Forum Kommentare zu den Artikeln der Blogger Seniorentreff-Beitraege "Wie schön, wenn Frau Freunde hat....,"

Seniorentreff-Beitraege "Wie schön, wenn Frau Freunde hat....,"

enigma
enigma
Mitglied

Liebe Meli.....
geschrieben von enigma
danke für das Einstellen der Videos, die ich mir inzwischen alle angesehen habe (jedenfalls die ersten sechs, da kommen ja noch mehr) und als wunderbar authentische Belege für das vielfältige Leben und Treiben in “unserem Pott” empfinde, jedes auf seine Art und von der Vergangenheit bis in die Gegenwart reichend.

Sie drücken auch für mich - trotz der gezeigten abweichenden Lebensformen - ganz toll ein gewisses Zusammengehörigkeitsgefühl aus, das den Menschen dieser Region oft nachgesagt wird.
Und das Schönste ist, dass immer noch “Zugereiste” problemlos integriert werden und nicht als “Fremde in neuer Umgebung “ leben müssen.
Allerdings kommen natürlich heute weniger Menschen hierher, weil die damaligen Arbeitsplätze in der Montanindustrie ja doch überwiegend weggebrochen sind.
Jetzt setzen wir hier auf “Handel und Wandel”.

Außerdem freue ich mich sehr, dass Du trotz Deines Umzugs und einer völlig anderen Lebensumgebung noch so viel Verbundenheit zu der “alten Heimat” empfindest.

Noch einmal danke und liebe Grüße von Enigma

Ach Enigma,
geschrieben von ehemaliges Mitglied
da bin ich aufgewachsen, da war die erste Liebe und vieles andere, wie der Erstberuf, die alten Klassenkameraden, aber vor allem immer eines: Viel Wasser, erst die Flüsse, dann nach deren Verschmutzung, die Baggerseen und und und....
Das ist mir als dauerhafte Erinnerung geblieben.
Es ist interessant, dass Du das Zusammengehörigkeitsgefühl auch so beschreiben kannst.
Ein Teil davon kam, glaube ich jedenfalls, auch über diese Schwerstarbeit der Bergleute.
Die Kumpel, die aufeinander achteten, ohne darauf zu achten, woher der Kollege damals kam oder stammte.
Das Leben, wieder hinaufkommen ans Licht, das war notwendig und hat geformt. Es wird ja auch noch einmal gut dargestellt.
Viel Spaß noch beim Betrachten der restlichen Videos.

Schönen Sonntag
Meli
anjeli
anjeli
Mitglied

Vielfältigkeit
geschrieben von anjeli
Liebe Meli,

gute Idee von Dir. Ich bin auch immer überrascht, wie vielfältig unser Ruhrpott
doch ist. Die meisten verbinden damit, Zechen, viel Kohle und noch viel Ruß und
Dreck. Ich muß sagen, der Wandel ist total gelungen. Aber die Zeitzeugen sollten nicht
in Vergessenheit geraten. Grüne Lungen gibt ist auch mitten in den Städten. Ich bin ja
am Rande des Ruhrgebiets aufgewachsen, einen Katzensprung von Haltern entfernt.
Als Kind war ich im Sommer immer am Kanal zum Baden. Bei nicht so schönen Wetter ist
mein Vater mit mir und meiner Schwester zum Kanal gefahren, natürlich mit dem Fahrrad.
Schöne Erinnerungen, ich denke oft an diese Zeit meiner Kindheit.
Gruß von Ulla

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enigma
enigma
Mitglied

Ja, Meli.....
geschrieben von enigma
als Antwort auf anjeli vom 13.06.2010, 12:34:11
Du schreibst ganz richtig von der Schwerstarbeit der Bergleute.

Ich kannte nicht wenige, die an chronischer Erkrankung durch den Steinstaub litten und oft relativ früh starben.
Die Unfallgefahr im Bergwerk war auch nicht gering.
Und doch: Viele bewahrten sich ihren Humor und Mutterwitz.
Das hat mir immer schon gefallen.

