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Plaudereien Vermurkste Jagdhütten

EmilWachkopp
EmilWachkopp
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Vermurkste Jagdhütten
geschrieben von EmilWachkopp
Das ist, weil ich doch ein Programm ins Fernsehen gesehen habe. Sonst wär das gar nicht. Eins, wo alles vermurkst und verpfuscht war, so dass die Käufer sich die Galle grün geärgert haben. Jedenfalls hab ich nicht alles so genau mitgekriegt, weil ich doch innerlich gar nicht bei der Sache war. Aber trotzdem hat das Programm mir ein Ereignis aus uralter Zeit in Erinnerung gerufen. Nümlich als ich damals, ich weiß nicht mehr genau wann, eine Jagdhütte gekauft habe. Das war, weil ich doch immer schon Jäger werden wollte. Deshalb war das. Nicht wegen das Jagen. Ich baller so und so nur selten blindlings im Wald rum. Nein, wegen die grüne Uniform und dem Hut mit Feder. Deshalb wollte ich Jäger werden. Und ein richtiger Jäger braucht eine Jagdhütte. Zus Übernachten. Wenn nümlich nicht, ist er nur ein halber Jäger.

Der Vertrag wurde in einer Kneipe von mir und einem Lumpenproleten, der sich „Makler“ nannte, unterzeichnet. Der war aber auch gekleidet! Schlapphut mit hunderten von Fettflecken überall, ausgebeulte Jacke, durchlöcherte Hose und vorne aus den Schuhen guckten die nackten Zehen raus, weil sich die Sohlen gelöst hatten und die Socken fast nur noch aus Löchern bestanden. .
„Na ja“, dachte ich mir. „Wer Jagdhütten für 200 Mark, bei einem Nettogewinn von 20 Mark, verhökern muss, der hat es nicht immer so dick. Der muss mit schmaler Kost vorlieb nehmen. 200 Mark für eine Jagdhütte waren damals schon kein Geld, wenn man zum Vergleich mein Plumpsklo nümmt, das zu der Zeit schon auf 350 Mark und fünfzig Pfennig taxiert wurde. Aber tauschen konnte ich deshalb nicht, weil kaum ein normaler Mensch in ein Plumpsklo einziehen möchte. In eine Jagdhütte aber schon ehrer mal. Deshalb war das.
Jedenfalls: Sowas gehört sich nicht. Man kleidet sich nicht wie eine Vogelscheuche, wenn man mit Emil Geschäfte macht. Auch nicht, wenn das modegerecht sein sollte.

Na, ganz astrein wurde das Geschäft nicht abgeschlossen, denn der verlumpte Makler hatte mir schon ganz schön was eingetrichtert, ehe ich meine Unterschrift mit schlaksiger Hand unter das Vertragswerk kritzelte. Jedenfalls: leserlich war die nicht mehr. Und denn war mein Nachname auch noch verkehrt geschrieben. Na, Schwamm drüber.

Jedenfalls: Sowas gehört sich auch nicht. Man trichtert Emil nicht schon vor Abschluss eines Geschäfts, d.h. im Kuhhandel- und Feilscherstadium, so viel ein! Und schon gar nicht auf seine Kosten! Hinterher ein Geschäft begießen. Das ja. Aber vorher nicht. Jedenfalls kostete mich die Zeche mehr als die Jagdhütte. Ich nümm mal frei an: das war deswegen, dass der Makler mir die Zeche überließ. Von zwanzig Mark Tageslohn kann ich keine Zeche von 400 Mark berappen. Das leuchtet ein.

Am nächsten Morgen fielen mir die Augen aus dem Schuppen, als ich gewahr wurde, dass der Makler den Vertrag mit drei Kreuzen unterzeichnet hatte. Und das schon lange vor Pisa. Außerdem stand mein Name da wo seiner hätte stehen müssen. Jetzt sah das ja so aus, als wie wenn ich der analphabetische Verkäufer und der Makler der Käufer war. So ein Durcheinander aber auch. Aber das Schlimmste war: Der Tagedieb hatte mir gar keinen Garantieschein ausgestellt. Aber wenn Emil was kauft, und sei es nur eine Fliegenklatsche, verlangt er immer einen Garantieschein. In die Beziehung ist er unnachgiebig.

Noch etwas Eigentümliches fiel mir auf: Die Zeichnung, die mir den Weg zu meiner neu erworbenen Jagdhütte weisen sollte, war auf den Rand einer Zeitung hingekritzelt und denn einfach rausgerissen. Sowas gehört sich nicht! Geschäfte müssen immer etwas würdig, feierlich begangen werden. Ehrer wie eine Beisetzung als wie ein Kindergeburtstag mit Saufgelage.
Aber die Kritzelkarte hätte ich noch verknusen können, das Fehlen des Garantiebeweises jedoch nicht. Deshalb wetzte ich unverzüglich ins Dorf in der Hoffnung, den Ganoven dort noch zu erwischen, um ihm eine Garantie abzufordern und eine Kopfnuss zu verpassen.
Aber ich erwischte ihn nicht mehr.

