Wirtschaftsthemen Seoul und der G20-Gipfel

carlos1
carlos1
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Re: Seoul und der G20-Gipfel
geschrieben von carlos1
als Antwort auf eko vom 12.11.2010, 19:30:49
„Mich stört, dass die USA glauben, die Welt müsse nach ihrer Pfeife tanzen.“ Eko


Hallo eko,
am besten sollten wir diesen Punkt der Agenda eher relaxed aufnehmen, nicht nach dem Prinzip der Über- und Unterordnung. Die USA können uns und anderen Staaten nicht vorschreiben wieviel etwa eine Binnenwirtschaft konsumieren darf. Darauf laufen die Vorschläge aus den USA hinaus, die ausdrücklich auf einen verstärkten Binnenkonsum hinweisen. Die momentane deutsche Exportstärke ist dem Zusammenwirken allerTeile der Gesellschaft zu danken und vor allem auch den Gewerkschaften, die Verzicht geübt haben. Dadurch konnte die deutsche Arbeitsproduktivität gegenüber anderen europäischen Ländern steigen. Im Vergleich zu den USA sind hierzulande darüber große Teile des Produktionspotenzials im Sekundärsektor erhalten geblieben. Das begünstigt unsere momentane Stärke und hilft uns aus der Krise heraus. Der deutsche Saldo aus Export und Import gegenüber den USA liegt 2010 bei +3,4 Mrd. USD. Er hat seit 1990 geschwankt, aber niemals die Marke von +5 Mrd. USD überschritten. So erschreckend ist das Handelsdefizit der USA gegenüber Dtld nicht.


Im Falle Chinas liegt der Fall anders. Seit den 90er Jahren hat das Handelsbilanzdefizit der USA gegenüber China ständig zugenommen. Es liegt momentan bei 28 Mrd. USD. Vor kurzem (2009) lag es bei „nur“ etwa 17 MRd. USD. Der Konflikt wird jedoch überbewertet und existiert u. a. auch in den Zeitungen und in Köpfen von Publizisten, die anhand von Beispielen verdeutlichen wollen, wie sich eine relative Machtverschiebung zwischen westlichen Industriestaaten und aufstrebenden Ländern in Asien und Südamerika abspielt. Dafür wird gerne der Ersatzkriegsschauplatz Währung verwendet.


Der Wechselkurs zweier Währungen sollte in etwa die Fundamentaldaten (z. B. BIP, Haushaltsdefizit, Staatsverschuldung, Außenwirtschaft etc.) der jeweiligen Volkswirtschaften widerspiegeln. Von daher gesehen sind die USA weiterhin immer noch die mit Abstand führende Wirtschaftsmacht und der für uns Deutsche und Europäer wichtigste Markt. Die Behauptung der chinesische Yuan sei unterbewertet oder werde künstlich niedrig gehalten müsste erst noch im Detail bewiesen werden. Aus der Tatsache der chinesischen Exporterfolge und den gewaltigen Devisenreserven allein lässt sich nicht unmittelbar eine Überbewertung ableiten. Tatsache ist, dass Chinas Binnenwirtschaft ebenfalls erhebliche Ungleichgewichte aufweist. Mehrere hundert Mio armer Wanderarbeiter stehen einer rasch wachsenden reichen Mittel- und Oberschicht gegenüber. Weltweit (u. a. Indien, Brasilien, wächst die Mittelschicht jährlich um 75 Mio Menschen, was unserer Industrie Aufträge einbringt. Chinas Eigeninteresse wird das Problem der überbewerteten eigenen Währung lösen. Die USA müssen hingegen in ihrem eigenen Interesse ihre industrielle Infrastruktur verbessern, ihre Sparquote erhöhen und darauf verzichten mittels ausländischen Gelder ihren Konsum zu finanzieren. Die deutsche Sparquote (2009 bei 13 bis 14%) lag von jeher weitaus höher als die amerikanische (bei null oder 1-3% Prozent). Finanzsektor, Industrieproduktion (Automobile) und Immobilen (Bausektor) sind angeschlagen. In exportorientierten Dienstleistungen sind die USA Weltspitze und ebenso in Bereichen der Technologie. Das Problem ist, die USA dürfen jetzt eher nicht sparen (aus Keynesianischer Sicht), werden es aber später tun müssen, wenn die Krise bewältigt ist. Protektionismus (darauf laufen Obamas Vorschläge im Kern hinaus) zum jetzigen Zeitpunkt wäre der falsche Weg die ökonomischen Probleme zu lösen. Deswegen war es keine Überraschung, dass Merkel sich durchsetzte. Sie musste sich durchsetzen, weil anders die USA ihre selbst geschaffenen Probleme nicht bewältigen würden. Trotzdem war Obamas Versuch gemäß den Regeln des IWF konsequent und nicht etwa verantwortungslos oder weit hergeholt. Mit dem Übereinkomme n von Bretton Woods, durch das der IWF ins Leben gerufen wurde, verpflichteten sich die Mitgliedstaaten zur Einhaltung vereinbarter Regeln für die Wechselkursstabilisierung und zur gegenseitigen Hilfe bei der Finanzierung von Zahlungsbilanzdefiziten. Die Regularien des IWF sehen auch ausdrücklich vor, dass sich kein Land durch Manipulierung seines Wechselkurses einen unfairen Wettbewerbsvorteil verschaffen darf. Die Wechselkurspolitik eines jeden Landes muss einer strikten Überwachung durch den IWF unterworfen sein. Dafür gibt es Kriterien und Verfahrensregeln, die an künftige Erfahrungen angepasst und verfeinert werden müssen. Es gibt einen Katalog von Verdachts-Indikatoren.


