Forum Finanzen & Wirtschaft Wirtschaftsthemen Was versklavt die Menschen am meisten: Maschinen oder die Organisation der Arbeitswelt?

Wirtschaftsthemen Was versklavt die Menschen am meisten: Maschinen oder die Organisation der Arbeitswelt?

arno
arno
Mitglied

Was versklavt die Menschen am meisten: Maschinen oder die Organisation der Arbeitswelt?
geschrieben von arno
Hallo,

in der Arbeitswelt wird immer mehr gefordert, bzw. die Arbeit verdichtet.
Der technische Fortschritt reduziert per Computer die geistige Tätigkeit
soweit, daß eine Entscheidung bereits die nächste Entscheidung anstehen
läßt.
Der Arbeitsablauf wird wohl mehrheitlich durch die Technik bestimmt.
Interessant ist die Frage: "Was ist die Ursache dieser ständig zunehmenden
Arbeitsverdichtung? Ist es die Technik oder ist es die Organisation der
Arbeitswelt?"

Viele Grüße
--
arno
carlos1
carlos1
Mitglied

Re: Was versklavt die Menschen am meisten: Maschinen oder die Organisation der Arbeitswelt?
geschrieben von carlos1
als Antwort auf arno vom 24.05.2008, 19:10:29
"...in der Arbeitswelt wird immer mehr gefordert, bzw. die Arbeit verdichtet.
Der technische Fortschritt reduziert per Computer die geistige Tätigkeit
soweit, daß eine Entscheidung bereits die nächste Entscheidung anstehen
läßt." arno


Viel auf einmal hineingepackt. Ist es aber nicht auch so, dass der technische Fortschritt den Menschen von der geisttötenden körperlichen Schwerstarbeit entlastet hat? Haben uns die Maschinen (unsere technischen Arbeitssklaven) nicht die Zeit verschafft, die wir für schöpferische Tätigkeiten nutzen könnten? Heute ist die Dauer der Arbeitszeit im Vergleich zu den vergangenen 200 Jahren stark reduziert. Ob wir die zeit kreativ nützen?

Mit "Verdichtung der Arbeit" ist vielleichtder Produktivitätsfortschritt gemeint, der durch die Technik ermöglicht wird. Die Technik aber ist das Ergebnis, Folge und praktische Anwendung wissenschaftlicher Erkenntnisse und Forschung. Insofern ist die Frage falsch gestellt, ob es auch die Technik sein könnte (neben der Organisation der Arbeitswelt), die die Ursache für dieser Entwicklung (zunehmende Arbeitsverdichtung) sind. Was Folge ist, kann nicht gleichzeitig auch Ursache sein. Einfacher wäre es, wenn mit Marx festgestellt würde, dass es Produktivkräfte gibt und Produktionsverhältnisse, eine Basis und einen Überbau . Nach Marx sind die Ursachen eindeutig: Die Produktivkräfte entwickeln sich und sie gestalten die Produktionsverhältnisse, bis sie mit Widersprüchen aufgeladen sind und umgewälzt werden in einer Revolution. Soll man unter Produktivkräften auch die Wissenschaften einordnen? Oder gehören sie nicht eher zum Überbau? Und wo begann alles? Wo liegen die Ursachen der rasanten Entwicklung der Produktivkräfte?

PCs gibt es nicht nur in der Arbeitswelt. Dort dient die IT der Steuerung des Produktionsprozesses. Sie sind eine wertvolle Arbeitshilfe, legen aber uns in unseren Entscheidungen nicht in jedem Falle fest.

adam
adam
Mitglied

Re: Was versklavt die Menschen am meisten: Maschinen oder die Organisation der Arbeitswelt?
geschrieben von adam
als Antwort auf arno vom 24.05.2008, 19:10:29
Hallo arno,

erlaube mir bitte die Frage, wessen geistige Tätigkeit am Arbeitsplatz per Computer verringert wird? Es wird doch nicht die geistige Tätigkeit reduziert, sondern die Arbeit rationalisiert. Und das führt zum Verlust von Arbeitsplätzen, aber keinesfalls zur Freisetzung von geistigen Kapazitäten!

Wenn dem so wäre, wären wir tatsächlich wieder das Volk der Dichter und Denker!

