Plaudereien Vor 25 Jahren: Ministerpräsident von Schleswig-Holstein tot aufgefunden

Sicher erinnern sich noch Einige an diese spannenden Tage im Herbst 1987.

Das Ereignis war und ist kein Thema nur für die Sensationspresse. Es hat einen politischen Hintergrund, weil Dr.Dr. Uwe Barschel (CDU) in die Bespitzelung seines Rivalen Björn Engholm (SPD) involviert war. Dies alles inklusive Barschels gelogenes Ehrenwort, um die bevorstehende Landtagswahl in Schleswig-Holstein zu gewinnen.

http://www.n-tv.de/politik/Nach-meiner-Ueberzeugung-war-es-Mord-article7315086.html

Bis heute sind die genauen Umstände seines Todes in einem Genfer Hotel ungeklärt, obwohl sich Viele der damals mit dem Fall Befassten für die Mordtheorie aussprechen. Nun wird sogar eine Tatort-Episode darüber gedreht!

http://www.zdf.de/ZDFmediathek/beitrag/video/1741418/Der-Fall-Barschel#/beitrag/video/1741418/Der-Fall-Barschel

Ich lebte damals schon in S-H, befand mich zum Zeitpunkt der Todesmeldung gerade auf der Autobahn und war dermaßen geschockt, dass ich fast nicht mehr weiterfahren konnte. Aufregende Tage waren vorausgegangen. Nur die "Spiegelaffäre" um Franz Josef Strauß hatte die Republik in ähnliche Aufregung versetzt. Unserer Freunde aus Baden-Württemberg riefen besorgt an und wollten wissen, was "da oben" eigentlich los sei.
Übrigens interessierte sich auch bald die Stasi für den Fall und untersuchte ihn - im Gegensatz zum BND - weiter!

Clara

Ja Clara,
ich erinnere mich noch sehr gut daran.
Zu der Zeit lebte und arbeitete ich in Bonn -
die Gerüchteküche kochte über, jeden Tag neue
Spekulationen schwirrten durch die Stadt - für
Frau Barschel und die übrige Familie muß es die
Hölle gewesen sein.

M.

Auch ich erinnere mich sehr gut daran und kann es kaum fassen, dass nun schon 25 Jahre vergangen sind.

Ich habe von Anfang an keine Sekunde geglaubt, dass Uwe Barschel sich das Leben genommen hat.

Bis heute habe ich nicht verstanden, warum die deutsche Staatsanwaltschaft sich mit den haarsträubend fehlerhaften Ermittlungen seitens der Schweizer einfach so zufrieden gegeben hat.

Pippa

Soviel ich weiss, wurde ja auch in diesen Jahren immer wieder Spuren untersucht, die von Frau Barschel und einigen anderen aufgezeigt waren - es kam aber nicht viel raus dabei. Was würde es eigentlich ändern, wenn nach so vielen Jahren nun ein anderer Todesgrund ersichtlich würde? Kann und sollte man Herrn Barschel, der ja auch seinerzeit genügend Dreck am Steckn hatte - z.B. sein Ehrenwort - nicht endlich ruhen lassen?Und die Schweizer haben doch auch nur damit zu tun, weil er in einer Genfer Badewanne tot aufgefunden wurde.Olga

Pippa, nachdem ich das Video gesehen habe (s.2. Link!) glaube ich der Mordtheorie auch eher. Und im Gespräch mit dem damals ermittelnden Staatsanwalt (s.1. Link!) sagt dieser ganz deutlich, dass er sich über die Untätigkeit des Generalbundesanwalts wunderte, der bei einer solch wichtigen politischen Person wie Barschel es war, nicht den Fall an sich zog.
Die Schweizer Behörden kann ich verstehen, sie wollten mit einem eventuell politischen Mord an einem Ausländers nichts zu tun haben.

Es darf weiter spekuliert werden, weil die Akte Barschel ja geschlossen bleibt. Die Untätigkeit der deutschen Behörden könnte auch darauf beruhen, dass Barschel kurz vor seinem Tod sagte: „'Wenn die in Bonn mich fallen lassen, dann werden sie mich kennenlernen.' Er hat auch gedroht, vor dem Untersuchungsausschuss auszupacken." (s. Link 1!)
Das Buch des Oberstaatsanwalts Wille darf nun doch erscheinen. Ob es nach dieser langen Zeit noch großes Interesse findet, sei dahin gestellt.

Clara

Olga, für die Familie wäre es wahrscheinlich wichtig, die Todesursache zu erfahren. Frau und Bruder können sich bis heute keinen Suizid vorstellen, zumal Barschel noch kurz vor seinem Tod von Plänen für die Zukunft sprach. Aber auch bei Mord müssten die Verwandten nach dem Warum fragen. Es kursierten ja Gerüchte, die Barschel mit Waffenhandel und mehr in Verbindung brachten. Und wer darin involviert ist, lebt gefährlich.

Clara

Ich habe den Fall B. damals ganz genau verfolgt und erinnere mich noch an die völlig unerfahrene ermittelnde Staatsanwältin. Ich glaubte damals und damit stand ich sicher nicht allein, dass man sie vorsätzlich auf diesen Fall angesetzt hatte.
Dieses eigenartige "Desinteresse" aller ermittelnden Behörden hat mich damals sehr stutzig gemacht.

Uwe Barschel war eine öffentliche Person und als MP sicher auch ein Geheimnisträger, und doch wurde diesem Tötungsdelikt weniger Aufmerksamkeit zuteil, als sie einem ganz normalen Bundesbürger zuteil geworden wäre.

Allein dieser Mangel an Aufklärungswillen spricht Bände.
Pippa

Kleine Anekdote: Bei diesem Film über die Barschel-Affäre hatte ich eine kleine Statistenrolle als Filmvorführer... Die drehten damals in der Filmpalette in Köln, einem kleinen historischen Kino, und ich saß zufällig im Café "Daneben" direkt daneben, da hat mich jemand angesprochen, ob ich schnell mit ein paar Filmrollen im Arm durchs Bild laufen könnte - ich war mächtig stolz... (Ich glaub das war 1991)



bf

Was Du schreibst, Pippa, war auch ganz mein Eindruck! Das stoisch ablehnende Verhalten der Staatsanwältin wurde damals auch in den Medien als - man kann schon sagen - skandalös empfunden. Ich dachte sogar an eine Beeinflussung irgend welcher Art dieser Frau von außen. Ob es Angst bei ihr war, wie Einige vermuteten? Alles sehr rätselhaft, aber wie Wille im Interview sagt, wenn es Mord war, könne nur der Täter dies in einer Art Lebensbeichte bestätigen.

Clara

@ Buchfreund: Danke für die Ergänzung!

Ich kann ein wenig diese Familie verstehen - aber tragen die nicht generell hart an dem Los, dass ein ehemaliger Nachwuchs-Politiker mit guter Zukunftsperspektive aufgrund eigener, verursachter Skandale so tief gesunken ist? Ich weiss auch nicht, ob es so viel angenehmer wäre, die Trauerarbeit mit dem Faktum abzuschliessen, dass er zudem noch Waffenhändler war. Ist es nicht wirklich besser, irgendwann Sachen ruhen zu lassen - wenn man z.B. die tapferen Menschen betrachtet, deren Kinder (völlig unschuldig) missbraucht und umgebracht wurden? Auch diese mussten den Weg gehen und schaffen es anscheinend auch - der Überlebenswille ist doch der stärkste menschliche Motor, wie ich glaube. Olga