Vom Dieselgipfel zum Aschehaufen

Letzte Hoffnung für Dieselfahrer im Keim erstickt – es bleiben Fahrverbote und die drohende Verjährung der Ansprüche.
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©poiwara | Pixabay.com

Der Diesel-Gipfel der vergangenen Woche, versprach zunächst Großes für Umwelt- und Verbraucherschutz im Dieselskandal. Schließlich war eine faire Aufklärung des systematischen Betrugs der Hersteller und dessen gravierenden Folgen nach drei Jahren mehr als überfällig. Die Ergebnisse, die am Tag danach von Verkehrsminister Scheuer (CDU) und Umweltministerin Schulze (SPD) in der Bundespressekonferenz verkündet wurden, machten aus dem Gipfel dann allerdings postwendend ein kleines Aschehäufchen für alle Betroffenen. Denn beschlossen wurde in dem, dramatisch in der Nacht ausgetragenen, Krisentreffen nur eines – ein brandneues Konjunkturprogramm für die Autoindustrie.

Spätestens jetzt dürften Dieselfahrer wütend sein

Hatte man vorher noch den Eindruck der Ton gegenüber den Autoherstellern hätte sich nun endlich drastisch verschärft, kam direkt die Ernüchterung:
Das Konzept der GroKo beinhaltet lediglich ein Umtausch- und Leasingpaket, dessen Details den Herstellern überlassen bleiben und – nur vielleicht – die lang umstrittene Hardware-Nachrüstung. Diese Angebote werden allerdings nur den Anwohnern und Pendlern der 14 am stärksten vom Stickstoffausstoß belasteten Städte in Deutschland zur Verfügung stehen. Auch gibt es derzeit keinerlei Zusagen der Autohersteller, die vollen Kosten für die Hardware-Nachrüstung zu übernehmen. Die Bundesminister können zudem weder Informationen zur konkreten Umsetzung noch über das zeitliche Spektrum des Vorhabens geben. Hinsichtlich der akut drohenden Fahrverbote stellt die Hardware-Nachrüstung also eine Auswahlmöglichkeit für Betroffene dar, die eigentlich gar keine ist. Der “Umtausch” ist mit finanziellem Einsatz des Autobesitzers verbunden, den sich wohl der Großteil nicht leisten kann. Dass dies das präferierte Programm der Industrie ist, muss wohl nicht betont werden. Denn unter dem Titel “Prämie” verbergen sich lediglich Rabatte seitens der Hersteller, die unwesentlich höher liegen dürften, als die, die ohnehin auf die Listenpreise gewährt werden.

Schulze betonte, diese Maßnahmen seien für die Autobesitzer nicht verpflichtend, wer jedoch darauf verzichte, riskiere ein Fahrverbot.

Scheuer lobte mit gewohnter Haltung den besonderen Beitrag der Autohersteller, die sich hier schließlich bereit erklärten, Milliardenbeträge zu den Umtausch- und Leasingpaketen beizusteuern. Für betroffene Dieselfahrer: ein Schlag ins Gesicht.
 
Weitere Zusagen der Industrie gibt es nicht. Was zwischen Scheuer und den Herstellern sonst noch besprochen wurde, bleibt geheim – Ehrensache.

Hat der Diesel-Gipfel etwas für den Umweltschutz bewirkt?

“Umweltschutz” scheint für die Große Koalition derzeit ein äußerst dehnbarer Begriff zu sein. Denn derzeit würde das clevere Tauschkonzept auch beinhalten, dass gegen Diesel Euro 6 a - c getauscht werden kann, also teils wieder gegen “schmutzige” Diesel. Zudem wurde kurzerhand einfach der Emissionsgrenzwert für Dieselfahrzeuge von ursprünglich 180 mg NOx/km um die Hälfte auf 270 mg NOx/km angehoben.
Die Frage, ob ihr diese Negativ-Korrektur des Immissionsschutzgesetzes als Umweltministerin nicht Übelkeit bereite, lächelt Schulze weg. Was sich konsequent in den Gesamtauftritt der beiden Politiker einfügt.

Werden die Fahrverbote durch das Diesel-Konzept verhindert?

