Rollstuhl im Alltag – diesen Herausforderungen müssen Sie sich stellen

Rollstuhlfahrer haben einen anderen Blick auf unsere Welt. Während Fußgänger meist problemlos Unebenheiten im Bodenbelag ausgleichen, seitlich abfallende Gehwege passieren können und leichte Kanten kein Problem darstellen, werden diese Situationen für Rollstuhlfahrer zur Herausforderung.
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Geländefahrt

Nicht selten ist das Gelände bereits vor der Haustüre steigend oder abfallend, selbst mitten im Stadtgebiet. Ebenso wie Fußgänger möchten Rollstuhlfahrer schöne Stunden in freier Natur erleben. Für Geländefahrten ist ein Rollstuhl empfehlenswert, der sowohl im Innen- als auch Außenbereich einsatzfähig ist. Diese für innen und außen klassifizierten Hilfen werden von den gesetzlichen Kostenträgern meist pauschal abgerechnet. Dies bedeutet eine zeitlich begrenzte Nutzungsdauer.

Für das Gelände geeignete Modelle sind mit größeren Antriebs- und Lenkrädern ausgestattet. Ein Vorderrad ist ratsam, da dieses für mehr Wendigkeit sorgt. Für Ausfahrten im Gelände sollte der fahrbare Untersatz auch mit einem Fahrtrichtungsstabilisator ausgestattet sein.

Hindernisse

Die Zahl unterschiedlicher Hindernisse ist groß: Für Rollstuhlfahrer handelt es sich allen Hindernissen um wahre Mobilitäts-Bremsen, deren Überwindung große Mühe bereitet. Steigungen und Gefälle sind ebenso schwierig zu meistern wie Stufen. Zudem stellen auch Schwellen eine Herausforderung dar. In Wohnungen erschweren es Teppiche die Fortbewegung, während im Außenbereich bereits kleine Bordsteine zu unüberwindbaren Hindernissen werden.

Hilfen zur Bewältigung dieser Hindernisse

Rollstuhlfahrer sind entweder auf die Hilfe von Dritten oder auf Hilfsmittel angewiesen. Leider stehen den gehbehinderten Personen nicht alle Helferchen kostenlos zur Verfügung! Nicht jeder Rollstuhlfahrer kann es sich leisten, einen Treppensteiger, eine Treppenraupe, eine Rampe oder einen Plattformlift zu erwerben.

Treppensteiger und Treppenraupen

Stufen stellen eine schwierig zu meisternde Hürde dar und Treppenhäuser sind nur mit einer Treppenraupe oder einem Treppensteiger überwindbar. Hierbei handelt es sich um Hilfsmittel für einen manuellen Rollstuhl. Wer einen Schwerlastrollstuhl besitzt, muss erst abklären, ob die Kombination mit einer Treppenraupe oder einem Treppensteiger möglich ist. Aus Sicherheitsgründen ist die Kombination bei einigen Modellen ausgeschlossen.

Rollstuhlrampen

Wenn weder Treppensteiger noch eine Treppenraupe infrage kommen, sind Gehbehinderte auf eine Rollstuhlrampe angewiesen. Die gesetzliche Krankenkasse bezahlt im Regelfall eine mobile Rollstuhlrampe.

Im Gegensatz dazu müssen Rollstuhlfahrer für die Kosten einer fixen Rampe meist selbst aufkommen.

Ein wichtiges Kriterium einer Rollstuhlrampe ist jedoch eine geringe Neigung. Nur bei einer geringen Steigung ist die Gefahr eines Abrutschens gering. Die richtige Rollstuhlrampe gibt es beim Rampenberater von barrierefrei.de.

Plattformlift

Treppen können auch mit einem Plattformlift überwunden werden. Leider übernimmt die gesetzliche Krankenkasse nur in Ausnahmefällen die Kosten.

Unterfahren eines Tisches

Das Unterfahren eines Ess- oder Gartentisches stellt oftmals ein Problem dar. Die Standardhöhe von Stühlen liegt bei 45 Zentimetern, während die Sitzhöhe eines Rollstuhles eine Höhe von 50 Zentimetern aufweist.

Transfer

Der Transfer zwischen dem fahrbaren Untersatz und dem Bett, der Toilette und einem Stuhl ist äußerst mühsam und kann nicht immer selbstständig erfolgen. Das Umsetzen ist ein zeit- und kraftraubender Akt.

Die unangenehme und oftmals schmerzvolle Prozedur kann auch als beängstigend empfunden werden.

Bereits bei der Auswahl des Rollstuhls sollte auf eine Stehfunktion geachtet werden. Modelle mit Beinstütze, Liege- oder Relaxfunktion verringern die Transferanzahl, da die Betroffenen bequem sitzen oder liegen können.