„Aber da trafen sich in Seoul die führenden Wirtschafts-und Finanzkräfte zu einem Gipfel ,und was kommt dabei raus : nix! Zumindest nichts, was von grosser Bedeutung wäre. Ich möchte aber gerne Mäuschen spielen, wenn sich die Herrschaften hinter verschlossenen Türen treffen! Die Zeit wird es zeigen, was da besprochen oder gemauschelt wurde.“ Luchs35


Fragen des internationalen Handels sind auch Machtfragen. Diese werden nicht in Verhandlungen gelöst, sondern auf dem Feld der Wirtschaft, des Zahlungsverkehrs und der Wirtschaftspolitik der einzelnen Staaten. Grundsätzlich ist zu sagen, dass die Europäer als die Urheber der industriellen Revolution insofern inkonsequent waren, als sie der industriellen Revolution nicht eine Revolution des Denkens folgen ließen, vereinzelte Stimmen ausgenommen. Diese Revolution des Denkens hätte die Staaten beseitigen müssen mit ihren unterschiedlichen Währungen und ökonomischen Entscheidungen und Systemen, die das Schicksal anderer Staaten betreffen. Was die Entscheidungen der G20/G8 angeht, ist in wichtigen Punkten keine Einigung erzielt worden. Dagegen ist zu fragen, was eigentlich zu erwarten war. Ein Erfolg ist, dass der Stimmrechtsreform des IWF zugestimmt wurde. Diese stärkt die Position der wirtschaftlich erfolgreichen asiatischen Staaten wie China und Südkorea. Erfolgt ist auch ein Beschluss, der die Erhöhung der Eigenkapitalquote der Banken vorsieht (Base lII). Bei weiteren Fragen sind nur Absichtserklärungen zu weiteren Verhandlungen erfolgt (Transparenz von Hedgefonds und Beteiligungsgesellschaften), der Kontrolle globaler systemrelevanter Banken und der Doha-Verhandlungen zur Liberalisierung des Welthandels.

Wir reden zwar immer von einer weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise, vergessen aber etwas Entscheidendes: Die Krise erfasste nicht alle Staaten in gleichem Maß. China, Brasilien, Indien und andere asiatische Staaten wurden nicht von der an der von den USA ausgehenden Immobilien- und Finanzkrise erfasst. Die Rolle Europas in dem gegenwärtigen globalen Mächtespiel istg bescheiden. Der Anteil der Bevölkerung der EU an der Weltbevölkerung insgesamt beträgt heute nur noch 11%, wenn ich mich richtig entsinne. Im Grunde besteht Dtld aus einer alternden Abschiedsgesellschaft auf der Weltbühne der Wirtschaft. Wenn man in Betracht zieht, dass der Erwerb von Wohlstand und die Angst ihn wieder zu verlieren die Hauptantriebskräfte der Politik sind, dann sollten wir auf der Hut sein. Wir könnten ein verschlafener Kontinent werden, ein Art Heimatmuseum.

c.
Re: Seoul und der G20-Gipfel
geschrieben von ehemaliges Mitglied
das Ergebnis wie das vieler Gipfeltreffen:

"Der Berg kreiste und gebar eine Maus"

So sehe ich das ... - die Ergebnisse solcher Gipfel rechtfertigen auf keinen Fall deren Kosten. Da sollte man dringend andere Lösungen finden.
Vielleicht "Telefon- oder Videokonferenz"?...
olga64
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Re: Seoul und der G20-Gipfel
geschrieben von olga64
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 15.11.2010, 05:32:53
Machen Sie doch mal diesen Vorschlag an kompetenter Stelle (telefonisch). An wen Sie sich wenden können, müssten Sie herausfinden und in welcher Sprache Sie am besten formulieren sollten, ebenfalls. Aber Sie schaffen dies - da bin ich sicher - vielleicht lobt Sie ja irgendjemand hinterher. Olga