--

adam

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schorsch
schorsch
Mitglied

Re: Was versklavt die Menschen am meisten: Maschinen oder die Organisation der Arbeitswelt?
geschrieben von schorsch
als Antwort auf arno vom 24.05.2008, 19:10:29
Die "Verdichtung" führt dazu, dass wir in immer weniger Zeit das verdienen, was wir in der gewonnenen Zeit für Unnützes verbrauchen!

--
schorsch
arno
arno
Mitglied

Re: Was versklavt die Menschen am meisten: Maschinen oder die Organisation der Arbeitswelt?
geschrieben von arno
als Antwort auf carlos1 vom 24.05.2008, 23:36:10
Hallo, carlos 1,

meine Frage ist schon richtig gestellt.
Die Ursache (Triebfeder) für den technischen Fortschritt ist nicht die Wissenschaft, sondern
der Wettbewerb!

Durch Automation, technischen Fortschritt, Wissenschaft, usw. wächst ständig die Zahl der Menschen,
die arbeitslos werden und gesellschaftlich "links liegengelassen bzw. kriminalisiert" werden!
Vergessen wird, daß die Arbeitslosigkeit das Resultat des riesigen Erfolges des Kapitalismuses ist.
Die Auswirkungen davon sind, daß das Sozialsystem ausgehungert wird und die Aktionäre, Vorstände und
Unternehmer immer reicher werden!
Die Wertvorstellungen der Beschäftigten verändert sich zur Zeit dramatisch.
Die Politik kann die alten Sozialsysteme nicht mehr lange aufrecht erhalten und
notwendige Veränderungen werden durch Flickschustereien ersetzt.
Die Wirtschaft nutzt die ihnen von den Politikern zur Verfügung gestellte Spielwiese
so lange, bis der Karren vor die Wand gefahren ist.
Die Politiker lassen so die Versklavung aller Berufstätigen zu.
Eine neue Organisation der Arbeitswelt ist eine politische und
keine gewerkschaftliche Aufgabe mehr!

Viele Grüße
--
arno
carlos1
carlos1
Mitglied

Re: Was versklavt die Menschen am meisten: Maschinen oder die Organisation der Arbeitswelt?
geschrieben von carlos1
als Antwort auf arno vom 25.05.2008, 19:46:07
"Was ist die Ursache dieser ständig zunehmenden
Arbeitsverdichtung? Ist es die Technik oder ist es die Organisation der Arbeitswelt?" Arno

Hallo arno, wenn du die Frage so stellst, also Technik óder Organisation der Arbeitswelt, lässt du nur die Wahl zwischen diesen beiden zu. Das führt zunächst einmal in die Irre, weil wir uns an diesen beiden Dinge festbeißen. In dem letzten Beitrag hebst du nun auf den Wettbewerb als Triebfeder (von dir mit Ursache gleich gesetzt) ab. Damit beginnt schon die Problematik. Eine Ursache ist als solche nicht mehr ableitbar aus anderen Vorgaben, eine Triebfeder als eine bewegende Kraft schon, denn irgendetwas muss sie zu dem gemacht haben, womit sie andere(s) antreibt.

Du gehst von Beobachtungen aus, die du verallgemeinerst. Für deine Beispiele, denen ich in einigen Aspekten zustimmen kann, lassen sich aber auch gegenläufige Feststellungen treffen. Die Automation verändert die Arbeitswelt und setzt Arbeitskräfte frei. Ja, sie fordert aber auch für die Herstellung der Automaten immer mehr gut ausgebildete Fachkräfte. Es ist vielen nicht klar, wie sehr der Mangel an gut ausgebildeten Fachkräften (Ingenieuren) die Ausweitung der Produktion und damit die Beschäftigung weiterer Arbeitskräfte hemmt und damit auch zusätzliches Wachsttum (notwendig für Steuern!). Es ist im Moment nicht mehr möglich Hunderttausende von Stellen zu besetzen. Die Zahl der offenen Stellen betrage 1 Million (las ich neulich). Das Problem liegt u.a. im Bildungsbereich, der fehlenden Flexibilität der Arbeitskräfte und einer verfehlten Personalpolitik der Unternehmen.

