Plaudereien Vom Vergessen

Mareike
Mareike
Mitglied

Vom Vergessen
geschrieben von Mareike

Gestern fand ich beim Surfen eine Kurzgeschichte, die ich Euch nicht vorenthalten möchte.
Sie ist mir so vertraut, als wenn ich sie selbst geschrieben hätte.

Ob hieraus ein Faden wird?
Eigentlich unwichtig ...

LINK:
Vom Vergessen

....
doch ich hab nicht vergessen was ich vergessen habe, mehr noch,
an das, was ich vergessen habe, denke ich am meisten

wie an das, was meine Mutter meinte als ich (noch so dick wie Afrika
und mein Meerschweinchen noch weich) fragte, warum vergessen
nicht auch ein „ge“ kriegen kann, wie geschlafen, gegessen und getanzt
und sie beim Falten der Bügelwäsche
murmelte als schiebe sie die Wörter zwischen meine Kleider:

vergessen wird nie vollendet "

jacare4
jacare4
Mitglied

RE: Vom Vergessen
geschrieben von jacare4
An das, was ich vergessen habe, kann ich mich normalerweise nicht erinnern.

Manchmal aber kann ich mich ganz plötzlich an etwas, an Ereignisse erinnern, die ich eigentlich schon längst vergessen hatte. Das sind Dinge, die vor langer Zeit passiert sind. Wenn ich beim Stöbern etwas finde, ein Foto, einen Gegenstand, ein Geschenk, ein Papier mit handgeschriebenen Zeilen, einen Brief, einen Zeitungsausschnitt, fällt mir wieder ein, woher ich das habe, wo ich das gesehen habe, wer mir davon erzählt hat, was er gesagt hat, wo das war, bei welcher Gelegenheit. Wie er oder sie ausgesehen hat, was Besonderes mich mit ihm oder ihr seinerzeit verband. Damals war es mir vielleicht wichtig. In der Zwischenzeit ist so viel anderes passiert. 

Vieles, was mir unangenehm oder peinlich war,  an das ich mich nur zu gut erinnere, hätte ich am liebsten schon lange vergessen. Schade. Nun quält es mich. Immer wieder. Wie kann es angehen, dass ich es nicht vergessen kann?

Und dann gibt es noch ein anderes Vergessen. Ich bin nicht zu einer Verabredung gekommen, weil ich nicht mehr daran gedacht habe. Etwas anderes oder auch gar nichts hat mich gehindert, daran zu denken.  Wie konnte das passieren? Das andere war überhaupt nicht wichtig. Ich habe die Verabredung ganz einfach vergessen. Es hat mich auch niemand daran erinnert. 

Es gibt auch Ereignisse, die wir auf keinen Fall vergessen sollen. Die sind Teil unserer Geschichte. An die werden wir öffentlich immer wieder erinnert. 


Ich meine, das Vergessen und das auf keinen Fall Vergessen sind in unserm Leben  gleichermaßen wichtig. 
wolke07
wolke07
Mitglied

RE: Vom Vergessen
geschrieben von wolke07
Ich denke an zwei Brüder,wo der Eine den Anderen sehr weh getan hat miut seinen Äußerungen.
Nach einiger Zeit kam die Reue und er sagte zum Bruder,verzeih mir,es tut mir sehr leid.
Nun war die Reaktion,ich verzeihe Dir,aber ich werde es NIE vergessen.
Ist es nun ein Verzeihen?
Die gesagte Beleidigung steht also immer im Raum,bei dieser Äußerung des Nichtvergessens---
Wolke

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val
val
Mitglied

RE: Vom Vergessen
geschrieben von val
als Antwort auf wolke07 vom 21.08.2020, 11:05:03

Hallo Wolke,

bei geheilten Wunden bleibt die Narbe.

Aber sie schmerzt nicht mehr.  Gruss Val

Mareike
Mareike
Mitglied

RE: Vom Vergessen
geschrieben von Mareike
als Antwort auf wolke07 vom 21.08.2020, 11:05:03

@Wolke

Liebe Wolke
das Eine schließt das Andere nicht aus.
Verzeihen heißt doch nicht vergessen.

Der Begriff "Zeihen" ist nicht mehr geläufig: Jemanden einer Sache zeihen: jemandem diese Sache (zumeist ein Vergehen oder ein Verbrechen) vorwerfen.

Ver-zeihen heißt somit nicht mehr vorzuwerfen.


