Wirtschaftsthemen Warum gibt es Handel?

Karl
Karl
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Warum gibt es Handel?
geschrieben von Karl
Der Anlass für dieses Thema wird den meisten klar sein. Wir erleben derzeit nicht nur in den USA und Großbritannien eine neue protektionistische Bewegung, die sich gegen den freien Handel richtet und glaubt, in der nationalen Abschottung und einem hohen Zoll auf Einfuhren läge der Schlüssel zum Besseren.

Vielleicht sollten wir einmal kurz innehalten und uns grundsätzlich überlegen, was eigentlich das Wesen des Handels ist und wie er in die Welt kam.

1. Resourcen waren auf unserer Erde schon immer ungleich verteilt. Eine Region ist reich an Kohle und Eisenerz, eine andere hat fruchtbaren Boden und ist geeignet, Nahrungsmittel zu produzieren. Nur entlang von Küsten kann es Fischfang geben. In Städten gibt es viele Menschen, die einerseits viel Nahrung benötigen, andererseits aber durch Verarbeitung von Rohstoffen Produkte herstellen, die anderswo, auf dem Land und in anderen Städten benötigt werden.

2. Die Ungleichverteilung der Resoucen hat schon immer auch die Spezialisierung von Regionen gefördert. Das hat dazu geführt, dass die Menschen in einer Region spezielle Kenntnisse in der Herstellung von Produkt x erlangten, während andere bekannt für die Herstellung von Produkt y waren.

3. Die Funktion des Handels: In der Theorie und meist auch in der Praxis nutzt es beiden Gruppen, wenn sie ihre Produkte austauschen.
Schon die Römer kannten die exclusiven Gewürze aus dem Orient und Okzident. In dem ersten europäischen "Kochbuch" des Römers Marcus Gavius Apicius sind Gerichte mit Pfeffer, Safran, Nelken, Zimt, Sesam, Koriander, Ingwer und Anis überliefert. Apicius reiste mit einem Schiff bis auf die arabische Halbinsel, um den Lebensmitteln und Gewürzen nachzuspüren. Der Pfeffer wurde schon im Römischen Reich in großen Mengen aus Indien importiert. Quelle.
geschrieben von 3SAT


4. Natürlich gibt es auch unfairen Handel, wenn z. B. einer der Partner ausgebeutet wird, z. B. durch militärischen Druck, systematische Bestechung von Funktionsträgern oder anderweitige Erpressung. Es ist deshalb gut, dass es Bewegungen wie Fairtrade gibt.

5. Der prinzipielle Nutzen von Handel wird jedoch deutlich, wenn z. B. der wirtschaftliche Aufschwung in Europa betrachtet wird, der durch die Schaffung des europäischen Binnenmarktes gelungen ist. Trotz aller Kritik und der immer noch vorhandenen und sich derzeit sogar vergrößernden sozialen Schere kann niemand bestreiten, dass es den Menschen in Europa noch niemals so gut gegangen ist wie in den Jahren seit Gründung des gemeinsamen Marktes 1958. Im Binnenmarkt gibt es keine Zölle mehr, der Handel ist frei möglich.

6. Umgekehrt zeigt die Geschichte, was passiert, wenn "Mauern" gebaut und Zölle angehoben werden.
Wer zeigen will, dass der freie Welthandel ein schützenswertes Gut ist, der muss sich mit Willis Hawley und Reed Smoot befassen. Das Smoot-Hawley-Gesetz gilt heute als eine der wichtigsten Ursachen dafür, dass aus der Rezession nach dem Börsenkrach vom 24. Oktober 1929 die Weltwirtschaftskrise wurde. Es ist ein Lehrbuchbeispiel für die schlimmen Konsequenzen, die Protektionismus nach sich zieht.
...
Der Präsidentschaftskandidat der Republikaner, Herbert Hoover, gewann die Wahl 1928 mit einem klar handelsfeindlichen Programm: Hoover wollte amerikanische Farmer vor ausländischer Konkurrenz schützen.
Quelle.
geschrieben von N. Piper in der Süddeutschen 2010 über die Weltwirtschaftskrise

Der Autor dieser Zeilen wusste noch nichts von Donald Trumpel und davon, wie aktuell 2017 sein Artikel sein würde. Hoffen wir inständig, dass die Folgen der amerikanischen Politik diesmal weniger dramatisch sein werden. Wenn doch nur aus der Geschichte gelernt würde.

