Forum Soziales und Lebenshilfe Soziales "Der entgrenzte Mensch"

Soziales "Der entgrenzte Mensch"

Marija
Marija
Mitglied

"Der entgrenzte Mensch"
geschrieben von Marija

Dr. Rainer Funk war der letzte Assistent von Erich Fromm.
Er promovierte über dessen Sozialpsychologie und Ethik .

In Tübingen betreibt er eine eigene Praxis als Psychoanalytiker.

Seine Gedanken und Thesen über die Entgrenzung und den entgrenzten Menschen erscheinen mir bemerkenswert.
Der entgrenzte Mensch

In einem Interview sprach er Dinge an, die mich als Mutter sehr berührten, die in der doch noch entbehrungsreichen und stark durch soziale und moralische Normen dominierten Zeit aufgewachsen ist.

Auch ich habe versucht, meine Kinder über unliebsame Grenzen "hinweg zu heben ", bei denen sie sich möglicherweise blutige Nasen geholt hätten - im übertragenen Sinne.
Grenzerfahrungen mit Trauer, Schmerz und Enttäuschung sind aber dringend nötig und formen den Menschen. Scheitern, Versagen, den Tod bei Verwandten zu erleben z.B., das sind elementare Grenz-Erfahrungen, die im Letzten immer wieder stärken können.


Marija


erafina
erafina
Mitglied

Re: "Der entgrenzte Mensch"
geschrieben von erafina
als Antwort auf Marija vom 22.08.2011, 09:59:13
Ein sehr interessanter Artikel.

Vorausgeschickt: Ich bin kein Anhänger der Psychoanalyse.
Psychoanalyse ist (nach meinem Empfinden) überwiegend spekulativ und sehr direktiv dem Patienten gegenüber,
weshalb es schön ist zu sehen, dass auch klassische Analytiker den Bogen zu verhaltenstherapeutischen Ansätzen schlagen.
Eine Verbindung aus beiden Therapieformen scheint mir sehr erstrebenswert.
So muss denn auch das Buch, welches ich nicht selbst gelesen habe, wie die Verfasserin des Beitrags meint,
spekulativ bleiben. Daraus kann man dem Autor keinen Vorwurf erwachsen lassen.

Ich möchte noch einen weiteren Artikel zu dem genannten hinzufügen:
socialnet
welcher etwas umfassender auf den Inhalt des Buches eingeht,
damit zu erkennen ist, wie weitreichend die Thesen sind. Gespräche ohne Ende sind über diesen Inhalt möglich.
Einfach wunderbar.

Um bei der eigenen Verantwortung in der Erziehung zu bleiben:

Wir selbst sind meist anders erzogen worden, als unsere Kinder erzogen wurden, und wie diese nun ihrerseits ihre Kinder erziehen.
Die Gründe sind vielfältig – die Zeiten waren anders, zu unserer Zeit kamen die ersten Umstürze in den “Erziehungstipps” auf,
es wurde zum ersten Mal überhaupt über Erziehung und ihre Konsequenzen nachgedacht,
und was nicht zu unterschätzen ist: der Wunsch, die Kinder mögen es besser haben als ich, war in der Nachkriegszeit sicherlich geradezu übermächtig.

Jedes Elternteil hat zu jeder Zeit aber getan, was in dieser Zeit und in diesem Moment richtig erschien.
Ich habe meinen Eltern verziehen, was sie rückblickend betrachtet nicht optimal gemacht haben. Ich trage ihnen nichts nach.
Ich weiß, sie haben NACHGEDACHt und das entschuldigt für mich vieles.
Ich sage mir, weshalb sollen wir uns nicht selbst genauso vergeben für Erziehungsfehler, die immer und zu jeder Zeit geschehen?
Kinder schützen zu wollen ist ein natürlicher Reflex, welcher sich nach den gegebenen Umständen richtet.
Ob dies tatsächliche Fehler waren, ist sicherlich ohnehin schwer auszumachen.
Es wäre schön, wenn heutige Eltern verstehen würden, dass es besser ist, das Kind den “Gefahren der Welt” auszusetzen, damit es Selbstbewusstsein bekommt.
Nur – welche Gefahren sind es denn heute im Vergleich zu früher.
Wir, der Fortschritt, die Entwicklung, haben aus der Welt einen für unsere Ur-Omas utopischen fremden Stern gemacht.
Reaktionen und Erziehung können nicht mehr so abgewickelt werden, wie es früher mal war.

Im Prinzip wären einige ganz einfache Erziehungsdinge zu verändern: Grenzen setzen und einhalten, Grenzen beachten lernen, Menschen achten, Grundwerte vermitteln, Tiere achten und ein bisschen menschliche Anständigkeit lehren. Wenn Eltern das beachten, wird vieles besser werden.
Leider aber haben die Eltern von heute schon eine Fehlentwicklungen hinter sich. Sie selbst haben Defizite.
Obwohl, ich bin nicht sicher, ob ich das übersetzt in heutige Zeiten fehlerlos umsetzen könnte.
Denn nicht ich allein wirke auf ein Kind ein, denn die Welt ist, wie sie eben geworden ist.
Ich kann nur eine Insel der Geborgenheit, der Sicherheit (geht NUR über Grenzen) und der Liebe aufbauen, in das sich mein Kind aus dem Chaos flüchten kann.

Oder seht Ihr das anders?
erafina
Marija
Marija
Mitglied

Re: "Der entgrenzte Mensch"
geschrieben von Marija
als Antwort auf erafina vom 22.08.2011, 11:41:08
Liebe erafina,

jetzt hast du meinen Tag gerettet.

Ja, manchmal müssen wir Eltern uns selbst verzeihen, dass wir ängstlich und nicht genügend vertrauend waren.

Ich grüße dich
Marija

Anzeige