Religionen-Weltanschauungen Wahres Mensch-/Christentum

Sirona
Sirona
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Wahres Mensch-/Christentum
geschrieben von Sirona
Luise Rinser schrieb in einem ihrer Tagebücher folgendes:
Mein Sohn, er war ein guter Mensch. Er tat Gutes, das zu tun ich nicht fähig war. Einmal brachte er ein paar „Stadtstreicher“ (wie man sie damals nannte) mit in die Wohnung und machte ihnen ein Weihnachts-Essen. Ein andermal brachte er einen Halbgelähmten mit, den er in einem Schwabinger Beisel kennengelernt hatte. Der Mann war dreckig und stank nach Urin. Stephan trank mit ihm und fragte ihn dann: „Sag mal, wer bringt dich denn aufs Klo?“ Der Mann sagte: „Manchmal tuts einer.“ „Und wer wäscht dich?“ „Niemand“. Da packte Stephan ihn samt Rollstuhl in sein Auto und nahm ihn mit sich in unsere Wohnung. (Ich war in Rocca). Wie er ihn über die Treppen hochbrachte, weiß ich nicht, ich nehme an, er trug ihn. Und dann setzte er ihn in die Badewanne und schrubbte ihm den alten Schmutz ab und dann kleidete er ihn frisch ein mit seinen eigenen Sachen.
Als er es mir so beiläufig erzählte war mir ehrlich gesagt nicht wohl. Wenn der Mann nun krank war? Mich ekelte vor meiner Badewanne, auch wenn Stephan sie blitzsauber geputzt hatte. Dennoch – ich dachte an Caterina von Siena, die die eitrigen Wunden Kranker küsste, und ich dachte an Franziskus von Assisi, der einen Leprakranken umarmte. Ich kann das nicht.


Als ich diese Zeilen im Buch „Kunst des Schattenspiels“ gelesen hatte, überfiel mich ein gewisses Unbehagen und ich fragte mich, wie hätte ich gehandelt? Hätte ich es fertig gebracht, einen stinkenden, verwahrlosten und heruntergekommenen Menschen aufzunehmen, einen Menschen den ich nicht kenne, zu speisen und zu pflegen? Was macht einen Menschen fähig sich über alle Schranken hinwegzusetzen und ungeachtet des eigenen Wohlbefindens anderen zu helfen?

Sirona
JuergenS
JuergenS
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Re: Wahres Mensch-/Christentum
geschrieben von JuergenS
mich macht es auch sprachlos, dass es solche Menschen gibt, die den "Nächsten" über alles stellen.

Bin gespannt, wie es euch geht, vor allem denen, die immer zu kommentieren in der Lage sind.

hmmmmmmmmmm
justus39
justus39
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Re: Wahres Mensch-/Christentum
geschrieben von justus39
als Antwort auf Sirona vom 11.04.2015, 08:36:27
Es ist jedes Menschen Pflicht, einem Anderen, der sich in Gefahr befindet, zu helfen, sofern er damit nicht sein eigenes Leben riskiert.
Es ist auch die Pflicht eines Christen, mit dem Hungrigen sein Brot zu teilen.
Ich würde auch gern einem Frierenden meine Kleidungsstücke anbieten, die mir zu eng geworden sind.
Einen Verschmutzten zu baden brächte ich wahrscheinlich auch nicht fertig, aber ich könnte ihn zu einem öffentlichen Bad begleiten und es ihm finanzieren.

Ich bewundere aufopferungsvolle Menschen, die sich völlig und mit allen Mitteln den Bedürftigen widmen, aber ich befürchte auch, dass ihre Nächstenliebe sehr bald gewissenlos ausgenutzt werden könnte.

justus

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hema
hema
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Re: Wahres Mensch-/Christentum
geschrieben von hema
als Antwort auf justus39 vom 11.04.2015, 17:23:08
aber ich befürchte auch, dass ihre Nächstenliebe sehr bald gewissenlos ausgenutzt werden könnte.


Wenn man so denkt, dann ist es besser erst gar nicht anzufangen.
JuergenS
JuergenS
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Re: Wahres Mensch-/Christentum
geschrieben von JuergenS
Ich denke aber, dass Justus das schildert, was fast alle so sehen und das handeln bleiben lassen, also ehrliches geschildert.

Vielleicht werden wir aber noch von jemanden hier eines besseren belehrt, denn sonst wäre die Welt ja ein Stück trauriger als sie sein sollte.
dutchweepee
dutchweepee
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Re: Wahres Mensch-/Christentum
geschrieben von dutchweepee
als Antwort auf JuergenS vom 11.04.2015, 18:06:57
Aus meinem Ort ist eine engagierte Christin seit vielen Jahren in Sierra Leone mit einem mobilen Krankenhaus im Kampf gegen die Cholera unterwegs. Im ärmsten Land der Welt kann sie kaum das Nötigste helfen und manchmal ist es schon der Versuch der heilt. Selbst die Ebola-Epedemie konnte sie nicht von dort vertreiben.