Karl
pschroed
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Re: Warum gibt es Handel?
geschrieben von pschroed
als Antwort auf Karl vom 24.01.2017, 11:09:23
ZITAT Xi Jinping (Die Welt) bolted von mir

Sowohl Globalisierung als auch Digitalisierung verunsicherten derzeit Menschen, so dass »eine gewisse Rückkehr in überschaubare Lebensräume von manchen erträumt wird«.

Die richtige Antwort darauf sei aber nicht Abschottung, sondern Offenheit, sagte Merkel, ohne den neuen US-Präsidenten Donald Trump in ihrer Rede zu erwähnen. Dieser hat einen protektionistischen Kurs der neuen US-Regierung angekündigt.

Merkel zitierte den chinesischen Präsidenten Xi Jinping. Dieser habe gesagt, wer sich in einen dunklen Raum einschließe, werde zwar vor Regen und Wind geschützt - er erlebe aber auch kein Licht und keine Luft mehr. Deutschland habe mit der sozialen Marktwirtschaft nach 1945 das richtige Rezept gehabt, um sich aus einer völlige Zerstörung des Landes »und der Köpfe« wieder zu entwickeln.

Jetzt gelte es für die Prinzipen von Offenheit, Solidarität und Menschenwürde zu kämpfen. »Deshalb ist es ... nicht weiterführend, wenn wir versuchen, mit Polarisierung und Populismus die Probleme zu lösen«, mahnte sie.
Tina48
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Re: Warum gibt es Handel?
geschrieben von Tina48
als Antwort auf Karl vom 24.01.2017, 11:09:23
Besonders Punkt 4 "knallt mir da ins Auge" .
Europas Wohlstand gründet sich noch immer auf der Ausbeutung Afrikas.
Seit Jahrzehnten .
Ich bin mal gespannt, wann deswegen jemand auf die Straße geht . Ist schon lange überfällig .
Wenn nämlich alle diejenigen zu uns kommen, die von "uns" systematisch ausgebeutet werden , geraten wir in eine komplette Schieflage . Der Beginn ist ja bereits gemacht .

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sammy
sammy
Mitglied

Re: Warum gibt es Handel?
geschrieben von sammy
als Antwort auf Karl vom 24.01.2017, 11:09:23

4. Natürlich gibt es auch unfairen Handel, wenn z. B. einer der Partner ausgebeutet wird, z. B. durch militärischen Druck, systematische Bestechung von Funktionsträgern oder anderweitige Erpressung. Es ist deshalb gut, dass es Bewegungen wie Fairtrade gibt.
geschrieben von karl

....aber genau dieser Punkt (bzw.diese Punkte) beschert doch den sogenannten "Drittländer" ihren Stillstand bzw. verharren in der überwiegenden Armut.
Weil es eben eine Handvoll "Großkonzerne" in der Hand haben, ihre Gewinnmaximierung fast ausschließlich zu ihren Gunsten durchzusetzen.
Fairtrade ist letztlich ein kleines "Feigenblatt" für das eine oder andere Unternehmen.

sammy
olga64
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Re: Warum gibt es Handel?
geschrieben von olga64
als Antwort auf pschroed vom 24.01.2017, 11:12:42
FRüher führten die Staaten Kriege gegeneinander, in dem sie mit Waffen aufeinander losgingen und dafür sorgten, Millionen Tote zu produzieren.
Heute führen sie Handel zusammen - was erscheint eigentlich besser und auch humaner (unte diesem Gesichtspunkt)? Olga
Karl
Karl
Administrator

Re: Warum gibt es Handel?
geschrieben von Karl
als Antwort auf pschroed vom 24.01.2017, 11:12:42
Lieber Phil,

es ist schon erstaunlich, dass inzwischen China die Ideale des Freihandels hochhalten muss. Wir leben wirklich in verrückten Zeiten.