Wohl eher nicht. Die Stickstoff-Grenzwerte werden eben nicht nur in 14 deutschen Städten weit überschritten, sondern in 65. In vielen dieser Städte wird sogar noch bis Jahresende über die Fahrverbote entschieden. Laut Diesel-Konzept soll der Steuerzahler ins Spiel kommen. Fast hätten Scheuer und Schulze es geschafft, diesen Fakt geschickt an den Journalisten vorbeizuschleusen – fast. Auf Nachfrage wird bestätigt, dass in diesen Städten eine große Anzahl an kommunalen Fahrzeugen, laut Scheuer mindestens 180 Tsd., mit zusätzlichen Steuergeldern nachgerüstet werden sollen. So soll die Schadstoffbelastung gesenkt werden. Privaten Dieselfahrzeuge werden in diesen Städten allerdings von Maßnahmen ausgeschlossen. Ob dies ausreiche, die EU-Grenzwerte einzuhalten, wisse man nicht. Die Verantwortung dafür läge dann auf kommunaler Ebene. Mit dieser Maßnahme versuche man Fahrverbote zu vermeiden. Gelinge dies nicht, sei man in Zukunft nochmal zur Hilfe bereit.
 
Dass bereits ab 2019 hunderttausende private Dieselbesitzer – beispielsweise in Stuttgart, Frankfurt oder wie heute entschieden Berlin – von zahlreichen Fahrverboten in deutschen Städten betroffen sein werden, haben Scheuer und Schulze wohl “vergessen” in ihrem Dieselgipfel zum Diskussionspunkt zu machen.

Gibt es überhaupt noch eine Chance auf Gerechtigkeit?

Ja! Die wohl einzig gute Nachricht für die Dieselfahrer nach dieser politischen Ernüchterung ist, dass die Mehrzahl der deutschen Gerichte auf der Seite der Betroffenen steht. Die weniger gute ist, den Geschädigten läuft die Zeit davon:

Die Musterfeststellungsklage, die zum 01. November in Kraft tritt, wird trotz Kritik von Verbraucherschützern wohl gerade zum absolut letzten Strohhalm für hunderttausende Betroffene. Denn zu Ende diesen Jahres drohen die Ansprüche gegen die VW Gruppe (VW, Audi, Skoda, Seat) nämlich auch noch zu verjähren. Betrogene Kunden ohne Rechtsschutzversicherung, hatten bis dato nur die Möglichkeit ihre Ansprüche gegen VW in sogenannten Sammelklagen von privaten Anbietern abzutreten und im Falle des Erfolges bis zu 35 % der erstrittenen Summe an jene abzugeben. Ab November besteht nun die Option völlig kostenlos und ohne Abtretung der Rechte gemeinsam mit anderen Geschädigten gegen VW vorzugehen. Das Gesetz über die bisher einzigen Möglichkeit einer Sammelklage in Deutschland, wurde vor allem mit Blick auf den großen verursachten Schaden und die enorme Anzahl an Betroffenen im Dieselskandal auf den Weg gebracht. Das Verfahren wird dann stellvertretend von einem Verbraucherschutzverband geführt, der bestimmte Bedingungen erfüllen muss. Der deutsche Staat möchte auf diesem Weg die Entwicklung einer Klageindustrie nach US-Amerikanischem Vorbild vermeiden. Um sicher zu gehen, dass die Anmeldung korrekt und vollständig im Klageregister des Bundesamts für Justiz eingeht, ist zu empfehlen die Unterlagen über einen im Abgasskandal spezialisierten Anwalt einreichens zu lassen. Dies wird von einigen Kanzleien ebenfalls kostenlos angeboten. In jedem Fall sollten sich die Interessenten zügig um die Teilnahme kümmern.

Auch für die Einzelklage ist es noch nicht ganz zu spät. Hinsichtlich der Fristen und dem Einholen von Deckungszusagen der Rechtsschutzversicherungen, steht aber auch diese Option den Geschädigten, aller Voraussicht nach, nur noch sehr kurze Zeit zur Verfügung.

Ob Einzel- oder Musterfeststellungsklage – das Motto lautet “unbedingt tätig werden”, bevor den Dieselbesitzern nichts anderes mehr übrig bleiben wird, als die Scheuer-Schulzesche Farce in Kauf zu nehmen.


Haben Sie Fragen zum Diesel-Abgasskandal oder möchten über Ihre Probleme mit Ihrem eigenen Fahrzeug berichten? Kontaktieren Sie uns direkt oder in der Expertensprechstunde. Wir antworten Ihnen.

Ihr Team BRR (BRR Baumeister Rosing Rechtsanwälte)

Weitere Informationen über uns finden Sie unter www.diesel-gate.com sowie unter www.baumeister-rosing.de.


Termine Expertensprechstunde 2018:

03. September bis 10. September / 15. Oktober bis 22. Oktober  / 05. November bis 12. November / 03. Dezember bis 10. Dezember

Die Expertensprechstunde findet jeweils von Montag bis Montag um 10 Uhr statt.


Hier gelangen Sie zur Expertensprechstunde.

Die Expertensprechstunde ist ein Projekt des Deutschen Seniorenportals und BRR Baumeister Rosing Rechtsanwälte. Für den Inhalt des Textes ist BRR Baumeister Rosing Rechtsanwälte verantwortlich.

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