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Soziales Können wir noch wirlkich solidarisch denken und handeln?

luchs35
luchs35
Mitglied

Können wir noch wirklich solidarisch denken und handeln?
geschrieben von luchs35

Der Soziologe Alfred Vierkandt definierte Solidarität folgendermassen:
"Solidarität ist die Gesinnung einer Gemeinschaft mit starker innerer Verbundenheit, bedeutet auch Zusammengehörigkeitsgefühl, das praktisch werden kann und soll!"


Nahezu täglich werden wir zu Solidarität aufgerufen : Solidarität mit den Hungrigen, den Misshandelten, Gefolterten, den unter Kriegen Leidenden, Opfer von Erdbeben oder Überschwemmungen, den Streikenden, Unterdrückten..etc., man kann es beliebig fortsetzen.

Auch im Bahnprojekt Stuttgart 21 wird derzeit Solidarität gefordert- von beiden Seiten!

Sich solidarisch erklären und damit Gemeinsamkeit demonstrieren , zeigen, dass der Einzelne nichts ist im Gefüge der Macht und dass wir nur zusammen stark sind, einmal nicht nur an sich selbst denken.

Heisst solidarisch zu sein einfach nur Geld spenden, für einige Minuten Mitgefühl zeigen, dann aber rasch wieder sich andern Dingen zuzuwenden, die von uns als weniger problematisch angesehen werden?
Nur weg damit!!

Ist "Solidarität" nicht inzwischen zu einer Worthülse geworden, beliebig einsetzbar? Ein Lippenbekenntnis, das das schlechte Gewissen beruhigen soll? Eine Worthülse der Hilflosigkeit gegenüber Ungerechtigkeit, Ausbeutung, Menschenrechtsverletzungen, Kriegsdrohungen, Hungerkatastrophen oder auch nur zur Durchsetzung des Willens von Demonstranten jeglichen Couleurs?
Die Verarmung der Bevölkerung (weltweit) schreitet rasant voran, die "Strippenzieher " haben jede Hemmung und Beziehung zu den Menschen "da unten" verloren, sehen nur noch ihren eigenen Profit, koste es,was es wolle.
Politiker sehen machtlos und ohne Visionen zu, wie jene, die sie vertreten sollen, im Sog nach unten mitgerissen werden. Hartz IV als Lösung?

Vielleicht bekommt ja das Wort "Solidarität" bald wieder ein ganz neue Bedeutung. In der Blütezeit des Wohlstandes wurde es gerne mit einer gerade aktuellen Spende weggeschoben. Spenden sind von der Steuer absetzbar und geben das Gefühl der solidarischen Grosszügigkeit!

Meine Gedanke gehen von den täglichen Medienberichten und den zahlreichen Spendenaufrufen - beispielsweise im Falle der Überschwemmungskatastrophe in Pakistan mit ihrem unermesslichen Leid für die Betroffenen aus. Nur kurz danach war nichts mehr davon zu hören oder zu lesen, Solidarität war nicht mehr aktuell. Man kann das Beispiel beliebig fortsetzen.

Solidarität mit Kurzzeitfunktion?

Kann der Einzelne überhaupt noch etwas bewerkstelligen? Oder bekommt das Wort Solidarität bald eine ganz neue Aussage?

Luchs
JuergenS
JuergenS
Mitglied

Re: Können wir noch wirklich solidarisch denken und handeln?
geschrieben von JuergenS
luchs, deine Überlegungen sind ja ganz in Ordnung, aber für mich ist Solidarität ein sehr dehnbarer Begriff. Deshalb muß man ihn an Beispielen festmachen, sonst bleibt es nur Theorie.
Solidarität im kleinen, zum Beispiel zu meinen Nchbarn, ist genauso wichtig wie die Soli großer Institutionen, der Politik, der Gewerkschaften, der Firmen. Für mich persönlich schwer diskutierbar.