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Re: Seoul und der G20-Gipfel
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf olga64 vom 15.11.2010, 15:50:39
ich habe einfach vor der Beratungs- und auch Einsichtsresistenz mancher Politiker eine derart große Hochachtung, daß ich mir niemals anmaßen würde, denen auch nur einen Hinweis zu geben
carlos1
carlos1
Mitglied

Re: Seoul und der G20-Gipfel
geschrieben von carlos1
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 15.11.2010, 05:32:53
"Der Berg kreiste und gebar eine Maus"
So sehe ich das ... - die Ergebnisse solcher Gipfel rechtfertigen auf keinen Fall deren Kosten. Da sollte man dringend andere Lösungen finden.
Vielleicht "Telefon- oder Videokonferenz"?.ozimmi


Eine Fehlbewertung. Die Finanzminister und Notenbankchefs hatten vor einem Monat schon das Terrain bereitet und das Thema „Währungskrieg“ bereinigt. Die Staatschefs mussten im Wesentlichen bestätigen.

Der G20-Gipfel belegte die Bedeutungsminderung Europas einmal mehr durch die Stärkung der Position asiatischer Staaten im IWF (Internationaler Währungsfonds. Vor allem machte der Gipfel deutlich, dass mit dem G20-Forum eine neue Institution sich neben den G7/G8 etabliert hat, die in Zukunft mitreden wird in Fragen der ökonomischen Weltordnung. Die G20-Staaten umfassen 85% des globalen Sozialprodukts und 2/3 der Weltbevölkerung. In diesem Rahmen wird sich der europäische Einfluss weiter vermindern. Kein Anlass für Europäer darüber besonders glücklich zu sein. Die G20 repräsentiert nach dem Urteil des südkoreanischen Präsidenten am besten die gegenwärtige Weltordnung. Die Bedeutung wird wachsen, je stärker der Einfluss der aufstrebenden Wirtschaften wachsen wird.

In der Finanzkrise von 2008 spielte die G20 eine entscheidende Rolle. Sie wehrte erfolgreich protektionistische Tendenzen ab, senkten gemeinsam Zinsen, legten Konjunkturprogramme in Höhe von 1000 Mrd. € auf, das alles in gemeinsamer Absprache und bei sehr unterschiedlicher Lage der eigenen Ökonomien. Eine reife Leistung, ohne die eine rasche Erholung der deutschen Exportwirtschaft, wie wir sie gerade erleben, in der vorliegenden Form gar nicht möglich wäre.

Die Vorstellung sich mit einer "Telefon- oder Videokonferenz" zu begnügen zeugt von völliger Desorientierung. In Ostasien sind langfristig gepflegte persönliche Kontakte von größter Wichtigkeit. Bei Verhandlungen auf höchster Ebene spielt traditionell zudem die „Chemie“ immer eine große Rolle. Die Verhandlungspartner dadurch zu verärgern (Gesichtsverlust), dass man aus Ersparnisgründen auf Telekommunikation ausweicht, wäre die beste Methode sich ins Abseits zu begeben.
Re: Seoul und der G20-Gipfel
geschrieben von ehemaliges Mitglied
das kann man sehen wie man will ...

Nach meiner Ansicht "gipfelt" man in einer Reihenfolge, daß es schon schon mehr einer Bergkette ähnelt.

Und das hat wenig mit Desorientierung zu tun. Aber dazu möchte ich nichts mehr anmerken; es würde zu weit führen ...

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olga64
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Re: Seoul und der G20-Gipfel
geschrieben von olga64
als Antwort auf carlos1 vom 16.11.2010, 20:06:46
Danke Carlos für Ihren intelligenten Beitrag! Die Minimierung auf Telefonkonferenz deutet nur auf schlechten Wissenstand und auch Gschaftlhuberei eines "Schreiberlings" (pardon - ist aber leider meine persönliche Meinung hierzu). Olga
ehemaligesMitglied27
ehemaligesMitglied27
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Re: Seoul und der G20-Gipfel
geschrieben von ehemaligesMitglied27
als Antwort auf carlos1 vom 16.11.2010, 20:06:46
"Der Berg kreiste und gebar eine Maus"

Das gefährdet den Flugverkehr.

Wer einen schwangeren Berg sieht, schicke ihn lieber in den Kreißsaal.
carlos1
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Re: Seoul und der G20-Gipfel
geschrieben von carlos1
als Antwort auf ehemaligesMitglied27 vom 17.11.2010, 16:59:40
"Der Berg kreiste und gebar eine Maus"
So sehe ich das ..."?.ozimmi

"Wer einen schwangeren Berg sieht, schicke ihn lieber in den Kreißsaal." boris an carlos1

Wende dich an ozimmi, um deine pädagogischen Qualitäten besser zur Geltung zu bringen.
c.




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