Forum Politik und Gesellschaft Religionen-Weltanschauungen 2015: Wieder Ehrenmord an eigener Tochter

Religionen-Weltanschauungen 2015: Wieder Ehrenmord an eigener Tochter

Mareike
Mareike
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RE: 2015: Wieder Ehrenmord an eigener Tochter
geschrieben von Mareike
 
Wenn auch von 2008 ist dieses Positionspapier für mich hilfreicher als alles, was ich hier in Diskussionen zu dem Thema lesen konnte.

" Vielfach ist der Druck der Gemeinschaft, des Dorfes oder des Clans auf die Familie so groß, dass sich die Angehörigen gezwungen sehen, die „Ehre wiederherzustellen“, um nicht aus der Gemeinschaft ausgegrenzt zu werden. Häufig glauben die Familien, keine gesellschaftlich anerkannte Alternative zu haben, als zur „Selbstjustiz“ zu greifen und die Schande durch die Ermordung der Frau zu tilgen."
Edita
Edita
Mitglied

RE: 2015: Wieder Ehrenmord an eigener Tochter
geschrieben von Edita
als Antwort auf Mareike vom 19.02.2020, 11:29:58

" Vielfach ist der Druck der Gemeinschaft, des Dorfes oder des Clans auf die Familie so groß, dass sich die Angehörigen gezwungen sehen, die „Ehre wiederherzustellen“, um nicht aus der Gemeinschaft ausgegrenzt zu werden. Häufig glauben die Familien, keine gesellschaftlich anerkannte Alternative zu haben, als zur „Selbstjustiz“ zu greifen und die Schande durch die Ermordung der Frau zu tilgen."

Ach - und das wußtest Du bis jetzt nicht? Dann wirst Du auch nicht wissen, was hier aber schon behauptet und diskutiert wurde, daß aus o.a. Gründen Moslems aufgrund ihrer kulturellen Herkunft und Religion ein  "Rabatt" bei Ausführen eines Ehrenmord gewährt werden würde.
Außerdem kann ich mir nicht vorstellen, daß Marina zu diesem Thema noch keinen Bericht von AI eingestellt hat!

Edita
Karl
Karl
Administrator

RE: 2015: Wieder Ehrenmord an eigener Tochter
geschrieben von Karl
als Antwort auf Edita vom 19.02.2020, 11:52:00

@edita,

dass es keinen "Rabatt" bei uns gibt und auch nicht geben sollte, wurde aber doch schon dargelegt. Und nochmal: Nicht die Religion ist bestimmend, sondern die Einbettung in archaisch patriarchale Strukturen. Auch bei Christen in solchen Strukturen sind "Ehrenmorde" bekannt geworden.

Ich habe bei einer früheren Diskussion dieses Themas schon einmal den Anwalt Mehmet Gürcan Daimagüler, der wie ich im Siegerland (Nordrhein-Westfalen) aufgewachsen ist, zu Wort kommen lassen (Daimagüler war auch einer der Nebenkläger im NSU-Prozess):

 Ich habe erst kürzlich zu Ehrenmorden Mehmet Gürcan Daimagüler, ehemals im FDP-Vorstand aus seinem Buch " Kein schöner Land in dieser Zeit" hier im ST zitiert und kann dies hier verkürzt noch einmal tun.
Ist mal jemandem aufgefallen, dass in fast allen Fällen, bei denen türkischstämmige Menschen beteiligt waren , Opfer und Täter aus den kurdischen Gebieten der Türkei stammten?
...
In den klassischen kurdischen Siedlungsgebieten im Osten der Türkei und im Norden von Irak und Iran leben viele Religionsgemeinschaften Seite an Seite. Man findet kurdische Aleviten, Sunniten, Schiiten, aber auch Yeziden und Christen. In all diesen Religionsgemeinschaften kommt es immer wieder zu Ehrenmorden, auch unter Christen. Die Religion ist nicht das Entscheidende. Aber es herrscht in den kurdischen Gebieten noch immer ein strenger, archaischer Ehrenkodex. Quelle Seite 191
geschrieben von Daimagüler
Diese Aussagen zeigen, dass es schon hilfreich wäre, genau hinzuschauen. Daimagüler wünscht sich, dass in diesen Gebieten mehr für die kulturelle Entwicklung und Aufklärung investiert wird. Innerhalb Deutschlands wünscht er sich eine verbesserte Integration dieser Menschen und deren Hinführung auf das in Deutschland geltende Grundgesetz. Aber da geschehe zu wenig und er addiert frustriert:
Denn es geht ja nicht um die Lösung eines Problems, sondern darum, das Feindbild des Moslems zu zeichnen. Jetzt, wo immer mehr Migranten Deutsche werden oder sind, brauchen Xenophobe aller Couleur ein neues Ausgrenzungsmerkmal , etwas, was uns von der Mehrheit unterscheidet, und das ist die Religion
...
Da stehen seriöse Meinungsführer in diesem Land ... und schwadronieren über "kulturelle Inkompatibilitäten".
Man müsste in diesem Zusammenhang nur "Kultur" durch "Rasse" ersetzen und heraus käme ein Text, den fast alle in Deutschland brandmarken würden. Deswegen wird ja auch von Kultur und nicht von Rasse gesprochen. Quelle Seite 192
geschrieben von Daimagüler

