Barrierefrei reisen: Die Welt sehen trotz Handicap

Reisen erweitert den Horizont. Bereits heimisch Regionen zu erkunden, kann ein interessantes Erlebnis sein. Noch beeindruckender sind meist Reisen in ferne Länder. Dort lassen nicht nur atemberaubende Landschaften bewundern, es gibt auch andere Kulturen, alternative Lebensweisen und so manche kulinarische Köstlichkeit zu entdecken.
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Möglichst viele Reisen zu unternehmen und so die Welt zu entdecken, ist für viele Menschen ein Traum, den sie sich spätestens im Alter erfüllen möchten. Doch den großen Reisplänen schiebt nicht selten irgendwann die Gesundheit einen Riegel vor. Körperliche Gebrechen, chronische Erkrankungen oder Behinderungen können die Mobilität und die Selbstbestimmung maßgeblich einschränken und damit den Traum von der großen Reise buchstäblich in weiter Ferne rücken lassen. Dabei ist begrenzte Mobilität längst kein Grund mehr, um das Reisen aufzugeben. Es bedarf lediglich einer guten Planung. Viele Länder haben die Zeichen der Zeit längst erkannt und ihren Service für Touristen um denn immer wichtiger werdenden Aspekt der Barrierefreiheit erweitert. Barrierefreies Reisen ist ein zentraler Bestandteil der Tourismusbranche geworden. Diese Entwicklung eröffnet älteren und körperlich eingeschränkten Menschen viele Möglichkeiten und der Traum vom Reisen rückt wieder in greifbare Nähe. 

Den Urlaubsort grenzenlos genießen

Barrierefreiheit bedeutet, dass Menschen mit einer körperlichen Einschränkung, aufgrund derer sie eine Gehhilfe oder sogar einen Rollstuhl benutzen müssen, sich frei bewegen können, ohne Stufen, Schwellen oder Hindernisse überwinden zu müssen. Nur wer sich barrierefrei bewegen kann, ist im Alltag selbstbestimmt und kann mit möglichst wenigen Einschränkungen am Leben teilhaben.
 
Im heimischen Umfeld lässt sich die Barrierefreiheit meist durch gezielte Umbaumaßnahmen erreichen, damit Menschen mit körperlichen Einschränkungen oder Behinderungen ihren Alltag auch weiterhin selbstbestimmt organisieren können. Im Urlaub sieht es da aber häufig anders aus. Noch immer gibt es zahlreiche Hotels und Unterkünfte, in denen Stufen zu überwinden sind, um zum Beispiel das Zimmer, das Restaurant oder verschiedene Freizeitangebote zu erreichen. Für Menschen, die auf einen Rollstuhl oder auf eine Gehhilfe angewiesen sind, diese Hindernisse meist nicht oder nur mit Hilfe zu überwinden. Selbstbestimmtes Reisen ist damit kaum möglich.
 
Vor allem in Deutschland aber auch in anderen europäischen Ländern hat sich inzwischen die Achtsamkeit gegenüber Menschen mit körperlichen Einschränkungen stark gewandelt und das Thema Barrierefreiheit ist auch im Bereich Tourismus stark in den Fokus gerückt. In Reisebüros und Buchhandlungen sind spezielle Reiseführer für Urlauber erhältlich, die auf barrierefreies Reisen angewiesen sind. Auch Reisebüros und Reiseveranstalter haben die Bedeutung eines speziellen Serviceangebotes für Menschen mit körperlichen Einschränkungen erkannt und heute gibt es verschiedene Anbieter, die ganz auf die Organisation von Reisen für körperlich eingeschränkte Menschen spezialisiert haben. Das Internetportal behindertenreisen.de hat einige renommierte Reiseveranstalter aufgeführt, die sich besonders mit den Bedürfnissen älterer oder behinderter Menschen auskennen und deren Serviceangebot speziell auf die Anforderungen einer Reise mit Handicap zugeschnitten ist.

Die richtige Unterkunft finden

Im Jahr 2005 haben die Behindertenverbände sich gemeinsam mit dem Deutschen Hotel- und Gaststättenverband (DEHOGA) auf eine einheitliche Klassifizierung behindertengerechter Hotels, Unterkünfte und Gaststätten geeinigt. Daran anknüpfend hat der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband auf seiner Internetseite ein Handbuch für die Hotellerie und Gastronomie bereitgestellt, aus dem Gewerbetreibende der Branche sich Checklisten für die barrierefreie Gestaltung ihrer Räumlichkeiten herunterladen können. Das Handbuch wurde in Zusammenarbeit mit dem Bundeskompetenzzentrum für Barrierefreiheit (BKB) und dem Hotelverband Deutschland erstellt. Die Richtlinien und Anforderungen an barrierefreies Reisen werden in Zusammenarbeit mit den verschiedenen Behindertenverbänden ständig weiterentwickelt und im Rahmen Initiative "Einfach teilhaben" des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales konsequent umgesetzt. Dabei kommt es nicht allein auf die barrierefreie Gestaltung der Räumlichkeiten an. Auch das Personal muss speziell geschult sein, damit ein Hotel seinen Service optimal auf die Anforderungen und Bedürfnisse von Menschen mit körperlichen Einschränkungen anpassen kann. Dazu gehört auch, dass das Hotel sich mit den umliegenden Sehenswürdigkeiten und Freizeitangeboten gut auskennt und den Gästen zum Thema Barrierefreiheit und Zugangsbeschränkungen möglichst vieler touristischer Attraktionen mit ausführlichen Informationen weiterhelfen kann.
 
