Forum Politik und Gesellschaft Religionen-Weltanschauungen Kritische Gedanken zum Monotheismus

Religionen-Weltanschauungen Kritische Gedanken zum Monotheismus

diogenes
diogenes
Mitglied

Re: noch ein Buchtip ...
geschrieben von diogenes
als Antwort auf felix vom 21.05.2008, 00:53:55
Grüß Dich, Felix,

Dein positives Echo auf meine Anmerkungen freut mich und ich will gerne dem Vorschlag folgen, das Thema in der angedeuteten Weise einzuschränken.
Die Frage von Dir ist behutsam formuliert, ich fürchte, daß wir dennoch nicht über dem Berg sind:

cit.: Die meisten Religionen, die mir bekannt sind, vertreten eigentlich eine durchaus menschenfreundliche Ethik.
Die Wirklichkeit weicht allerdings stark von den Idealen ab, die in den "heiligen" Schriften propagiert werden.


In einem Vieraugengespräch würde ich sagen: 'der Sinn Deiner Frage ist angekommen, wir machen uns ein paar Gedanken dazu'. In unserem Gesprächsumfeld sollten wir einschränkend bemerken, daß wir wohl einige Religionen aufzählen könnten, das geschichtliche und aktuelle Umfeld der meisten jedoch nur unzureichend kennen und wir aufgrund unserer Zugehörigkeit zu einem gemeinsamen Kulturkreis gerade mal Erfahrungen mit christlichen, vielleicht noch jüdischen und islamischen Organisationen einschließen können. Wir können uns auch darauf einigen, daß nach unserem Wissenstand die uns bekannten Religionen Standards formulieren und versuchen, zu praktizieren, die die Lebensbedingungen, zumindest derer, die ihnen angehören, positiv beeinflussen wollen und somit über eine 'menschenfreundliche Ethik' vertreten, wenngleich in den Standards untereinander keine volle Übereinstimmung zu beobachten ist.
Der schon erwähnte Hans Küng hat in dem von Marina angeführten Projekt 'Weltethos' hierzu einen beachtlichen Überblick erarbeitet - ich konnte leider die neueren Entwicklungen nicht mehr verfolgen.

Nun zu Deinem Einwand: im Einflußbereich religiöser Organisationen treffen wir immer wieder gesellschaftliche Verhältnisse oder Handlungen an, die in einem offensichtlichen Widerspruch zu den Standards stehen, die die jeweilige Religion vertritt und lehrt. Dieser Widerspruch ist zwar kein vollständiger, abweichende, wie auch konforme Beispiele haben wir in den vorausgegangenen Beiträgen angeführt. Ob es alle Religionen betrifft, können wir momentan nicht klären, doch es stellt sich die Frage, ob dieser Widerspruch in den Religionen als solcher begründet ist, durch ihre Eigenarten verursacht wird.

Da müssen wir uns mal umschauen, ob es Organisationen gibt, die gleichfalls menschenfreundliche Standards in unserem Sinne propagieren, jedoch nicht zu den religiösen gerechnet werden. Neben vielen, die sich relativ eng gefaßten, humanitären Zielen verpflichtet haben und nur bedingt mit den religiösen verglichen werden können, sind wohl politische Parteien als Beispiele einigermaßen geeignet: unter dem Aspekt unserer Fragestellung haben sie einen vergleichbar umfassenden Einfluß auf die Lebensbedingungen in einer Gesellschaft und sind der öffentlichen Beobachtung ebenso zugänglich. Ich brauche nicht zu erwähnen, daß sie in vielen anderen Merkmalen keinesfalls den Religionen gleichzusetzen sind. Wir wollen lediglich prüfen, ob bei ihnen dieser hier interessierende Widerspruch zwischen ihren Standards, die in Parteiprogrammen und öffentlichen Aussagen formuliert werden, und dem, was sie handelnd erkennen lassen, prinzipiell nicht vorkommt. Allein der Hinweis auf Spenden-, Korruptions- und Lügenskandale dürfte zu einer ersten Beantwortung ausreichen.