Ich würde mir in diesem Sinne wünschen, real existierende Problemfelder würden angepackt und gelöst, ohne wieder die große pauschale Keule gegen alle Mitglieder einer Religionsausrichtung zu schwingen.

Karl
Finde mein Beitrag von 2015  passt auch in diesen Thread.

Karl

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pippa
pippa
Mitglied

RE: 2015: Wieder Ehrenmord an eigener Tochter
geschrieben von pippa
als Antwort auf Karl vom 19.02.2020, 11:58:12

Ich schrieb bereits vor ein paar Jahren, dass es für mich keinen Unterschied macht weswegen ein Mensch glaubt dem anderen das Leben zu nehmen, es sei denn es handelt sich um Notwehr.

Dazu gehört für mich sogar, wenn jemand dieses billigend in Kauf nimmt, wie zB bei illegalen Autorennen.

Für Mörder sollte das Strafmaß stets lebenslänglich sein, egal welche Motive er geltend macht.

In Deutschland ist nach meiner Information „Wiederherstellung der Ehre (besonders widerlich) durch Selbstjustiz“ verboten.

Gerichtsurteile, die so etwas als strafmildernd  einbeziehen, müssten hinterfragt werden.
Pippa

Edita
Edita
Mitglied

RE: 2015: Wieder Ehrenmord an eigener Tochter
geschrieben von Edita
als Antwort auf pippa vom 19.02.2020, 12:16:09

Pippa - solche Gerichtsurteile gab es nicht, das wurde damals in dem Thread "nur" behauptet!

Edita

aixois
aixois
Mitglied

RE: 2015: Wieder Ehrenmord an eigener Tochter
geschrieben von aixois
als Antwort auf Mareike vom 19.02.2020, 11:29:58

@mareike

ich habe in verschiednen "Kulturkreisen" gelebt und dort real mitverfolgen können bzw. bestätigt bekommen, was ich vorher eher intuitiv-theoretisch hinterfragt bzw vermutet hatte: tradierte Sitten/Gebräuche/Verhaltensweisen haben in ihren Ursprüngen einen 'rational' nachvollziehbaren Grund. Der mag uns in unseren aufgeklärten,  historisch unterschiedlich entwickelten Gesellschaften oft als grausam-archaisch vorkommen.

Was den sog.Ehrenmord angeht, so ist es zu kurz gegriffen, wenn dafür nur der Islam oder das Patriarchat herangezogen werden. Ehrenmorde gab es lange vor dem Islam, es gibt ihn auch heute noch in anderen Religionen.

Wichtig - so verstehe ich es - war ursprünglich die (in der Natur des Menschen angelegte) Sorge um die  Reproduktion, d.h. der Erhalt der Familie, der Sippe, des Stammes. Nur unter dessen Schutz war es dem Einzelnen möglich unter widrigen Umständen zu überleben. Dazu gehörte auch, dass man die Frau, vor allem die gebärfähige, als Garant der Reproduktion zu schützen, abzuschirmen hatte. In kämpferischen Auseinandersetzungen wurden die Frauen des Gegners vergewaltigt bzw. entführt ('geschändet', d.h. 'ehrverletzt'), was dann meist das Ende des Klans bedeutete, auch wenn noch viele Krieger überlebten.

