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Plaudereien Mutti, wie war das damals?

caya
caya
Mitglied

Mutti, wie war das damals?
geschrieben von caya

....z.B. als wir in dieser stockdunklen Nacht zu früh aus dem Zug gestiegen sind und du weiter fahren musstest?
Wir wurden evakuiert und du musstest mit 2 kleinen Kindern unsere Heimat verlassen in einem riesigen Transport der als Schutz vor Bombardierung, ohne Licht durch die finstere Nacht fuhr.
Die fremde Frau, die geholfen hatte uns Kinder auf den vermeintlichen Bahnsteig zu heben stand nun mit uns in der fremden Umgebung da, und weit und breit kein Haus zu sehen, nur freie Strecke ......

Wir haben nie davon gesprochen als du noch *da warst......
Wie hast du uns wieder gefunden? Wie war das damals? Wie groß muss deine Angst gewesen sein....

Ich erinnere mich, dass es eine Nacht war, so finster und bedrohlich wie nie wieder eine Nacht danach in meinem Leben.....

So wie diese, gibt es viele Fragen an meine Mutter, die ich nie mehr stellen kann......
Warum nur fallen sie mir erst jetzt so verstärkt ein? Ich wüsste so gerne noch so viel mehr.


Habt ihr alle Fragen geklärt mit euren Eltern bevor sie für immer auf die große Reise gehen mussten?

Caya

Re: Mutti, wie war das damals?
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf caya vom 24.05.2011, 19:41:29
Nein Caya, auch ich hätte gerne noch viele Fragen gestellt…jetzt ist es zu spät.

Aus diesem Grund habe ich angefangen, meine Geschichte -soweit ich eben zurückdenken kann- für meinen Sohn aufzuschreiben. Ich habe alte Fotos eingefügt und dieser Rückblick, auch und insbesondere in die Nachkriegszeit, wird sicher ganz interessant für die heutige Generation.

anna44
chris
chris
Mitglied

Re: Mutti, wie war das damals?
geschrieben von chris
als Antwort auf caya vom 24.05.2011, 19:41:29


Caya,

ich hab meine Mutter 1973 schon verloren. Ja sicher hätte ich sie noch
manchesmal um Rat gefragt.

Und danken konnte ich ihr schon gar nicht für das, was sie mir Gutes
getan hat.



Chris

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Re: Mutti, wie war das damals?
geschrieben von ehemaliges Mitglied
Caya,
nachdem mein Vater verstarb und mir klar wurde, wie wenig ich von ihm und seiner Meinung zu wesentlichen Themen wusste, nahm ich mir vor, mit meiner Mutter zu sprechen. Sie nahm diese Gespräche gerne auf, somit lernten wir uns auf eine neue Art kennen. Es war nicht mehr vorrangig eine Mutter-Tochter Beziehung, eher kamen wir uns wie zwei erwachsene Frauen mit unterschiedlichen Erfahrungen sehr nahe.
quin
caya
caya
Mitglied

Re: Mutti, wie war das damals?
geschrieben von caya
@Anna,
das ist eine gute, liebevolle Idee, die dir dein Sohn sicher einmal danken wird und auch deine Enkel.

@Chris,
ja, auch um Rat fragen.
Mir geht es aber besonders um diese Erlebnisse, die wir gemeinsam hatten als ich klein war, und an die ich mich nur vage erinnere.
Es war ja eine total irre Zeit. Ich erinnere mich z.B. dass wir nach dem Angriff auf Dresden dort waren, weiß aber nicht WEN wir dort besucht haben und WARUM wir dort waren. Ein Duft blieb in meiner Erinnerung.
Alles lag in Schutt und Asche, was haben wir dort gemacht???

@Quin,
welch Glück, dass du es erkannt hast als noch Zeit dazu war, deiner Mutter näher zu kommen.

Caya

schorsch
schorsch
Mitglied

Re: Mutti, wie war das damals?
geschrieben von schorsch
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 24.05.2011, 20:30:15
Deine Enkel und Urenkel werden es zu schätzen wissen.

Obwohl ich öfters belächelt wurde, habe ich unsere Kinder und dann deren Kinder mit den gerade aktuellen Methoden "für die Ewigkeit" auf Bild und Ton gebannt. Ich selber - als Operateur - kam dann natürlich zu kurz. Da aber von vielen Medien Berichte, Fotos und Videos über mich gemacht wurden, habe ich diese komprimiert auf 2 DVDs gebrannt. So haben unsere Nachkommen also ein rudimentäres Archiv, das sie - falls sie Lust dazu haben sollten - nutzen können. Natürlich habe ich auch vorhandene Fotos und Alben in das Archiv eingebunden. So können also doch einige Informationen bis in die 1920-er-Jahre zurück verfolgt werden.