Vielleicht mag einer die Gegenprobe machen: gibt es irgendwo eine Organisation, die sich der Verwirklichung einer menschlichen Ethik verpflichtet hat und diesem Widerspruch prinzipiell nicht unterliegt.
Selbstverständlich habe ich nicht aus dem Auge verloren, daß eine Vielzahl der hier nicht erwähnten Institutionen, wie auch die erwähnten, in hohem Maße Leistungen im Einklang mit ihren Standards erbringen und zum Wohlergehen in den verschiedenen Gesellschaften beitragen.
Der angesprochene Widerspruch indes scheint kein typisches, auf religiöse Organisationen begrenztes Merkmal zu sein.

Wir können uns auch mal der individuellen Sichtweise zuwenden, wie Du's vor wenigen Tagen vorgeschlagen hast.
In uns drin treffen wir auch auf Ideale, Maßstäbe etc., die wohl durch Erziehung, Einsichten, Nachdenken und was auch immer dort sich zusammengefunden haben, und oft stehen sie auch im Einklang mit der 'menschenfreundlichen Ethik'. Sind deshalb unsere Handlungen in jedem Fall ebenso im Einklang mit den Idealen? Sicher! - im allgemeinen schon , doch es tauchen bisweilen schon mal so Interessen auf, die dazu querlaufen, Sachzwänge, ungute Gefühle, die einen mies werden lassen ..., jedenfalls man tut nicht unbedingt das, was den eigenen Standards gemäß wäre. Unser Wegbegleiter, der Widerspruch ist auch hier gegenwärtig.

Aber selbst, wenn wir anerkennen, daß das Abweichen von den Idealen nicht nur bei den Religionen anzutreffen ist, steht dennoch die Frage offen, warum es den Religionen oftmals vehementer angekreidet wird, als anderen. Ich vermute, daß dabei auch eine Erwartungshaltung mit schwingt, bei der die Religionen assoziiert werden mit etwas, das wir als die Vorstellung von einem 'Absoluten', 'Vollkommenen' beschreiben können. In diesem Umfeld muß dann eine Verletzung von Idealen besonders schwer wiegen. Da schleicht sich dann schon auch mal eine Enttäuschung ein.

ein letztes Zitat von Felix: An ihren Taten sollt ihr sie erkennen ... und nicht an ihren frommen Sprüchen!

Das will ich mir nun zu Herzen nehmen, die Sprüche zur Seite legen, fromm waren sie gerade nicht,
und zur letzten Tat des Tages wechseln

wünsch' Euch eine gute Nacht!


--
diogenes
felix
felix
Mitglied

Re: noch ein Buchtip ...
geschrieben von felix
als Antwort auf diogenes vom 22.05.2008, 23:31:16
Es ist jetzt schon recht spät und ich war auch schon vor 7 auf den Beinen. Ich habe deinen ausführlichen Beitrag gelesen .... gehe aber später einmal darauf ein.
Gute Nacht!
--
felix
Karl
Karl
Administrator

Die Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit
geschrieben von Karl
als Antwort auf diogenes vom 22.05.2008, 23:31:16
Guten Morgen Diogenes,

ich muss sagen, es ist ein Genuss deine Beiträge zu lesen. Doch, Lob muss auch einmal sein Du hast dich offensichtlich über die Jahrtausende in deiner Tonne von einem Z(K)yniker zu einem ausgleichenden, ruhig argumentierenden Menschen entwickelt.

Du stellst die Frage, warum den Religionen - oder besser gesagt, ihren Vertretern - Fehlverhalten stärker angekreidet wird als anderen, obwohl es ein allgemein menschliches Charakteristikum ist, den eigenen Ansprüchen nicht immer zu genügen. Ich würde deine bereits geäußerte Vermutung, dass es die Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit ist, bestärken. Wenn jemand explizit ständig besonders fromm und menschenfreundlich tut und den anderen "Sündern" Sanktionen wie ewige Verdammnis androht, nimmt man es ihm eben besonders übel, wenn er sich an die aufgestellten Maßstäbe nicht hält. Dies betrifft zumindest den einzelnen Religionsvertreter.

Felix hat darüber hinaus die Frage formuliert, ob den monotheistischen Religionen die Intoleranz nach außen immanent sei. Aus eigener leidvoller (Jugend-)Erfahrung bin ich nicht geneigt, diese Vermutung sogleich vom Tisch zu wischen. Ich habe - zwar nicht bei meinem pietistischen Vater selbst - aber in seinem pietistischen Umfeld religiösen Fanatismus und Intoleranz hautnah erlebt.