Ab und zu ist sie auch hier zu Hause und wir versuchen sie und den CVJM mit unseren Mitteln (Magazin/Werbung/PR) mit aller Kraft zu unterstützen, aber diese entbehrungsreiche Arbeit im schlimmsten Teil von Afrika könnte ich nicht leisten.

Ich habe mit dem Botschafter von Sierra Leone gesprochen und er sieht nicht mal eine geringe Chance für die Sicherheit dieser Ärzte zu sorgen. Sie machen das selbstlos auf eigene Verantwortung und sind nur ihrem Gewissen verantwortlich. Ich habe größte Hochachtung vor Susanne Schröder und den "Driving Doctors".

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justus39
justus39
Mitglied

Re: Wahres Mensch-/Christentum
geschrieben von justus39
als Antwort auf hema vom 11.04.2015, 18:02:11
aber ich befürchte auch, dass ihre Nächstenliebe sehr bald gewissenlos ausgenutzt werden könnte.
geschrieben von hema


Wenn man so denkt, dann ist es besser erst gar nicht anzufangen.

Nein ich bin bereit zu helfen, wo Hilfe nötig ist, das habe ich auch so geschrieben und auch schon oft getan, und so und nicht anders will ich es auch verstanden wissen.

Aber ob man jedem Menschen nun gleich zumuten kann, Fremde mit nach Hause zu nehmen, sie zu baden, zu speisen, sie einzukleiden und ihnen sein Bett anzubieten, das wage ich doch zu bezweifeln, und ich glaube auch nicht, dass jeder von Euch dazu bereit ist.

justus
pippa
pippa
Mitglied

Re: Wahres Mensch-/Christentum
geschrieben von pippa
als Antwort auf dutchweepee vom 11.04.2015, 18:26:32
Solch eine Nächstenliebe ist für mich völlig unerreichbar.

Ich bin schon froh, dass ich niemals meinem Nächsten etwas antun werde, was ich selbst nicht erleiden will (und auch nie angetan habe). Früher hatte ich deswegen oft ein schlechtes Gewissen.

Was ich allerdings immer im Rahmen meiner Möglichkeiten getan habe, das war Kinder zu unterstützen.
Darum habe ich auch seit vielen Jahren Patenkinder in der "dritten Welt".
Pippa
justus39
justus39
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Re: Wahres Mensch-/Christentum
geschrieben von justus39
als Antwort auf JuergenS vom 11.04.2015, 18:06:57
Ich denke aber, dass Justus das schildert, was fast alle so sehen und das handeln bleiben lassen, also ehrliches geschildert.

Vielleicht werden wir aber noch von jemanden hier eines besseren belehrt, denn sonst wäre die Welt ja ein Stück trauriger als sie sein sollte.

Ich habe nicht geschrieben, dass ich das Handeln bleiben lasse!
Es ist jedes Menschen Pflicht, einem Anderen, der sich in Gefahr befindet, zu helfen, sofern er damit nicht sein eigenes Leben riskiert.
Es ist auch die Pflicht eines Christen, mit dem Hungrigen sein Brot zu teilen.
Ich würde auch gern einem Frierenden meine Kleidungsstücke anbieten, die mir zu eng geworden sind.
Einen Verschmutzten zu baden brächte ich wahrscheinlich auch nicht fertig, aber ich könnte ihn zu einem öffentlichen Bad begleiten und es ihm finanzieren.

Das tue ich, und wenn Du mehr tust, ist es lobenswert!

justus
Sirona
Sirona
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Re: Wahres Mensch-/Christentum
geschrieben von Sirona
als Antwort auf justus39 vom 11.04.2015, 19:29:28
Mit Interesse habe ich Eure Kommentare gelesen, mit denen ich konform gehe.

Selbstverständlich ist nicht jeder in der Lage eine fremde Person zu sich ins Haus oder Wohnung zu nehmen, sie zu baden und zu verpflegen. Es ist auch ein sehr extremes Beispiel, das der Sohn von L.R. gegeben hat.
Ich würde wie Justus reagieren und bei einer entsprechenden Stelle Hilfe anfordern.

Außerdem weiß man in der heutigen Zeit auch nicht wen man sich evtl. ins Haus holt, ob der Mensch eine ansteckende Krankheit hat oder sogar kriminell ist. Natürlich verschließe ich meine Augen nicht vor Menschen, die in meinem Umfeld in Not sind und helfe soweit dies in meinen Kräften steht.

Vor Menschen wie Mutter Theresa, Albert Schweitzer, Franz von Assisi – um nur einige zu nennen – habe ich großen Respekt und Hochachtung und auch vor Menschen, die freiwillig in Krisengebiete gehen und dort ungeachtet möglicher Gefahren für Leben und Gesundheit sich zur Verfügung stellen. Auch möchte ich hier Ärzte auf Rädern erwähnen, die kostenlos Obdachlose und Bedürftige versorgen.

LG Sirona

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