Karl

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britti
britti
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Re: Warum gibt es Handel?
geschrieben von britti
als Antwort auf Karl vom 24.01.2017, 23:23:25
Ich lese gerade das Buch "Das Ende der Megamaschine" von Fabian Scheidler. Es ist hochaktuell !! Normalerweise befasse ich mich meistens nicht mit Politik oder Handel,
aber das Weltgeschehen ist momentan soo aufregend, dass ich mir obiges Buch besorgte, welches vieles erklärt und auch mögliche Auswege aus der Sackgasse zeigt. Da es hier so gut ins Thema passt, habe ich es nicht in den Bücher-thread gestellt. Ich möchte es allen empfehlen.
olga64
olga64
Mitglied

Re: Warum gibt es Handel?
geschrieben von olga64
als Antwort auf Karl vom 24.01.2017, 23:23:25
Es ist m.E. ganz klar, dass China jetzt eine Chance sieht, die Lücke im pazifischen Freihandel zu füllen. Da gibt es aber das grosse Problem, dass dieser Freihandel Arbeitnehmerrechte (inkl. funktionierender Gewerkschaften) und freies Internet zur Bedingung macht. Und natürlich auch Transparenz und Offenlegung von Strukturen. All das gibt es in China nicht und dieser Koloss von Land wird sich auch lange schwer tun, hier Änderungen herbeizuführen. Umgekehrt wäre es aber eine Chance, dergestalt auf China einzuwirken, was sich bisherige Partnerstaaten ja nie so richtig getrauten (ausser einigen blumigen Worten vor den TV-Kameras). Da sieht man mal wieder, wofür Freihandelsabkommen auch gut sein könn(t)en. Olga
carlos1
carlos1
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Re: Warum gibt es Handel?
geschrieben von carlos1
als Antwort auf Karl vom 24.01.2017, 11:09:23
Zitat: „ Die Funktion des Handels: In der Theorie und meist auch in der Praxis nutzt es beiden Gruppen, wenn sie ihre Produkte austauschen.“ Karl


Lieber Karl, ein solcher Beitrag ist wichtig. Er verweist auf den Nutzen des Handels. Dieser Nutzen besteht in den „komparativen Kostenvorteilen“, einer Theorie, mit der David Riccardo zu Beginn 19. Jhd bereits die Vorteile des internationalen Handels begründete. Die Vorteile und damit der Nutzen erstrecken sich jedoch nicht nur auf Produkte sondern auch auf Dienstleistungen und damit auf die Zeit, die für die Herstellung eines Produkts/die Erbringung einer Leistung erforderlich ist.

Empirisch lässt sich die Notwendigkeit eines Vorteils ausschließlich aus ökonomischen Erfolgen wie etwa der Wirtschaftskraft eines einheitlichen Wirtschaftsraumes in Europa oder dem so gen. deutschen Wirtschaftswunder nach der Währungsreform von 1948 in der Bundesrepublik nicht ableiten. Auch in der DDR hat es ein Wirtschaftswunder gegeben, wenn auch in kleinerem Maßstab, unter wesentlich ungünstigeren Voraussetzungen. Die Abschottung durch die Mauer trug wesentlich zum Staatsversagen bei. Dankle lieber phil für deinen Hinweis auf China.

Die Fluchtbewegung aus der DDR (viele Firmen, Fachkräfte mit Knowhow) , der Koreakrieg ab 1950, die Öffnung der Weltmärkte, ferner die Verfügbarkeit von qualifizierten Arbeitskräften trugen ebenfalls dazu bei.

Karl, die Theorie der komparativen Kostenvorteile, die in deinem Beitrag unter Pnkt 3 bei dir benannt wird, ist auch in Frage gestellt worden, weil sie zu Beginn des 19. Jhd England als dem damals industriell am weitesten fortgeschrittenen Staat am meisten nutzen würde und Großbritannien zur Werkstatt der der Welt mache. Friedrich List hat im 19. Jhd für Dtld eine Industrialisierung vorgesehen unter Einbeziehung von Schutzzöllen. Um konkurrenzfähig zu sein, sollte die aufkommende industrielle Fertigung geschützt werden. Man darf nicht vergessen, dass England zu Beginn der Industrialisierung sorgfältig darauf bedacht war, den technologischen Vorsprung zu wahren. Verkauft wurden Produkte, aber nicht die Technik der Herstellung.
Der amerikansiche Sezessionskrieg (1861 ff) war ein Bürgerkrieg, der u. a. auch wegen der Frage Freihandel (Südstaaten) oder Schutzzollpolitik (Nordstaaten) geführt wurde.

