Seniorentreff-Beitraege der alte Mann

eleonore
eleonore
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der alte Mann
geschrieben von eleonore
ich habe gerade entdeckt, das diese link zu buch nicht mehr funktioniert, deswegen stelle ich es nochmal rein, weil diese Geschichte für mich sehr wichtig ist.

Der alte Mann TEXT VORLESEN

Er wurde am 29.5.1889 geboren, in einem kleinen Ort in Ungarn.
Er hat den ersten Weltkrieg durchgemacht als Soldat, als der zweite kam, war er schon zu alt.
Was ihn nicht hinderte, ein Patriot zu sein, und ein glühender Nazihasser.
Er hatte ein Taxiunternehmen und drei Töchter, in einer kleinen Stadt nahe der österreichischen Grenze. Niemand erinnert sich mehr an diesen alten Mann, außer die Nachkommen der Geretteten und seine Familie.
Es geschah alles in Sopron, damals.

Er beobachtete all das Grauen, was um ihn geschah.
20 km von seiner Stadt entfernt war eine Zuckerfabrik, wo die Nazis Gefangene einpferchten, polnische Offiziere, die im Widerstand waren, und nach England wollten, es aber nicht gepackt hatten, und gefangen wurden. Kriegsgefangene, gequält, hungrig, frierend und müde vom Krieg.

Nicht weit von dieser Fabrik war ein kleines Gasthaus, und die Wirtin trat eines Tages in Verbindung mit dem alten Mann. Er habe doch Autos, ob er Leute in die Hauptstadt oder über die Grenze fahren würde.

Der alte Mann sagte ja, als er erfahren hatte, um was für Leute es ging.
Eines Tages tauchte jemand auf, ein gewisser Anton Kozina aus Danzig, bei Nacht und Nebel, wie es sich für ein konspiratives Treffen gehört.
Er bat den alten Mann auch um Hilfe, und er sagte auch zu ihm ja.

Und der alte Mann fing an zu organisieren. Seine beide ältere Töchter gingen auf eine Mädchenschule, auf den Nonnen unterrichteten. Die beiden Mädchen bettelten den Nonnen Kleider ab, und trugen sie nach hause. Irgendwann nachts klingelte es, es standen halberfrorene Menschen vor der Tür, Männer und Frauen, und Kinder.
Eine kleine Gruppe geflohener Juden, müde, verängstigt, voll Angst. Juden, die ihr Hab und Gut verkauften, dem Horror zu entkommen, sich wochenlang auf abenteuerlichen Wegen durchschlugen, bis zu diesem alten Mann.

In Schlafzimmer des alten Mannes war eine Nische. mit vereinten Kräften schob man einen Schrank davor, und die Flüchtlinge saßen in dieser Nische.
Die Nonnenkleider waren für diese Menschen bestimmt. Orthodoxe Juden opferten ihre Bärte und Locken für die Freiheit, zogen christlichen Habit an, um zu entkommen. Die beiden Mädchen beichteten die Nonnen ehrlich in der Schule, was ihr Vater so macht, und die Nonnen halfen.

Nach der ersten Truppe, die glücklich in Österreich in weitere helfende Hände kam, kam die erste Nachricht, entflohene Offiziere aus der Zuckerfabrik müssten gefahren werden. und der alte Mann fuhr. Da die Nonnen halfen, wurden Zivilkleider organisiert für diese Männer.
Der alte Mann fuhr sie in die Hauptstadt, wo in der Basilika zu Budapest, unter bestimmten Gebetsbüchern falsche Pässe versteckt lagen. Einer der Priester vergaß seine Angst, und fälschte Pässe, wie ein Krimineller. Und es warteten auch mutige Leute, die diese gequälten, verängstigten Menschen in Empfang nahmen, und weiter halfen.

Und der alte Mann fuhr........ mal mit jüdischen Menschen über die Grenze, mal mit polnischen Flüchtlingen in die Hauptstadt. Er wurde paar Mal denunziert, aber es gelang, ihn rauszuhauen. Es fanden Hausdurchsuchungen statt.

Die Uniformen der Offiziere wurden zuerst im Keller versteckt, und sie beseitigten sie nach und nach. Die beiden Mädchen gingen mit dem Rucksack in den Wald, und vergruben sie stückweise.
Eines dieser Mädchen zeigte den Schergen bei Hausdurchsuchungen immer die falschen Kellerräume, war selbstbewusst und frech.

Als das Krieg zu Ende war, nahm man dem alten Mann alles weg, seine Autos, sein Einkommen. Der alte Mann verlor alles nach dem Krieg, er war ja in den Augen der Sozialisten ein Kapitalist.
Der alte Mann schwieg, und lebte weiter. Seine Töchter und Schwiegersöhne halfen ihm Aber nichts in seinem Land, nach Jahren ein Witz von einer Rente.

Er hatte seine Erinnerungen..........die über 300 Menschen, die er fuhr, ohne Angst.
Er hat sich nie aufgeben, starb 1979, aufrecht und stolz.
Seine Geschichte sollte nicht vergessen werden, meine ich.
Die kleine, alltägliche Zivilcourage.
Es passierte in Ungarn, 1942-43.

Mir fiel sie Aufgabe zu, seine Geschichte aufzuschreiben für seine Urenkel-innen in Karlsruhe, Düsseldorf und Budapest.
Posthum dank an meine Mutter die auf meine bitte hin ihre Erinnerungen notierte.

Der alte Mann war mein Großvater, János Tóth.

© Judith Bernhardt alias eleonore

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