mit fünf Jahren durfte ich meine Großmutter in ihr Elternhaus in einem kleinen Dorf begleiten. Für mich war dies eine Zeit der unbeschwerten Freiheit und vieler kleines Abenteuer. War ich doch von dem traurigen Anlass der Reise damals wenig beeindruckt. Der Bruder meiner Oma war schwer erkrankt in der Klinik und sie musste sich um ihn, die Versorgung und auch Verteilung der Tiere an andere Bauern kümmern.

Ich konnte mit den Nachbarskindern die Gegend durchstreifen und Haus und Hof erkunden. Der Hofhund Luchs schloß mit mir Freundschaft, die Gänseherden, die frei durchs Dorf liefen, lernte ich fürchten und meine Großmutter war viel zu beschäftigt, um darauf zu achten, dass ich "fein" gekleidet oder "ordentlich" frisiert war. Erst am Abend musste ich dann Hände und Gesicht waschen und bekam die Haare zu strengen Zöpfen geflochten, denn wir gingen gemeinsam in die alte Rokokokirche zur Maiandacht.

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Diese hinterliess mir einen bleibenden Eindruck: auf der einen Seite im dunklen, nur durch Kerzen erleuchteten Kirchenschiff saßen und knieten die Männer, auf der anderen die Frauen und beteten im Wechsel den Rosenkranz. Noch heute habe ich den Klang des respondierenden Singsangs im Ohr, den Weihrauchduft in der Nase und die im Licht der Kerzen glänzenden Goldverzierungen vor Augen. Faszinierend waren auch die Wachsstöcke, die jeder Gläubige vor sich hatte, die sich beim Abrennen erwärmten und deren Flamme so immer wieder ein Stück weiter aufgerichtet werden konnte.

Leider ging diese paradiesisch schöne Zeit nach fünf Wochen zu Ende. Meine Mutter, die zur Beerdigung ihres Onkels und um mich dann wieder mit nach Hause zu nehmen kam, schockierte  ich mit der Begrüßung "Mame, seit me in Karlsruh auch Krumbiere zu de Herdäpfel?" und noch mehr mit meinem Aussehen. Soweit ich mich erinnere, machte sie als erstes Wasser heiß und stellte mich in eine große Waschschüssel zur Grundreinigung. Das Ergebnis ihrer Bemühungen seht ihr auf dem Foto vor der Abreise, als ich von meinem Freund Luchs Abschied nehmen musste. Den Schmerz über die spätere Nachricht, dass er vom Jäger erschossen wurde, verpüre ich heute noch.

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Margit

P.S. Erinnert ihr euch noch an eure ersten Ferien?
Shenaya
Shenaya
Mitglied

RE: Meine ersten Ferien - Kindheitserinnerungen
geschrieben von Shenaya
als Antwort auf margit vom 22.07.2020, 10:21:22



schorsch
schorsch
Mitglied

RE: Meine ersten Ferien - Kindheitserinnerungen
geschrieben von schorsch

Meine ersten Ferien hatte ich, als ich mit 20 Jahren (alleine) eine Tour mit dem Fahrrad und einem kleinen Spatz-Zelt hinten drauf 8 Tage durch die Schweiz radelte. Mit 20 Franken im Sack. Ich ernährte mich von billiger Trockenwurst und Brot. Zu trinken gabs ja in jedem Dorf am Dorfbrunnen!

Allegra
Allegra
Mitglied

RE: Meine ersten Ferien - Kindheitserinnerungen
geschrieben von Allegra

@margit
@Sheaya

Die Berichte über Eure ersten Ferien erinnern mich an
meine Kindheit. Ferien im eigentlichen Sinn hatte ich als
Kind nicht, es war für mich jeden Tag so.
Ich erinnere mich an unser altes Fachwerkhaus und knarrende
Dielen,  den Hahn, vor dem ich Angst hatte, weil er uns Kinder
verfolgte und ins Bein pickte, an freilaufende Hühner überall
und das Mitfahren hoch oben auf dem Heuwagen.
Besuche bei einem alten Großonkel, der in einem Himmelbett
schlief und dessen Glasauge auf dem Fensterbrett lag.
Eine Kindheit in einer kleinen oberhessischen Stadt, in der
viele Leute Nachkommen von Hugenotten waren und noch
viele französische Ausdrücke verwendeten.

Im Rückblick für mich ein langer Sommertag!
 
Allegra
 
 

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