Soli geht auch quer durch alle politischen Parteien, Familien, Firmen.
Solidarität hat auch was mit wirtschaftlicher Lage zu tun.
In der Not gibt es davon mehr als gegenwärtig.
myrja
myrja
Mitglied

Re: Können wir noch wirklich solidarisch denken und handeln?
geschrieben von myrja
als Antwort auf luchs35 vom 11.10.2010, 10:41:28

Der Soziologe Alfred Vierkandt definierte Solidarität folgendermassen:
"Solidarität ist die Gesinnung einer Gemeinschaft mit starker innerer Verbundenheit, bedeutet auch Zusammengehörigkeitsgefühl, das praktisch werden kann und soll!"

............
Luchs

Hervorhebung von mir.

Hallo luchs,

solidarisches Denken und Handeln, das vermisse ich immer mehr.

Wenn ich nur daran denke, wie beinahe jede/r, egal wie tief unten er/sie selbst ist, immer noch nach unten tritt, nach denen, die noch unter ihm/ihr sind, wie momentan z. B. nach den Migranten und Hartz IV-BezieherInnen.

Keiner denkt darüber nach, was er da anrichtet, wie die „Macht des Volkes“ zerstört wird und wie sehr diese Menschen darunter leiden Mich wundert es nicht, dass Migranten oft die Deutschen nicht mögen. Schließlich unterstützen sie sie höchst selten bei der Integration. Die Deutschen fordern nur, ohne selbst groß solidarisch zu helfen. Und damit meine ich nicht die Politiker, sondern das Volk.

Wie passend ist es auch, auf die Hartz IV-Empfänger zu schimpfen, anstatt mit ihnen gemeinsam um Arbeitsplätze mit angemessener Bezahlung zu kämpfen.

Wer die, die ganz unten sind, verteidigt, wird dann noch als „Gutmensch“ beschimpft.

Nein, in unserem Land denkt fast jede/r nur noch an sich selbst, an seinen eigenen Vorteil! Die Solidarität ist auf der Strecke geblieben.

Myrja



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lalelu
lalelu
Mitglied

Re: Können wir noch wirklich solidarisch denken und handeln?
geschrieben von lalelu
als Antwort auf luchs35 vom 11.10.2010, 10:41:28
Luchs, du hast eine interessante Frage zur Diskussion gestellt. Meine Meinung zu allem, was du angesprochen hast, ist ziemlich eindeutig, denn ich bin Realist und sehe, was um mich herum und in der Welt geschieht.

Ich glaube, das Gros der Menschen ist auf Grund seiner genetischen Veranlagung nur in begrenztem Maße zur Solidarität fähig. Will heißen: solange Solidarität nicht massiv den eigenen Interessen entgegensteht und solange sie nicht richtig weh tut, erklärt man sich gerne solidarisch mit verfolgten und unterdrückten Minderheiten, mit Katastrophenopfern usw.

Man spendet Geld, nimmt an Demonstrationen teil, schreibt Leserbriefe an die Zeitung oder wettert hier im ST heftig gegen jede Form der Diskriminierung und Ungleichbehandlung. Wohl gemerkt: solange es nicht richtig weh tut!

Sobald man selbst deutlich spürbare Nachteile von seiner Solidarität hätte, überwiegt bei den meisten Menschen der Selbst- oder Arterhaltungstrieb, auch wenn es nicht im wörtlichen Sinne des Wortes um Selbst- oder Arterhaltung geht. Etwas allgemeiner formuliert: Jeder ist auf den eigenen Vorteil und den seiner Kinder/seines Dorfes/seines Vereins/seines Landes bedacht und reagiert ungnädig bis wütend auf vermeintliche oder tatsächliche Ungleichbehandlung und Ungerechtigkeit und Bevorzugung von anderen. Bei freiwilligen Spenden ist man nicht kleinlich, aber wer wollte sich z.B. zwangsweise einen regelmäßigen, größeren Geldbetrag abziehen lassen, auch wenn das Geld garantiert nur für humanitäre Zwecke verwandt würde?