Die Arbeitslosigkeit sei Resultat des "riesigen Erfolges" des "Kapitalismus", der die Produktivkräfte voll entfaltet hat, aber die Menschen vergaß. Was soll das für ein Erfolg sein?? Das ist allgemeine Kulturkritik, kommt immer gut an, ist aber historisch, politisch und ökonomisch nicht unproblematisch. Die traditionelle Arbeitsorganisation und Arbeitsweise vor dem Beginn der industriellen Revolution war unter dem Einfluss der Zunftorganisation und des Genossenschaftswesens für den Einzelnen in stärkerem Maße restriktiv und repressiv als heute. Die fürchterlichen Elendszustände und die sehr weit verbreitete Armut im Mittelater und der frühen Neuzeit in der traditionellen Arbeitswelt vor der Industrialisierung lassen sich nicht in kurzen Worten beschreiben. Von der Angst als ständigem Begleiter will ich gar nicht reden. Angst vor Krankheit, schlechter Ernte, Angst totgeschlagen zu werden, wenn des dem Herrn gefiel etc. Bei schlechten Ernten im Mittelalter verhungerten die Menschen einfach. Noch um 1800 waren fast 90% aller Menschen in Deutschland Bauern und zumeist vom Grundherrn abhängig, durften ohne sein Genehmigung nicht heiraten, nicht einmal wegziehen, wenn es ihnen am Ort nicht mehr gefiel.
Wenn du das heutige Sozialssystem in einem Zustand siehst, indem es "ausgehungert wird", so hat das wenig mit der Realität zu tun. Praktisch jeder zweite Euró, der heute in Deutschland ausgegeben wird, wird im sozialen Bereich ausgegeben. Bei einem Bruttosozialprodukt von knapp 2 Billionen Euro sind es über 800 Mio Euro. 80 Mrd werden allein aus Steuern über den Bundeshaushalt für die Rentenkasse beigesteuert. Allerdings bedeutet Quantität nicht immer Qualität. Mit diesem Mitteleinsatz könnten ganz andere Ergebnisse erzielt werden. Ein Verteilungsproblem also. Nicht zu vergessen die gigantische, wuchernde Bürokratie, die für die Verteilung der Milliarden zu sorgen hat. Schätzungsweise 200 Mrd Euro werden dafür ausgegeben. Welche Spielwiese wird denn von der Politik der Wirtschaft zur Verfügung gestellt? Wenn in Deutschland sich jemand selbständig machen will, hat er entweder keine Ahnung von den Gesetzen, die er einzuhalten hat oder er überschätzt sich leichtfertig. Er wird mit einer solchen Masse von Gesetzen und Verordnungen zugedeckt, dass er sich ohne sein Wissen schon schuldig macht, wenn er den Mut hat den ersten Schritt in die Selbständigkeit zu tun. Wir sind Sklaven eines nicht mehr durchschaubaren Paragrafendschungels und im Fabriksystem dem Diktat der Uhr unterworfen. Wie willst du dies in einer neuen Arbeitsorganisation beheben. Jeder soll arbeiten nach Lust und Laune?

Die Politik habe deiner Meinung nach die Aufgabe "eine neue Organisation der Arbeitswelt" durchzuführen. Jede neue Organisation wird die Aufgabe haben, die bis dato zur Verfügung stehenden Mittel noch weiter aufzustocken. Alles, was ausgegeben werden soll, muss zuerst einmal erarbeitet werden. Das wird nur durch Zwangsmaßnahmen möglich sein. Mit der Vertröstung auf eine herrliche unbeschwerte Zukunft mit der historisch einmalig gelungenen neuen Arbeitsorganisation in der Zukunft wird es nicht gehen. Dies Muster kennen wir schon.

In der letzten Woche wurde der Armutsbericht der Bundesregierung veröffentlicht. Die Ursachen der Armut liegen demnach in der Langzeitarbeitslosigkeit, der Lebenssituaiton Alleinerziehender und den fehlenden schulischen Abschlüssen. Krankheit nicht zu vergessen. Der Versorgungsstaat sorgt durch dauerhafte Alementierung für Ruhigstellung der Betroffenen. Das ist keine Lösung auf Dauer. Dem Einzelnen müssen faire Einstiegs- und Aufstiegschancen geboten werden. Bildungsmangel und miserable Schulen behebe ich nicht mit Mindestlöhnen.

Dir noch einen schönen Abend
c.

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