Aufstehhilfen können eine wertvolle Unterstützung leisten. Hierbei handelt es sich um einen Katapultsitz oder Sitzlift.

Natürlich kosten diese Extras und sind für viele Rollstuhlfahrer unbezahlbar.

Engpässe

Rollstuhlfahrer sind in ihrem Alltag häufig mit Engpässen konfrontiert. Während sich Fußgänger gekonnt durch enge Passagen schlängeln, müssen Rolli-Fahrer eine alternative Route auswählen. Schmale Türen können zum Verhängnis werden. Es ist nicht ausreichend, wenn die Tür ein bis zwei Zentimeter breiter ist als der Rollstuhl! Damit Gehbehinderte durch die Türe fahren können, ist ein Mindestabstand von vier Zentimetern notwendig! Ansonsten besteht das Risiko von gequetschten Fingern.

Fahrten im Auto

Nur wenige Rolli-Fahrer können all ihre notwendigen Wege ohne Mitfahren in einem Auto bewältigen. Zahlreiche Betroffene sind auf den Transport in einem Auto angewiesen – sei es, um einen Arzt zu besuchen, arbeiten zu gehen oder Freunde zu besuchen. Aus Gründen der Sicherheit ist das Umsetzen auf den Autositz empfehlenswert. Der Transport des Gefährts erfolgt als gesichertes Gepäck. Für Gehbehinderte erweisen sich mobile Umsetzhilfen für Fahrten im Auto als praktisch. Leider ist das Umsetzen nicht immer möglich, weil die Angehörigen diesen speziellen Transfer nicht bewerkstelligen können. Ebenso können nicht alle Rollstuhlfahrer sicher auf einem Autositz sitzen.

Spezielle Sicherungssysteme im Auto

Laut Straßenverkehrsordnung muss ein Sicherungssystem eingesetzt werden, welches der ISO 10542-2 entspricht. Der Einbau wird oftmals nur von Spezialformen durchgeführt und kostet natürlich extra.

Finanzierung

Auf den ersten Blick erscheint die Finanzierung von Hilfsmitteln als unproblematisch, da die gesetzlichen Krankenkassen etwa 90 Prozent der Deutschen unterstützen. Jedoch werden nicht alle Hilfsmittel bezahlt und oftmals ist der finanzielle Beitrag kaum erwähnenswert. Speziell Privatversicherte leiden unter ihren Verträgen, da sie oftmals keinen Anspruch auf eine Kostenübernahme für diverse Hilfsmittel haben.

Rezeptierung

Die Versorgung mit Hilfsmitteln ist vom Rezept abhängig, welches der Arzt verschreibt. Wer die Hilfsmittelversorgung in der Klinik erhält, kann sich meist über ein ausführliches Rezept mit extra Begründungen freuen. Vorsicht ist jedoch angesagt, wenn die Versorgung mit Hilfsmitteln zu Hause erfolgt. Es kann vorkommen, dass das Rezept nur minimalistisch ausfällt.

Schnee

Für einen wintertauglichen Rollstuhl ist ein Stollenprofil das A und O. Nur, wenn das Profil der Antriebsräder tief und das Lenkrad breit ist, können Rolli-Fahrer geringe Schneemengen überwinden. Zudem sollten der Rollstuhl mit einem Schnellverschluss an den Lenkrädern ausgestattet sein, damit der Wechsel schneller erfolgt.

Hohe Schalter und Tresen

Eine weitere Barriere stellen hohe Schalter beispielsweise in Banken dar. Die Betroffenen haben damit zu kämpfen, sich sichtbar zu machen. Oftmals ist dies nur durch mühsames Hochstemmen möglich.

Auch in Bars stellen hohe Theken ein Problem dar. Meist ist es den Rolli-Fahrern nicht oder nur mit Mühe möglich, ihr Getränk darauf abzustellen. Die Aufgabe einer Getränkebestellung kann ebenso problematisch und deprimierend sein, da der Kellner den Betroffenen oftmals gar nicht wahrnimmt.

Nicht alle Wohnungen, Shops, Hotels und Arbeitsplätze sind barrierefrei

Für Fußgänger ist es nicht wichtig, ob der Zutritt zu Gebäuden barrierefrei ist oder nicht. Für einen Rolli-Fahrer ist eine barrierefreie Bauweise entscheidend dafür, ob ein Zutritt möglich ist.

Einschränkungen im Urlaub

Ein Urlaub mit dem Rollstuhl muss gut geplant sein und bedarf einiges an Vorbereitung. Rolli-Fahrer können nicht einfach das günstigste Angebot in Anspruch nehmen. Ihr Fokus liegt auf Barrierefreiheit im Hotel, einen unkomplizierten Transport und Ausflüge, die für Rollstuhlfahrer geeignet sind.