Ich stelle noch ein Gedicht von Gerrit Engelke, einem Arbeiterdichter, ein:

"Der Tod im Schacht
Zweihundert Männer sind in den Schacht gefahren.
Mütter drängen sich oben in Scharen.
   Rauch steigt aus dem Schacht.
Die Kohlenwälder nachtunten glühen,
urwilde Sonnenfeuer sprühen.
   Rauch steigt aus dem Schacht.
Retter sind hinabgestiegen;
kamen nicht wieder, sie blieben liegen.
   Rauch steigt aus dem Schacht.
Der Brandschlund frisst seine Opfer - und lauert.
Die brennenden Stollen werden zugemauert.
   Rauch steigt aus dem Schacht.
Zweihundert waren in den Schacht gefahren.
Mütter weinen an leeren Nahren.
   Rauch steigt aus dem Schacht."
Gerrit Engelke


Gruß von Enigma


Ich habe das Glück gehabt,
geschrieben von ehemaliges Mitglied
auch ich hatte das Glück in einem - fast - begrünten Teil Duisburgs aufzuwachsen, was nicht heißt, dass ich die anderen Stadtteile nicht kennengelernt hätte. Und es gab viel davon, viel Schmutz, Smog - vor allem im Winter bei Inversionswetterlage.
Der Song "nichts ist so schön, wie der Mond von Wanne-Eickel" nimmt bestechend genau diese damalige Luftverschmutzung aufs Korn.
Der Mond war wundervoll - aber eben nur deshalb, weil die Luft so verdreckt war.
Auch ich staune immer wieder, wie sich alles verändert hat und ich halte diese Verbindung der alten Anlagen mit der Kultur für sehr gelungen.
Es ist ein Erlebnis, den Gasometer zu befahren, oben zu stehen und und und. Der Landschaftspark Nord ist großartig und es gibt immer noch mehr zu sehen.
Und ich liebe nach wie vor die Sprache, die aus so vielen Sprachen entstand, durch die lauten und harten Arbeitsprozesse verkürzt ist und damit die einzelnen Situationen so genau trifft.
Auch ich habe diese schönen Erinnerungen - und es freut mich, wenn ich solches von Dir lese.
LG Meli

Nichts ist so schön, wie der Mond von Wanne-Eickel
Mich friert
geschrieben von ehemaliges Mitglied
beim Lesen dieser Zeilen - doch so ist es gewesen.
Es berührt mich heute noch extrem, wenn ich von den Grubenunglücken höre, egal, wo sie passieren.
Ich denke dann immer wieder, was für ein Glück ist, dass mein Vater dort heil herausgekommen ist.
Die Angst hat alle Familien begleitet. Jeder Abschied konnte - ohne trivial werden zu wollen - der letzte sein.
Das begleitet uns zwar alle täglich auf eine andere Weise, aber hier lag es offen auf der Hand.

LG Meli

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anjeli
anjeli
Mitglied

Mein Papa, der Bergmann
geschrieben von anjeli
Mein Papa war 40 Jahre unter Tage. Er ist nur 69 Jahre alt geworden. Ist an den
Folgen seiner Staublunge gestorben. Einfach tot umgefallen.
Ich hatte eine schöne Kindheit, mein Papa hat mich stark gemacht. Er hat mein Leben
geprägt,hat mir die Welt - Vögel, Pilze, Sternenbilder und mehr erklärt.
Er war liebevoll, war groß und schlank mit dunkelbraunen Augen und schwarzem Haar.
Zwei Männer, von denen ich mich scheiden ließ, hatten die gleiche Figur wie mein
Papa, aber sie waren nicht liebevoll. Ehemann Nr.3 war klein, 5cm kleiner als ich,aber
sehr, sehr liebevoll. Leider hat sein Tod unser schönes gemeinsames Leben beendet.

Mein Papa hat im Bergwerk schwer arbeiten müssen. Er war nur krank (arbeitsunfähig)
wenn er verletzt war. Er ist jeden Tag zur Arbeit gelaufen. Manchmal bin ich ihm
entgegen gegangen, oder habe sehnsüchtig auf ihn gewartet.
Ich habe mit meinem Papa sehr viele Sportsendungen gesehen. Er hat mit unseren
Nachbarn Skat gespielt. Ich habe stundenlang an seiner Seite gesessen und ihm
zugeschaut.
Ich denke so oft an meine schöne Kindheit zurück. Ich habe mich nie bei meinen
Eltern bedankt. Für mich war alles selbstverständlich.