Der Bauer Möllenbrink hatte ihn früh am Morgen aus seiner Scheune torkeln sehen. „Das Gesicht war knallrot, und alle Haare standen ihm zu Berge, in alle Richtungen, als wie wenn sie elektrisiert waren. Hier ist übrigens noch seine leere Fuselflasche. Die hat er mir hinterlassen. Das war sehr aufmerksam, find ich. Dafür krieg ich nümlich einen halben Pfennig beim Lumpensammler.“
Dass ein Makler für zwanzig Mark Tagelohn nicht im Hotel Atlantik übernachten kann, leuchtete mir ein. Aber einen Kamm müsste er sich doch vom Mund absparen können! Ich kann doch keinem Geschäftspartner unter die Augen kommen, wenn mir sämtliche Haare zu Berge stehen. Der muss ja denken, ich vernachlässige mein Äußeres. Na ja, wenn das gerade die Mode ist. Denn kann man seinen Dassel vielleicht schon ehrer mal so zerrupft in der Öffentlichkeit vorführen. Sonst aber nicht so.
„Und wo ist er hin?“ fragte ich. „Quer über die Felder, und weg war er.“
„Na ja“, sagte ich ein wenig resigniert. „Ich hab eine Jagdhütte gekauft, nicht den Makler.“

Die grüne Jägeruniform war maßgeschneidert, genauso wie der grüne Jägerhut mit seiner meterlangen Faunfeder obenauf. Das Jagdhorn war ebenfalls nagelneu, das Gewehr aber nur eine Attrappe aus Sperrholz. So zog ich frohen Gemütes und leichten Sinnes in Richtung Jagdhütte.

Als ich vor der Jagdhütte stand, war ich ein wenig verdattert. Das war, weil ich mir doch so eine Behausung viel größer vorgestellt hatte. Aber dieser verfallene Bretterverhau glich ehrer einem etwas zu groß geratenen Vogelhäuschen. „Na ja“, sagte ich mir. „Alles halb so schlimm. Wenn ich mich zusammenrolle, kann ich da drinnen lässig übernachten. Aber ein Bett passt nicht rein. Höchstens eine Wiege. Und wenn ich mir büschen zusammenkauere, kann ich vielleicht da drinnen sogar auf zwei Beinen gehen, ohne mir den Kopf am Dach zu verbeulen.

Als ich die Tür zu öffnen versuchte, stürzte sie schon bei der ersten Berührung nach Innen hin ein. Doch meinen Frohsinn ließ ich mir deshalb nicht verderben. „Was sich löst, wird wieder befestigt“, sagte ich laut und ein wenig trotzig, um mir Mut einzuflößen. Aber eigentlich – ganz pütscherig genommen – gehört sich sowas nicht. Man dreht Emil nicht so einen Nusch an. Außer er ist umsonst. Ein geschenktes Maul lästert nicht über den Gaul – oder sowas Ähnliches. Aber es sollte noch schlimmer kommen.

Als ich mit gekrümmtem Rücken in meiner Jagdhütte stand, führte ich das Horn an den Mund und blies – ganz in Übereinstimmung mit tausendjähriger Jägertradition – das Hallal-Lie: „Blööörrt-blööörrt, bluddeliblubb, blööörrt“. Und dann fiel mir auch schon das Dach auf den Kopf. Das musste einen ganz groben Dachschaden gehabt haben. Mir blieb zum Glück ein solcher erspart, weil der Müll so morsch war, dass er beim Aufprall auf meinen Jägerkopf sofort zu Staub zerbröselte.

Emil gibt so leicht nicht auf. „Mein Dach ist das Himmelszelt“, rief ich – von Trotz gegen mein hundsgemeines Schicksal erfüllt – gen Himmel. „Wozu braucht es noch ein Dach, wenn nur die Wände stabil sind?“ Sodann klopfte ich leicht – da schon ein wenig pessimistischen Gemüts – mit dem kleinen Finger an eine Wand. Klatsch, fiel sie in sich zusammen und zerbröselte ebenfalls zu Staub. Um nicht halbe Arbeit zu leisten, schupste ich die restlichen drei Wände auch noch um, blies mein Rückzugs-Hallall-Lie (d.h. das Hallal-Lie rückwärts) ins Horn und trat den Heimweg an.
„Emil, Emil, wie bist du geschlagen“,
hörte ich mich noch leise sagen.
eleisa
eleisa
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Re: Vermurkste Jagdhütten
geschrieben von eleisa
als Antwort auf EmilWachkopp vom 17.04.2011, 05:31:53


Ja,ja - wat nix kost, dat is auch nix...