Neid und Missgunst sind Alltag in nicht wenigen Familien, Dörfer feinden sich gegenseitig an, weil das eine nach Meinung des anderen mehr Geld aus einem öffentlichen Topf erhält, ganze Städtchen sind sauer aufeinander, weil das eine die gymnasiale Oberstufe bekommt, welche das andere gerne hätte, bei den Bundesländern setzt sich das Ganze fort, bei den Staaten Europas und der ganzen Welt. Das fing schon bei Kain und Abel an und hat sich in der ganzen Menschheitsgeschichte mit den vielen Kriegen um des eigenen Vorteils willen nicht geändert.

Um ein Beispiel im kleinen Maßstab zu geben: Wer verzichtet auf den dringend erforderlichen Krippenplatz für sein Kind und überlässt ihn dem Nächsten auf der Warteliste, weil der ihn ebenso dringend benötigt? Wahrscheinlich kaum jemand! Es mag Ausnahmen geben, aber die muss man mit der Lupe suchen.

Du fragst, was der einzelne tun kann. Mein Vorschlag: Sich den Realitäten stellen, selbstlosen Edelmut nicht erwarten, auch nicht, dass Menschen sehr weit über ihren Schatten springen und die Interessen anderer über ihre eigenen stellen! Dafür selbst versuchen, das Mögliche möglich zu machen. Konkret: Solidarität im Kleinen üben, wann immer es möglich ist und andere ebenfalls dazu auffordern.

Ich sehe es pragmatisch: Selbst wenn viele damit nur ihr schlechtes Gewissen beruhigen und auch wenn es nur eine kurzzeitige Solidarität ist – denen, die dringend Hilfe benötigen, wird damit trotzdem geholfen und das ist wichtiger als Maximalforderungen, die nicht erfüllt werden.

Lalelu
JuergenS
JuergenS
Mitglied

Re: Können wir noch wirklich solidarisch denken und handeln?
geschrieben von JuergenS
als Antwort auf lalelu vom 11.10.2010, 13:02:02

Ich sehe es pragmatisch: Selbst wenn viele damit nur ihr schlechtes Gewissen beruhigen und auch wenn es nur eine kurzzeitige Solidarität ist – denen, die dringend Hilfe benötigen, wird damit trotzdem geholfen und das ist wichtiger als Maximalforderungen, die nicht erfüllt werden.

Lalelu


So seh ich das im Prinzp auch.
ehemaligesMitglied23
ehemaligesMitglied23
Mitglied

Re: Können wir noch wirklich solidarisch denken und handeln?
geschrieben von ehemaligesMitglied23
als Antwort auf JuergenS vom 11.10.2010, 13:10:01
Es ist ein Urinstinkt des Menschen, zunächst das eigene Überleben zu sichern. Dann kommt die Familie, der Clan, das Dorf. Erst wenn für sie gesorgt ist, wird von dem , was nicht dringend gebraucht wird abgegeben.
Je höher die eigenen Ansprüche sind, je weniger bleibt zum Abgeben.
In alter Zeit war das kaum ein Problem, das Leben spielte sich in engen Bahnen ab. Man sah wo Hilfe nötig war, half und sah den Erfolg dieser Hilfe. Heute wird man mit den Problemen der ganzen Welt konfrontiert. Man kann nicht das ganze Leid der Welt auf sich nehmen und daher verdrängt man einen großen Teil und beschränkt sich auf Hilfe für die Sachen , die einem am dringlichsten erscheinen. Da setzt jeder Mensch seine Prioritäten. Vom Überfluß etwas abzugeben fällt nicht schwer, selbst zu verzichten ist schon schwieriger.
In Deutschland ist zur Zeit das Gefühl vorherrschend, uns geht es schlechter ( auch wenn das im internationalen Vergleich gar nicht stimmt) da sinkt die Solidarität natürlich.
Das gilt ebenso für den Einsatz für bestimmte Dinge
( Demos). Man muß sich entscheiden für Dinge die einem wichtig sind, sonst wäre man nur noch auf Achse.
Ich denke Lalelu hat recht, wenn jeder ein wenig tut, ist auch viel getan.
stellamaris

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myrja
myrja
Mitglied

Re: Können wir noch wirklich solidarisch denken und handeln?
geschrieben von myrja
Ich finde es falsch, Solidarität nur auf Finanzielles zu beschränken. Man kann sich auch mit Meinungsäußerungen solidarisch oder eben auch unsolidarisch verhalten.