Danke mein Papa, danke Mama, ihr habt mein Leben geprägt und mich zu dem Menschen
erzogen, der ich bin und sein will. Eure Ulla ist stolz auf euch
Guten Morgen anjeli
geschrieben von ehemaliges Mitglied
es liest sich wunderschön, wie Du Deinen Papa und Eure Beziehung beschreibst. Ja, die verdammten Steinstaublungen, ein hoher Preis für diese schwere Arbeit.
Da mein Vater selbst auch Kumpel war, weiß ich sehr genau wovon Du schreibst.
Vielleicht war die Liebe zur Natur deshalb so stark ausgeprägt, weil die Arbeit so dunkel und schwer war.
Denn das, was Du geschrieben hast über das Erklären der Welt, kann auch ich von meinem Vater berichten.
LG Meli
Ich merke,
geschrieben von ehemaliges Mitglied
dass es mir ein Bedürfnis ist, seit ich anjelis Beitrag gelesen habe, das Gedicht "Der Pütt" noch einmal einzusetzen.

Ich hatte es schon einmal in die Gruppe eingebracht, aber es ist mir ein Bedürfnis seit ich dem Beitrag von anjeli gelesen habe, mein Gedicht hier noch einmal einzusetzen.
Und ich gebe diesem Bedürfnis jetzt einfach nach, denn ich denke, dass anjeli es noch nicht gelesen hat - sie ist ja noch nicht so lange bei uns.


Der Pütt

gewidmet: Meinem Kumpel romanus_k - ohne den ich meine Meli-Geschichten nicht hätte schreiben können. Er half mir, meinen Heimatdialekt wieder neu zu beleben, Vergessenes neu zu betrachten und ebnete mir damit den Weg. Danke romanus!



Stumm schauen Fördertürme übers Land
Gräser wachsen
zwischen den rostbedeckten Schienen -
unbefahren werden sie bleiben.

Stille klingt laut in der Kaue.
Kein Kumpel schrubbt hier noch
den schwarzen Körper weiß
und die Erschöpfung harter Arbeit herunter

Verschwunden die Schlackenhalden
auf denen Kinder Sommers rodelten -
"Glück auf" gesungen
wird jetzt im Denkmal Zollverein Essen

Es klingt noch gut das Lied,
hat seinen Zauber nicht verloren -
vom Steiger und dem Leder
vor dem Arsch bei der Nacht

Ist Hymne - bleibt Hymne
für alle gefluteten Zechen, Schweiß und Arbeit -
vorgetragen jetzt aus geschulten Stimmen
zu besonderen Anlässen.

Und doch - immer noch Pütt!
Mit Currywurst, Fritten rot weiß
Bandoneon und Grönemeyer
Sprache kurz und kraftvoll

Hier im Land der Flüsse, Häfen,
Kanäle, Kies, Kohle, Stahl und Seen
Heimat - wo ich auch bin -
nicht zu ändern!



© Meli Franzen
enigma
enigma
Mitglied

Für Anjeli und Meli
geschrieben von enigma
Ich habe die Erzählungen über Eure Kindheit und die Bedeutung Eurer Familie, besonders in diesem Falle die Eurer Väter, für Euer Erwachsenwerden sehr schön gefunden und bin mir sicher, dass sie sich über dieses Dankeschön und die Ehrung sehr gefreut hätten.

Meli, Dein Gedicht trifft es, alles war einmal ganz anders.
„Und doch - Immer noch Pütt!„ schlägt die Brücke zur Gegenwart.
Und das ist gut so.


Auch Richard Dehmel hat ein Bergarbeiterlied geschrieben.
Weil das Interesse für den Bergbau doch wohl vorhanden zu sein scheint, stelle ich es auch noch hier ein.

„Bergarbeiterlied
Von Richard Dehmel

Wir tragen alle ein Licht durch die Nacht,
                          unter Tag.
Wir träumen von unerschöpflicher Pracht,
                          über Tag.
Wir helfen ein Werk tun, ist keins ihm gleich;
                          Glückauf!
»Wir machen das Erdreich zum Himmelreich;
                          Glückauf!
Einst fiel alles Leben vom Himmel herab,
                          über Tag.
Wir Bergleute schürfen's aus dem Grab,
                          unter Tag.
Wir fördern's herauf, das tote Gestein;
                          Glückauf!
Wir machen's wieder zu Sonnenschein;
                          Glückauf!
Auf Erden ist immerfort jüngstes Gericht,
                          unter Tag.
Aus Schutt wird Feuer, wird Wärme, wird Licht,
                          über Tag.
Wir schlagen aus jeglicher Schlacke noch Glut;
                          Glückauf!
»Wir ruhn erst, wenn Gottes Tagwerk ruht;
                          Glückauf!“

Glückauf auch von Enigma!






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