Danke lieber Emil, für den fröhlichen Morgengruß E.
treenie
treenie
Mitglied

Re: Vermurkste Jagdhütten
geschrieben von treenie
als Antwort auf EmilWachkopp vom 17.04.2011, 05:31:53
Mannomannn ! Du willst en jächer sein- nie und nimmer oder konsste zu so früher zeit net schlafe und hast dich deshalb in der Schreiberzunft geübt ? Kauf dir doch lieber ein stabiles BW-Zelt (gebraucht und immer noch besser als ein neues)-denn kannste einen schönen Hasenbraten schon durchs hohe Gras mit der Zwille erlegen oder auch mit dem Luftgewehr - für ne gute Wildsau brauchste schon eine Armbrust; ich nehm aber mal an, dein Artikelchen ist der allgem. Belustigung zugedacht - und jetzt brauchst nur noch deinen Jägerschein hier einzustellen, wenn wir das glauben sollen-habe herzlich drüber gelacht - ein gediegenes Osterfest - und zahle nur nicht die völlig überzogenen Wildpreise im Geschäft- sind nämlich auch Gauner ! Tjööö

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clara
clara
Mitglied

Re: Vermurkste Jagdhütten
geschrieben von clara
als Antwort auf EmilWachkopp vom 17.04.2011, 05:31:53
Das ist mal eine schöne Sonntaggeschichte! Danke, EmilWachkopp! Besonders der grüne Hut mit der Faunfeder gefällt mir. So ein Faun gehört ja zur Natur! http://seniorenstadt.de/smilies/daumen_hoch.gif[/img] Deshalb gefällt mir auch die erste Strophe dieses Volksliedes gut. Clara

[i]Grün, grün, grün sind alle meine Kleider;
grün, grün, grün ist alles was ich hab.
Darum lieb ich alles, was so grün ist,
weil mein Schatz ein Jäger ist.


youngster
youngster
Mitglied

Re: Vermurkste Jagdhütten
geschrieben von youngster
als Antwort auf EmilWachkopp vom 17.04.2011, 05:31:53
Der Jäger Emil kaufte nicht nur eine Jagthütte sondern erzählte uns eine Geschichte aus lauter Jägerlatein.

Sehr gut Emil habe mich köstlich amüsiert.

Gruß youngster

EmilWachkopp
EmilWachkopp
Mitglied

Danke
geschrieben von EmilWachkopp
als Antwort auf youngster vom 17.04.2011, 20:28:01
Ich wollte mir in erster Linie für alle netten Zuschriften bedanken.

Aber jetzt ich muss ich etwas kleinlaut zugeben, dass ich überraschender Weise gar kein vollständiger Jäger bin. Das weiß ich aber erst seit Vorgestern. Da kam nümlich mein Ur-Urenkel Roland vorbei mit zwei kleinen Nuckelflaschen Jägermeister. „Na Prost denn, Ur-Uropa Emil.“ „Worauf trinken wir denn?“ „Auf mein bestandenes Jägerexamen.“ „Jägerexamen? Was ist denn das schon wieder für ein neumodischer Quatsch?“ „Gar kein Quatsch. Ohne Jägerexamen ist man kein diplomierter Jäger.“

Na, so eine Pleite aber auch. 98 Jahre lang hab ich geglaubt (und allen möglichen Leuten aufgeschwatzt), ich wäre ein richtiger Jäger, weil ich doch eine richtige Jägeruniform besaß. 20 Jahre lang hab ich die Oberstimme im Jägerchor gesungen. Und jetzt platzt plötzlich die Seifenblase.

Nun will ich aber nicht weiter in meiner Vergangenheit graben, denn sonst stellt sich vielleicht noch heraus, dass ich auch gar kein echter Freischwimmer bin, obwohl ich damals einen echten, zebragestreiften Badeanzug besaß. Von oberhalb der Brustwarzen bis oberhalb der Kniekehlen. Dazu einen Schnorchel, ein gläsernes Zyklopenauge, eine gelbe Bademütze aus Gummi und zwei reelle Schwimmflossen an den Füßen.
schorsch
schorsch
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Re: Danke
geschrieben von schorsch
als Antwort auf EmilWachkopp vom 19.04.2011, 00:24:14
Drum merke: Dieses Jägers Flinte
besteht halt leider nur aus Tinte.

Doch wenn auch nie ein Bock geschossen,
hab Jägerlatein ich sehr genossen!
hobbyradler
hobbyradler
Mitglied

Re: Danke
geschrieben von hobbyradler
als Antwort auf EmilWachkopp vom 19.04.2011, 00:24:14
In Bayreuth wird nächste Woche der akademische(oder so ähnlich) Grad „Schürzen..“ vergeben. Schau mal ob du ihn günstig ersteigern kannst. Deine Uniform, sofern Jägergrün, hält sicherlich allen Prüfungen stand.
Dann steigt auch wieder dein Ansehen beim Ur-Urenkel.
Ciao
Hobbyradler

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