Geldspenden haben für mich nichts mit Solidarität zu tun, sondern eher mit Nothilfe.

Aus Wikipedia:

Solidarität (abgeleitet vom lateinischen solidus für gediegen, echt oder fest; Adjektiv: solidarisch) bezeichnet eine, zumeist in einem ethisch-politischen Zusammenhang benannte Haltung der Verbundenheit mit – und Unterstützung von – Ideen, Aktivitäten und Zielen anderer. Sie drückt ferner den Zusammenhalt zwischen gleichgesinnten oder gleichgestellten Individuen und Gruppen und den Einsatz für gemeinsame Werte aus.

Myrja
lalelu
lalelu
Mitglied

Re: Können wir noch wirklich solidarisch denken und handeln?
geschrieben von lalelu
als Antwort auf myrja vom 11.10.2010, 14:02:22
@ myrja,

natürlich hast du Recht: Solidarität üben bedeutet nicht, nur finanzielle Unterstützung zu geben. Das hat aber auch niemand hier gesagt. Ich denke jedoch, es kommt weniger darauf an, ob man finanzielle Zuwendungen in Notsituationen "Nothilfe" nennt oder "Solidarität". Wichtig ist, dass überhaupt Unterstützung gewährt wird.

Nach meiner Meinung kann finanzielle Hilfe aber durchaus auch ein Ausdruck der Solidarität sein, weil man dadurch den Hilfsbedürftigen manchmal erst ermöglicht, ihre Ideen, Aktivitäten und Ziele verwirklichen zu können.

Lalelu
myrja
myrja
Mitglied

Re: Können wir noch wirklich solidarisch denken und handeln?
geschrieben von myrja
als Antwort auf lalelu vom 11.10.2010, 14:35:14
Natürlich hast Du recht Lalelu,

auch finanzielle Hilfen können aus Solidarität hetraus geleistet werden.

Ich dachte bei meiner Äußerung zu Geldspenden eher an die alljährlich zur Weihnachtszeit im TV veranstalteten Spenden-Veranstaltungen. Da geht es eher darum, einmal im Jahr was Gutes zu tun. Was ich selbstverständlich auch für gut befinde.

Anders sehe ich es z. B. bei der Unterstützung in der 3. Welt zum Bau von Schulen, Krankenhäusern, zur Aufklärung gegen Beschneidung von Mädchen und Kinderheirat, zur Aufklärung bzgl. AIDS etc. etc. Oder eben auch hier bei uns die Solidarität mit Migranten und Hartz IVlern. Das hat für mich mit Solidarität zu tun.

Aber ich denke, jeder hat so seine eigenen Vorstellungen von diesem Begriff. Und jeder hat sicherlich auch aus seiner Sicht recht damit.

Myrja
ehemaligesMitglied23
ehemaligesMitglied23
Mitglied

Re: Können wir noch wirklich solidarisch denken und handeln?
geschrieben von ehemaligesMitglied23
als Antwort auf myrja vom 11.10.2010, 14:52:11
Myrja
Klar , Du hast recht, Solidarität ist mehr als nur eine finanzielle Spende für eine Sache.
Aber ich denke es gibt sehr viele Leute , die sich solidarisch zeigen, indem sie zum Beispiel ehrenamtlich tätig sind. Jeder auf seine Weise und für Dinge, die ihm wichtig sind. Es gibt so viele Felder , wo Hilfe not tut und wo Menschen sich einbringen und engagieren.
In meinem Bekanntenkreis helfen Leute im sozialen Möbellager, bei den grünen Damen, im Tierschutzverein, im Naturschutzbund, in der Behindertenwerkstatt, in der Schulkantine usw. Mein Zahnarzt fliegt jedes Jahr während seines Urlaubs nach Indien , um dort für Ärzte ohne Grenzen zu arbeiten.
Alles unspektakulär. Ohne all die stillen Helferlein sähe es wohl noch düsterer aus.
stellamaris

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