Diese Schutz-Aufgabe oblag den Männern, die daneben  quasi als Patriarchen, das wirtschaftliche Auskommen, der Familien sichern mussten (allein schon , weil sie sich in der Öffentlichkeit freier bewegen konnten), für die sie verantwortlich waren. Wer diesen aus dem gemeinschaftlichen Zusamenleben entstandenen Überlebenskodex respektierte, dem wurde "Ehre" zuteil, dem brachte man Vertrauen entgegen, der gehörte zum Clan. Der Patriarch musste Fehlverhalten sanktionieren (übrigens nicht selten unter erheblichem Druck der meist älteren Frauen in der Familie, die als wichtige Kulturträgerinnen mindestens ebenso wie der Mann auf die Einhaltung der Regeln achteten), wollte er nicht der Familie schaden, sie isolieren, von der Gemeinschaft ausschliessen und damit ins Elend stossen. So gesehen, waren die Sanktionen Massnahmen zur Durchsetzung des (ungeschriebenen) Stammesgesetzes. Eine Auffassung,  die auch heute noch von, im Auftrag der Familie handelnden,  "Ehrenmördern" vertreten wird, die das "Stammesgesetz" höher schätzen als die kodifizierte Rechtsordnung, die sich mit der Bewertung des Ehrenmordes immer noch etwas schwer tut (mildernde/verschärfende Strafgründe).

Solche Sanktionen bis hin zur Tötung konnten auch Männer treffen, wenn sie Grenzen der Schutzmechanismen der Frauen überwandten (wie z.B. in ein Frauenzelt gehen, um dort, beabsichtigt oder nicht,  die Frauen, d.h. ihr Gesicht, unverhüllt zu sehen).









 


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Mareike
Mareike
Mitglied

RE: 2015: Wieder Ehrenmord an eigener Tochter
geschrieben von Mareike
als Antwort auf Karl vom 19.02.2020, 11:58:12

Für mich passt es nicht so recht im jetzigen Kontext.
Olga verwies auf einen Film, ein dokumentarischer Film aus der Sicht des Opfers.
Ich habe diesen Film gesehen und er hat mich sehr berührt.

Drum zitiere ich jetzt einige Sätze aus Deinem verlinkten Beitrag aus dem Jahe 2015:

"Diese Aussagen zeigen, dass es schon hilfreich wäre, genau hinzuschauen. Daimagüler wünscht sich, dass in diesen Gebieten mehr für die kulturelle Entwicklung und Aufklärung investiert wird. Innerhalb Deutschlands wünscht er sich eine verbesserte Integration dieser Menschen und deren Hinführung auf das in Deutschland geltende Grundgesetz. Aber da geschehe zu wenig und er addiert frustriert:

Denn es geht ja nicht um die Lösung eines Problems, sondern darum, das Feindbild des Moslems zu zeichnen. Jetzt, wo immer mehr Migranten Deutsche werden oder sind, brauchen Xenophobe aller Couleur ein neues Ausgrenzungsmerkmal , etwas, was uns von der Mehrheit unterscheidet, und das ist die Religion."
Im Film wird kein Feindbild konstruiert sondern der Film vermittelt, wie die Struktuen in diesen "Familienclans" sind und wie schwierig, fast unmöglich, es ist für die Frauen sich aus diesen Strukturen zu lösen.

Es sollte uns doch um die Lösung eines Problems gehen.
Dann ist es doch unsere Aufgabe, darüber nachzudenken, wie "deren Hinführung auf das in Deutschland geltende Grundgesetz" in die Wege geleitet werden könnte.
Mareike
Mareike
Mitglied

RE: 2015: Wieder Ehrenmord an eigener Tochter
geschrieben von Mareike
als Antwort auf aixois vom 19.02.2020, 12:41:25

Danke Aixois
diese Antwort hätte ich mir 2015 gewünscht.
Ich zitiere den Eröffnungsbeitrag diese Threads:

" Die in Darmstadt getötete 19 jährige, pakistanischer Herkunft, ist mit höchster
Wahrscheinlichkeit von ihren eigenen Eltern , mit Tatbeteiligung
des Onkels und der Tante getötet wurden.
Nach neusten Informationen, soll der Auslöser der Tat der falsche Pass gewesen sein, so war die Ermordete die einzigste in der Familie
die einen deutschen Pass hatte.
Ihr Verlobter hatte ebenfalls die deutsche Staatsbürgerschaft, dass hat dem Familienclan scheinbar nicht gefallen, was sind das für Menschen die ihr eigenes Kind töten ?
Was hat so ein sinnloser Mord mit Ehre zu tun? "