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Re: Mutti, wie war das damals?
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf schorsch vom 25.05.2011, 09:39:39
Schorsch, das hoffe ich doch


....je länger man an der Geschichte schreibt, um so mehr Erinnerungen werden wach.
Die Fotos sind deshalb wichtig, weil mir immer wieder alte Bilder von meinen Eltern in die Hände fallen und ich nicht weiss, welche Personen da nun zu sehen sind. Deshalb wird nun alles archiviert, beschriftet usw. Wer mich belächelt, na- soll er doch. Mir macht es Spaß und meine Nachwelt freut sich vielleicht.

anna44
hugo
hugo
Mitglied

Re: Mutti, wie war das damals?
geschrieben von hugo
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 25.05.2011, 16:17:07
Deshalb wird nun alles archiviert, beschriftet usw. Wer mich belächelt, na- soll er doch. Mir macht es Spaß und meine Nachwelt freut sich vielleicht.


anna lass sie doch,,,vielleicht ists auch nur die Unmöglichkeit zu solchem tun.

Aus Anlass eines demnächst anstehenden Familientreffens hab ich mal alles zusammengesucht was für die Nachkommen von Interesse sein könnte. Von Stammbäumen, Geburtsurkunden, Taufscheinen, Grundbucheintragungen, Hauskaufverträgen, Arbeitsbescheinigungen, Zensurenheften, Berufs-, und Meisterbriefen über die Notausweise, Heldentoderklärungen, Umsiedlerbestätigungen, Sippenfragebögen der unsäglichen Nazizeit, alte und ältere geschriebene Ansichtskarten der letzten 100 Jahre, Originalzeitungen (sogar Erstausgabe 1800 ist dabei) und natürlich alles was noch an Fotoaufnahmen von braun über schwarz-weiß bis hin zu gescannten Dias der Neuzeit usw. vorhanden ist (die vielen Urkunden Zeugnisse, Abschlussbelege, Behörden-Formalitäten der DDR-Zeit usw. mal ausgeklammert und extragebündelt, weil das alleine schon sehr umfangreich ist)


Glückwunsch an Alle die noch über einen so reichlichen Fundus verfügen. Bei Vielen ist ja 1945 apprupt Schluss beim rückwärtsgucken, weil auf der Flucht andere Dinge wichtiger waren oder die damaligen schlimmen "Turbulenzen" für eine Totalentsorgung privater Andenken-, und Erinnerungsstücke sorgten.

hugo
rosarot
rosarot
Mitglied

Re: Mutti, wie war das damals?
geschrieben von rosarot
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 25.05.2011, 16:17:07
ja, ich hätte meine Mutter auch gerne noch soo viel
gefragt. Sie starb 1979 neben mir im Auto.
Ich lieferte damals Ware aus.
Lange hats gedauert, bis ich meine Schuldgefühle ( weil ich sie mitfahren liess ), endlich loswurde.
Während der Autofahrten hatten wir immer die Gelegenheit
wenigstens ansatzweise über Sachen zu sprechen.......

Anne
myrja
myrja
Mitglied

Re: Mutti, wie war das damals?
geschrieben von myrja
Ich habe meine Kindheit lange Zeit sehr negativ gesehen, eben aus Sicht des Kindes, das nur die „Fehler“ der Mutter sieht und nicht die Hintergründe.

Nach einem stundenlangen Gespräch in Dunkelheit auf dem Balkon meiner Mutter, mit Blick auf den stillen Bodensee, vor einigen Jahren, hat sich diese Sicht der Dinge total verändert. Viele Entscheidungen meiner Mutter mich und meine Schwester betreffend, viele Handlungen von ihr, konnte ich danach verstehen. Meine Mutter war ein Mensch, der versucht hat vor uns all die Schwierigkeiten, die sie als Alleinerziehende in den Nachkriegszeiten hatte, zu verbergen.

Kurz nach diesem Gespräch hatte sie einen Schlaganfall, war halbseitig gelähmt und konnte nicht mehr sprechen. Vor einem Jahr ist sie gestorben.

Ich bin froh, dass ich vorher noch die Gelegenheit hatte, sie als Mensch, nicht nur als Mutter, kennen zu lernen!

Myrja

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