Mit meiner Frau Margit, die Latein und Geschichtslehrerin ist, habe ich die Frage diskutiert, warum die Juden und Christen von den Römern verfolgt wurden. Die Juden, so sagt sie, wurden nicht verfolgt, sondern sie waren permanent aufständig und haben keine Steuern bezahlt. Deshalb wurden sie ähnlich wie Korinth und Karthago mit Krieg überzogen. Die Religion spielte von römischer Seite aus keine Rolle. Die Christen in Rom wurden verfolgt, weil sie nicht dem (Gott-)Kaiser geopfert haben und die Staatsgöttern nicht anerkannten und sich damit außerhalb des Staates stellten. Hätten sie die Opfer erbracht, wären sie mit ihrer Religion geduldet worden. Der Monotheismus der Christen war gleichbedeutend mit der Ablehnung der damaligen Staatsräson. Ich möchte anfügen, dass diese Aussagen keine positive Wertung des Verhaltens der Römer darstellen, sondern nur die damalige Sicht der Römer erläutern.

Es scheint also so, dass eine polytheistische Religion keine Probleme hat, neue Götter zu integrieren, aber eine monotheistische Religion kann per Definitionem keine anderen Götter neben sich dulden. Insofern trägt der Monotheismus schon den Keim der Intoleranz in sich. Das erleben wir heutzutage besonders aktuell bei manchen Vertretern der jüngsten monotheistischen Religion, des Islams, obwohl auch er, ähnlich wie das Christentum sehr viele unterschiedliche Strömungen beherbergt, die in ganz unterschiedlicher Weise zwischen den Polen von Toleranz und Intoleranz gegenüber anderen Denkrichtungen anzusiedeln sind.

--
karl

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Re: Die Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf Karl vom 23.05.2008, 08:13:37
Ich finde auch, dass es ein Genuss ist, die Beiträge von Diogenes zu lesen, weil man immer etwas daraus lernen kann. Aber auch deinen, Karl, letzten Beitrag fand ich sehr interessant.
Auf Grund meiner christlichen Erziehung ist mir sogar ein Bibelspruch eingefallen , z. B. wie Jesus die Praxis, keine Steuern zu bezahlen, kritisiert hat mit den Worten „Gebet denn dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist“, hier eine Quelle zum Nachlesen Matthäus 22http://ev-kirche-eupen-neumoresnet.org/bibel/ue/matt22.html, Z. 17-22.
Was allerdings die Intoleranz der monotheistischen Religionen allgemein betrifft, so kann man den Islam mit dem Christentum wirklich nicht gleichsetzen, da die herrschende Lehre im Islam immer noch die ist, dass keine historisch-kritische Exegese erfolgen darf wie im Christentum, wo inzwischen eine Menge durch diese Praxis revidiert wurde und bei der Auslegung immer der historische Hintergrund zugeordnet wird, weshalb die Bibel im allgemeinen nicht mehr wörtlich genommen wird, außer bei den Fundamentalisten, zu denen dein Vater vielleicht gehörte? Dass man dadurch abgeschreckt wird, ist völlig klar, das würde mir auch so gehen. Ich habe in dieser Hinsicht eine ganz andere Erziehung genossen, nämlich eine, in der mir die Lehre positiv vermittelt wurde, als eine 'menschenfreundliche Ethik', ähnlich wie Diogenes es beschreibt. Und ein Gott nicht als drohendes Schreckgespenst, vor dem ich Angst haben muss. Und wenn ich mir vor Augen führe, wie mein Vater sich verhalten hat, dann sehe ich durchaus eine Umsetzung dessen, was er mir vermittelt und an was er geglaubt hat, in seinem Leben. Vielleicht ist das der Grund, warum ich manchmal empfindlich reagiere, wenn so undifferenziert auf Religionen draufgekloppt wird. Weil ich es tatsächlich ganz anders erlebt habe, als es hier immer wieder dargestellt wird.
Allergisch bin ich allerdings auch gegenüber den Frömmelnden und Selbstgerechten, die meinen, Sonderrechte im Himmel erworben zu haben und Andersdenkende disqualifizieren, mit denen kann man mich jagen. Da sind mir allemal die Atheisten lieber. D. h. eigentlich sind mir die Extreme in beiden Lagern unsympathisch. Gerade gestern habe ich im Radio gehört, wie jemand in einem Interview (ich weiß leider nicht, wer, weil ich es nur beim Putzen aufgeschnappt habe) sagte, man solle unterscheiden nicht zwischen Gläubigen und Ungläubigen, sondern die Atheisten sollten sich verbünden mit den Christen und umgekehrt, wenn es um ethisches Handeln geht, z. B. bei Hilfe in Katastrophen, wenn die NGO's sich mit kirchlichen Organisationen zusammentun in ihrer Hilfe (wie gerade jetzt in Myanmar und China) oder bei Menschenrechten etc. Das ist ganz genau der Standpunkt, den ich vertrete. Es geht nicht um die reine Lehre, sondern um ethisches Handeln, gleichgültig auf welcher Grundlage es beruht. Und da gibt es Christen und Atheisten, die an einem Strang ziehen können. Das ist allerdings schwierig, wenn die einen die anderen verteufeln und die Atheisten den Christen nur Heuchelei und Unglaubwürdigkeit oder die Christen den Atheisten ihren Unglauben vorwerfen. Beides ist von Übel und bringt die Menschheit nicht weiter.
--
marina
dutchweepee
dutchweepee
Mitglied