Barrierefreie Hotels, Unterkünfte und Restaurants stehen heute in vielen Ländern zur Verfügung und können bei der Buchung gezielt ausgewählt werden. So können Reisende zum Beispiel über das Internetportal Rewe-Reisen mit einer einfachen Suchmaske direkt nach rollstuhlgerechten Hotels suchen. Wer bei der Wahl der passenden Unterkunft gerne auf Erfahrungsberichte setzt, ist mit dem Rollstuhl-Kurier, der Zeitschrift für Rollstuhlfahrer und mobilitätsbehinderte Menschen gut beraten. Das Magazin erscheint viermal jährlich und beinhaltet neben zahlreichen anderen interessanten Themen für Rollstuhlfahrer und Menschen mit körperlichen Einschränkungen auch ausführliche Reiseberichte und persönliche Erfahrungen mit rollstuhlgerechten Hotels. 

Barrierefrei ans Ziel kommen

Bevor der Urlaub am Traumziel barrierefrei und damit völlig selbstbestimmt genossen werden kann, will aber auch die An- und Abreise und die Mobilität am Urlaubsort gut geplant sein. Auch im Bereich Personentransport hat sich in den letzten Jahren vieles zum Positiven verändert und die Einschränkungen für Menschen mit körperlichen Handicaps sind heute vielerorts weniger spürbar als noch vor zwanzig Jahren.
 
Damit sich nicht nur der Aufenthalt am Urlaubsort problemlos gestalten lässt, müssen auch für die An- und Abreise und für Ortswechsel während der Reise Möglichkeiten zur Verfügung stehen, die ohne Einschränkungen und umfangreichere Hilfe genutzt werden können. Dazu zählt eine barrierefreie Infrastruktur von Städten und den verantwortlichen Verkehrsträgern sowie ein behindertengerechter Service von speziell geschulten Mitarbeitern an allen Positionen der Verbindungskette. Niedrigschwellige Zugänge zu Bus- und Bahnsteigen, Einstiegshilfen in Form von absenkbaren Trittstufen, ebenerdige Zugänge zu öffentlichen Verkehrsmitteln und Fahrstühle zur Überwindung von Höhenunterschieden sind heute zumindest im Bereich größerer Städte häufig anzutreffen und werden bei neuen Bauvorhaben und Umbauarbeiten in der Regel gleich mitberücksichtigt.
 
Gerade bei der Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel sollte aber nicht nur eine allgemeine Barrierefreiheit berücksichtigt werden, sondern auch die speziellen Anforderungen von geistig behinderten oder seh-, sprach- und hörbehinderten Menschen. Bodenrillen dienen vielfach als Leitsystem für sehbehinderte Menschen. Außerdem lassen sich Fahrkartenautomaten und Fahrpläne vielfach bereits auditiv und sprachgesteuert bedienen. Hier muss sich aber in Zukunft noch vieles tun, damit körperlich eingeschränkte Menschen im Alltag und auf Reisen mobil bleiben.
 
So müssen Züge zum Beispiel mit zusätzlichen Plätzen für Rollstuhlfahrer und Menschen mit Behinderung ausgestattet werden. Eine Mitreise ist bisher in vielen Zügen nur in einzelnen Waggons möglich. Organisatorische Hilfe bei der Planung und Umsetzung einer Bahnreise erhalten Menschen mit Bewegungseinschränkung bei der Mobilitätsservicezentrale der Deutschen Bahn. Hier können Informationen zur Barrierefreiheit einzelner Bahnhöfe, geeigneten Zügen zur Fahrt mit dem Rollstuhl und Mindestumstiegszeiten eingeholt werden. Außerdem ist es möglich, per Online-Formular oder über eine bundesweite Servicenummer eine Hilfsperson anzufordern, die vor Ort beim Ein-, Aus- und Umsteigen helfen kann. Da ein solcher Service nicht an allen Bahnhöfen zur Verfügung steht, sollten sich Reisende deshalb rechtzeitig im Voraus über die Unterstützungsmöglichkeiten durch das Bahnpersonal informieren. 

In Begleitung reisen

Eine Reise in netter Gesellschaft macht meist nochmal so viel Spaß. Aber nicht immer besteht die Möglichkeit, dass Familienangehörige oder Freunde mit auf Reisen gehen. Wer nicht auf eine Reisebegleitung aus dem privaten Umfeld zurückgreifen kann, muss trotzdem nicht allein die Welt erkunden. Es gibt zahlreiche Stellen, die Reisebegleiter für Menschen mit körperlichen Einschränkungen vermitteln.
 
Der gemeinnützige Verein Freizeit ohne Barrieren e. V. stellt auf Wunsch zum Beispiel Reisebegleiter für Kinder, Jugendliche und Erwachsene, die ein Land innerhalb Europas bereisen oder auch nur einen kurzen Ausflug gestalten möchten. Die Suche nach einem Reisebegleiter erfolgt telefonisch oder per E-Mail und wird persönlich von den Mitgliedern des Vereins betreut. So lassen sich auf einer Urlaubsreise auch noch nette Kontakte knüpfen, die vielleicht länger erhalten bleiben als nur für die Dauer der Urlaubsreise. 

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