Die EU mit dem freien Verkehr von Arbeit, Kapital und Waren ist dagegen anders konzipiert. Die Globalisierung hat in in der Bundesrepublik bereits lange vor der Wende ganze Industriezweige verschwinden lassen und viele Millionen Arbeitskräfte freigesetzt. Die industrielle Fertigung ist heute hochspezialisiert und weitgehend auf Nischenprodukte festgelegt. Massenproduktion einfacher Produkte ist in Dtld kaum mehr möglich.

Die erwähnte Weltwirtschaftskrise von 1930ff hat noch andere Ursachen als den Protektionismus des Smoot-Hawley-Gesetzes (Agrarsektor). Allerdings hat es den Ton vorgegeben in den USA. Die nach dem Börsenkrach vom Oktober 1929 einsetzende Neigung zur Abschottung und die Schrumpfung des Welthandels schwerwiegende Folgen gehabt. Nicht nur die USA sahen das Heil im Protektionismus.

Die Ursachen der Weltwirtschaftskrise lagen u. a. in der ungleichen Einkommen- und Vermögenstruktur und vor allem in dem unseligen Kreislauf der Reparationen. Dtld bezahlte seine Reparationen an GB und Frkrch mittels US-Anleihen. GB und Frkrch wiederum tilgten mit den deutschen Reparationszahlungen ihre Kriegsschulden in den USA. Als der Börsenkrach die USA erschütterte, forderten US-Banken ihre kurzfristigen Anleihen (viele Aktienkäufe in den USA mit geliehenem Geld! ) zurück. Leider hatten die Deutschen diese langfristig angelegt. So kam es zum Bankenkrach, der die Rezession verstärkte.
Auf die Gegenwart bezogen und die Trumpsche Politik darf gesagt werden, dass bei weitem derzeit nicht alle Staaten dem Protektionismus zuneigen. Dtld gehört zu den Staaten, in denen dem Freihandel (TTIP) mehr Misstrauen entgegen gebracht wird als im kommunistischen China. Die AfD und die WagenBartsch-Parteivorsitzende bringen der Trump-Politik durchaus Sympathie entgegen. Überhaupt beschränkt sich sie Diskussion in ökonomischen Fragen ganz ausschließlich auf Verteilung des Erwirtschafteten. Wie und wo und mit welchen Faktoren das Sozialprodukt erwirtschaftet wird, spielt keine Rolle. Die Verteilungsmasse ist einfach da wie im Schlaraffenland. Die Rahmenbedingungen im internationalen Handel sind jedoch von größter Wichtigkeit. Zur Erinnerung: Bei DDRlern sind es z. B. die hunderte Milliarden Marshallplangelder (von den „Amis“ ausgestreut), die das so gen. Wirtschaftswunder ermöglichten. Es war aber der nicht das wenige Geld, sondern der Aufbauwille und der freie Zugang zu den Weltmärkten, die entscheidend waren.
Ob Mr Trump weiß, wie klug und weitsichtig seine Vorgänger waren?
Im folgenden Wiki-Artikel über „Komparative Kosten“ werden Details erklärt.

Link: https://de.wikipedia.org/wiki/Komparativer_Kostenvorteil
gerd54
gerd54
Mitglied

Re: Warum gibt es Handel?
geschrieben von gerd54
als Antwort auf carlos1 vom 28.01.2017, 18:59:34
Mr. Trump überschätzt völlig die Fähigkeit der Wirtschaft in den USA und wird bald wirtschaftlichen Selbstmord betreiben wenn er so weitermacht. Sich den Märkten zu verschliessen führt zwangsläufig dazu führen das sie die Märkte woandershin orientieren als in die USA. China Japan, Indien Korea ... Der nahe Osten Wer nicht versteht welche Bedeutung diese Märkte haben muss wissen dass die USA geradezu hilflos ist, wenn Europa sich nach osten orientiert. Grossinvestoren aus China und dem nahen Osten werden fernbleiben und die Inovationskraft und Investitionskraft der USA entscheidend schwächen. Wer wie ein Holzklotz auf die Märkte losgeht muss sich nicht wundern, wenn die Anderen ohne Trump Markt machen. Trump unterschätzt völlig die Wirtschaftskraft Europas und Asiens. Er ist dort ein kleines Licht

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