Re: Die Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit
geschrieben von dutchweepee
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 23.05.2008, 12:42:15
@marina

ich verstehe dich nicht ganz. wenn jemand hilfe braucht und ich kann zupacken, frage ich doch nicht zuvor, woran er glaubt. mir ist pillepalle, was die menschen denken, glauben, beten, träumen - wenn sie hilfe brauchen wird geholfen. es ist also in meinen augen unfug auf ein "bündnis" zwischen atheisten und gläubigen zu hoffen, wenn allein der HUMANISMUS (der uns alle leiten sollte) unser handeln regiert.

diogenes
diogenes
Mitglied

Re: Die Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit
geschrieben von diogenes
als Antwort auf dutchweepee vom 23.05.2008, 19:59:14
lieber dutch,

Deinem ersten Satz:

ich verstehe dich nicht ganz. wenn jemand hilfe braucht und ich kann zupacken, frage ich doch nicht zuvor, woran er glaubt. mir ist pillepalle, was die menschen denken, glauben, beten, träumen - wenn sie hilfe brauchen wird geholfen.

stimme ich uneingeschränkt zu und halte dies im praktischen Leben ein, jedoch leider mit gelegentlichen kleinen Pannen, die ich oben beschrieben habe

bei Deinem zweiten Satz können wir uns etwas mehr Zeit lassen:

es ist also in meinen augen unfug auf ein "bündnis" zwischen atheisten und gläubigen zu hoffen, wenn allein der HUMANISMUS (der uns alle leiten sollte) unser handeln regiert.

und mit dem alten Sokrates sagen: heute sind wir noch nicht ganz schlau geworden. Wir reden morgen darüber weiter.

herzlichen Gruss

--
diogenes

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Re: Die Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf dutchweepee vom 23.05.2008, 19:59:14
@marina

ich verstehe dich nicht ganz. wenn jemand hilfe braucht und ich kann zupacken, frage ich doch nicht zuvor, woran er glaubt. mir ist pillepalle, was die menschen denken, glauben, beten, träumen - wenn sie hilfe brauchen wird geholfen. es ist also in meinen augen unfug auf ein "bündnis" zwischen atheisten und gläubigen zu hoffen, wenn allein der HUMANISMUS (der uns alle leiten sollte) unser handeln regiert.



Genau das hatte ich ja gemeint, ist das so schwer zu verstehen? Dass dieser Antagonismus, der auch hier immer wieder hergestellt wird, etwas künstlich Geschaffenes ist und nicht weiterführt, wenn es um ein gemeinsames Ziel geht.
Manchmal wundere ich micht wirklich, wieso ich so unverständlich rüberkomme, weil ich eigentlich der Meinung bin, mich verständlich auszudrücken.
--
marina
felix
felix
Mitglied

Re: Die Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit
geschrieben von felix
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 23.05.2008, 21:35:24
Wundert dich das wirklich? ... Marina ... mich nicht. Ich erinnere dich nur z.B. an deinen fragwürdigen Beitrag vom 18.05.08, 22.59 ! Mir ist bis jetzt auch nicht klar geworden, was ich von deinen Äusserungen wirklich halten soll?!
--
felix

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