 

RE: 2015: Wieder Ehrenmord an eigener Tochter
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf Mareike vom 19.02.2020, 11:29:58

Ein Mord ist ein Verbrechen aus niederträchtigem Grund. Die "Ehre der Familie" ist kein Entschuldigungsgrund, um Strafmilderung zu erhalten - warum auch immer. Sie sollte in unserem Kulturkreis eher als Strafverschärfend betrachtet werden.

Da die Opfer von Familienangehörigen, von denen man eigentlich "Schutz" erwartet, in die Falle gelockt werden, müßte auch die Strafverschärfung "besondere Schwere der Schuld" gelten.

Die Menschen sind zu uns gekommen um Schutz und Hilfe zu erhalten. Ein solcher Wunsch ist keine Einwegsache, er erfordert auch den Respekt unserer Rechts- und Wertevorstellungen. Das muß unmißverständlich klar sein. Es kann und darf keine parallelen Rechtsordnungen geben, hier in Deutschland gildet ausschließlich deutsches Recht. Und wer dagegen verstößt muß mit den Konseqenzen rechnen - bis hin zum Verlußt des Aufenthaltstitels nach Strafverbüßung. Unabhängig davon ob seine Herrkunft klar ist oder nicht.

Mareike
Mareike
Mitglied

RE: 2015: Wieder Ehrenmord an eigener Tochter
geschrieben von Mareike
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 19.02.2020, 14:36:12

Mein Anliegen ist es den Fokus auf die Opfer zu lenken. Sie werden von unserer Gesellschaft im Stich gelassen. Wir sind zu sehr mit unseren Befindlichkeiten befasst und kriegen kaum mit, was nebenan (Parallelgesellschaft) passiert.
Hier in NRW hat Innenminister Reul den arabischen Clans den Kampf angesagt: Politik der tausend Nadelstichen. Ich habe jedoch noch nichts davon gehört, dass der Schutz der Frauen auch auf der Agenda steht. Wohl Reuls Satz: "In der Landesregierung sind wir gerade dabei, Aussteigerprogramme für Kinder und Jugendliche aus dem Milieu zu erarbeiten. Die Zielgruppe dafür zu begeistern, das ist die schwierigste Aufgabe überhaupt." Immerhin Ansätze für eine andere Politik.
https://www.focus.de/politik/deutschland/politik-die-clan-chefs-riskieren-keine-dicke-lippe-mehr


Etwas Hintergrund: Die harte Realität

" Man wird in einen Clan hineingeboren und unterliegt seinen Regeln, Normen und Weltanschauung. "

" Eine Sensibilisierung zur Clanproblematik war im Gange, wurde aber durch den Einzug der Ideologie des Multikulturalismus gestoppt. Im Rahmen der Bekämpfung der Ausländerfeindlichkeit wollte man die ethnischen Minderheiten nicht stigmatisieren und diskriminieren, man zollte ihnen und ihrer Kultur Respekt, schließlich seien alle Kulturen gleichwertig. Es war politisch nicht mehr korrekt, andere Kulturen zu kritisieren und hinterfragen. Man wurde blind. Bis heute weigern sich viele Mulikulturalisten, die harte Realität so zu sehen, wie sie ist."

"Man muss den Multikulti-Schleier lüften, dann kommen die Lösungen von selbst. Die Clankriminalität kann man mit Polizei und Justiz allein nicht bekämpfen, weil sie an erster Stelle ein Integrationsproblem darstellt. Deshalb ist eine koordinierte Aktion zwischen allen Behörden notwendig, um die Clanstruktur zu sprengen und die Integration, die immer individuell geschieht, zu ermöglichen.

Diese Kooperation kann dann die Aussteiger aus dem Clan unterstützen und begleiten. Das sind einzelne Personen und Familien, die ihrem eigenen Weg folgen wollen, die soziale Isolierung und den sozialen Druck jedoch befürchten und vor allem Frauen, die ihr eigenes Leben führen wollen; sie werden vielfach von ihren Angehörigen bedroht."

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