Unangenehme Blicke

Jeder Rollstuhlfahrer ist mitleidigen Blicken ausgesetzt. Diese Blicke sind nicht ermutigend! Nicht jeder Rollstuhlfahrer möchte das Mitleid der Mitmenschen bei allen Ausfahrten wahrnehmen. Oftmals wird hinter vorgehaltener Hand getuschelt und nicht jeder Passant ist hilfsbereit.

Geringe Auswahl an Sportarten

Zahlreiche Rollstuhlfahrer sind begeisterte Sportler. Leider ist die Auswahl an möglichen Sportarten begrenzt. Nur in wenigen Dörfern gibt es Sportvereine für Rollstuhlfahrer. In größeren Städten zählen Rollstuhl-Basketball und Rollstuhl-Tennis ganz oben auf der Beliebtheitsskala. 

Weniger Kontakte

Freundschaft ist für jeden wichtig. Leider distanzieren sich manchmal Personen, wenn ein Freund im Rollstuhl landet. Mögliche Gründe sind fehlende gemeinsame Aktivitäten, Mitleid, Unsicherheit im Umgang mit dem Rolli-Fahrer und die Angst, etwas Falsches zu sagen. Da alle Aktionen mit einem vermehrten Aufwand verbunden sind, kommt es zu selteneren Treffen.

Eingeschränkte Berufswahl

Für Rollstuhlfahrer stehen nicht so viele Türen offen wie für Fußgänger. Es gibt zahlreiche Berufe, die Rolli-Fahrer leider nicht ausüben können. Mittlerweile haben es Rollstuhlfahrer leichter, da es eigene Jobportale für Menschen mit körperlicher Beeinträchtigung gibt. Zu den beliebtesten Branchen zählen die Planung und Konstruktion, Elektrotechnik ebenso wie Metall und Maschinen. Rollstuhlfahrer sind auch oft in der Gebäudetechnik, im Fahrzeugbau, Bauwesen oder in der Logistik beschäftigt.

Verweigerter Zutritt

Viele Rolli-Fahrer erleben einen verweigerten Zutritt aus Sicherheitsgründen als Diskriminierung. Immer öfter wird behinderten Menschen der Zutritt zu öffentlichen Einrichtungen, Kinos und Veranstaltungen verwehrt. Als Grund wird angegeben, dass Rollstuhlfahrer ein Sicherheitsproblem darstellen.

Wenn sich die Gehbehinderten aus rein baulicher Sicht problemlos Zutritt verschaffen könnten, stellt ein verweigerter Zutritt eine Ausgrenzung dar.

Schwere Türen

Wer schon einmal verletzt war, kann vielleicht nachvollziehen, dass das Öffnen von schweren Türen ein wahrer Kraftakt ist. Wer dann noch dazu vielleicht mit Schmerzen im Rollstuhl sitzt, hat keine Chance, diese Türe zu öffnen. Im Eigenheim ist es zwar möglich, einen Türöffner anzubringen, jedoch gibt es zahlreiche schwere Türen im Alltag, die ohne fremde Hilfe verschlossen bleiben.

An- und Ausziehen

Für Rolli-Fahrer stellt das An- und Ausziehen eine wahre Prozedur dar, die zeitraubend ist. Oftmals nimmt das An- und Ausziehen täglich mehrere Stunden in Anspruch.

Körperhygiene

Eine weitere Hürde im Leben eines Gehbehinderten stellt die Körperhygiene dar. Während Fußgänger einfach in die Dusche spazieren, benötigen Rollstuhlfahrer entweder Hilfsmittel oder eine Assistenz. Schon alleine das Zähneputzen oder Waschen des Gesichts ist mit Mühe verbunden und kräftezehrend.

Toilettengang

Der Gang auf die Toilette ist ein weiterer Kraftakt, der oftmals nicht ohne fremde Hilfe bewerkstelligt werden kann.

Fazit

Rollstuhlfahrer haben mit erschwerten Alltagsbedingungen zu kämpfen, sei es im Eigenheim, im Beruf, beim Transport oder in öffentlichen Verkehrsmitteln. Als Rolli-Fahrer ist die Hilfe von Dritten notwendig, da der Alltag meist nicht selbst bewerkstelligt werden kann. Zahlreiche Hürden erschweren das Leben, mitleidige Blicke sind keine Seltenheit und natürlich kommen auch finanzielle Sorgen dazu, da nicht alle Hilfsmittel von der Krankenkasse übernommen werden.

Wir möchten alle Rollstuhlfahrer ermutigen, sich nicht unterkriegen zu lassen! Das Leben ist lebenswert, auch wenn die Anzahl der täglichen Hürden enorm ist.
 

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