Mir gefällt das Wortspiel in der verlinkten Geschichte.
Beim Spaziergang vorhin gingen mir die Worte Ge-gessen und Ver-gessen durch den Kopf und ich dachte über den Unterschied nach - 😉

Man sagt ja auch schon mal: "Das ist gegessen." (Vorbei, erledigt)

wolke07
wolke07
Mitglied

RE: Vom Vergessen
geschrieben von wolke07
Ich glaube auch im Alter kommen viele Erinnerungen aus längst vergangenen zeiten wieder ans Tageslicht.
Ach wie schön war die Kinderzeit--
auch der erste Freund
die Tanzstunde
Es ist alles in unserem Kopf gespeichert,das ist gut so.
Auch unangehehme Dinge kommen mal wieder hoch.
Man soll sich aber nicht lange damit aufhalten,sondern schönen Dingen dann wieder zuwenden.
Die zwei Brüder,die sich wieder fanden,verziehen haben,auch wenn es wieder mal hochkommt,nicht lange damit aufhalten.
Gerade jetzt in der Sommerzeit denke ich daran,wie es war als ich noch fleißig im Garten mich betätigen konnte----jetzt brauche ich fast einen Gärtner.

 

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Mitglied_6a1ee3a
Mitglied_6a1ee3a
Mitglied

RE: Vom Vergessen
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf Mareike vom 21.08.2020, 08:54:29

Liebe Mareike, 

als ausgebildete Demenzbetreuerin kann ich natürlich über das "Vergessen" einiges berichten. 

Nach einem Nachmittag mit meinen Gruppenmitgliedern kam am nächsten Abend ein Anruf einer Ehefrau eines 85 jährigen.

Gestern war mein Mann den ganzen Tag mit seinem Auto unterwegs, wir wußten nicht wohin er gefahren ist, als er abends nach Hause kam erzählte er uns, er wäre den ganzen  Tag bei Ihnen gewesen, hätte gegessen und getrunken und mit Ihnen und Ihrem Mann Skat gespielt.

Nachdem ich dann mal eine Redeflußpause erwischte, durfte ich dann erwähnen, daß ich den ganzen Tag bei meinem Sohn in Wiesbaden verbracht hatte........ergo konnte er nicht bei mir gewesen sein. 

Die Ehefeau entschuldigte sich vielmals und seither war der Autoschlüssel unauffindbar und das Auto in der Werkstatt und galt als unreparierbar. 

Ich konnte dem 85 jährigen nicht böse sein......ein vergessen anderer Art, wo ich hoffe, daß.da mal ein Durchbruch der Medizin gelänge. 

Mareike
Mareike
Mitglied

RE: Vom Vergessen
geschrieben von Mareike
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 21.08.2020, 14:29:33

Auch da könnte ich einiges berichten.
Mein jüngster Bruder hatte im Alter von 30 Jahren eine schwere Hirn-OP und er hat seitdem kein Kurzzeitgedächtnis mehr.
Alles, was vor diesem Einschnitt geschah, konnte nach und nach wieder wachgerufen werden - da kann er sich häufig besser erinnern als ich.

Mitglied_6a1ee3a
Mitglied_6a1ee3a
Mitglied

RE: Vom Vergessen
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf Mareike vom 21.08.2020, 14:35:36

Da wir leider alle nicht davor gefeit sind vergesslich zu werden......jeder seine Schubladen hat, die er streng verschlossen halten will, jeder seine "Leichen im Keller" hat, auch ich. Wünschen wir uns, daß niemand dran rührt. Bei mir sind es drei Boxen wo "Danger/explosiv" draufsteht. Ein professioneller Mensch hat mal zu mir gesagt, was vorbei ist kann man nicht mehr ändern und sollte die Zukunft besser machen. 

Ja, ich bemühe mich, ob es mir gelingt ...? 

werderanerin
werderanerin
Mitglied

RE: Vom Vergessen
geschrieben von werderanerin
als Antwort auf wolke07 vom 21.08.2020, 11:05:03

Ich denke, dass Verzeihen nichts mit Vergessen unbedingt zwingend zu tun hat...ich kann verzeihen, wenn ich verstanden habe, warum etwas genauso passiert ist oder gesagt wurde...ich kann mich hinein versetzen.
Folge wäre, zu verzeihen, was nur wenige wirklich können. 

Vergessen aber werde ich das Ereignis nicht, es ist abgespeichert...für immer!

Was ich schlimm finde, wenn Menschen meinen, verziehen zu haben aber bei jeder besten Gelegenheit alles wieder hervor
holen...das nenne ich nachtragend sein, im wahrsten Sinne des Wortes. 
Eine sehr schlechte Charaktereigenschaft!

Kristine


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