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Aus: Dela Risse Meiningsen im Wandel der Zeit

 

 

Meiningser Dönekens1

 

Ein Schnack mit dem Herrn Pastor                                                      

 

Ein Bauer begutachtet im Meiningser Tal auf seinem Feld mit Sorge den reifen, goldgelben Hafer. Es hat davor lange geregnet und gestürmt, das Korn ist inzwischen überreif und fällt aus. Und gerade jetzt kommt der Pastor Raabe vorbei. Für einen Schnack hat man immer Zeit. „Na, Herr R., wie steht das Korn?“ Die Antwort: „Ja, Herr Pastor, der Herr hat‘s gegeben, der Herr hat‘s genommen. Der ganze Hafer liegt auf dem Feld.“

 

 

Erfahrungen                                                                                   

 

Der junge Medizinstudent Carl R. kommt in den Semesterferien auf den elterlichen Bauernhof in Meiningsen zurück. Er berichtet seinem Vater begeistert von den neuen Erfahrungen am Studienort. Vielseitig sei die Arbeit im Studium, während in Meiningsen und im besonderen in der Landwirtschaft auf dem Hof der Eltern alle Arbeiten doch eher ganz mechanisch verrichtet werden könnten. Nach kurzem Überlegen antwortet der Vater ruhig: „Damit hast du sicher sehr recht, denn erst gestern bin ich ganz mechanisch die Treppe hochgestiegen und habe mechanisch 30 Mark aus der Geldtasche genommen, um ganz mechanisch deinen Schneider zu bezahlen.“

 

 

Tini                                                                                                            

 

Ein kleines Mädchen auf einem Bauernhof in Meiningsen liebt den kleinen, schwarzen Hund Tini heiß und innig. Als Findel ist er auf den Hof gekommen, entwickelt sich aber inzwischen zu einem kleinen, schwarzen Teufel. Alle seine Untugenden sind ihm nicht abzugewöhnen, einmal stibitzt er sogar ein Hörgerät vom Tisch, um es auch noch zu zerbeißen.

Tagsüber stromert der geliebte Hund oft im Dorf und ist dadurch bei vielen Leuten inzwischen bekannt. Besonders gern jagt er die frei laufenden Hühner auf dem Wilmshof.

Eines Tages schellt das Telefon. Mit verständlich ernster Stimme beklagt sich Herr C., daß der Hund nicht nur wie sonst immer die Hühner jage, sondern jetzt auch einige gerissen habe. Zerknirscht wird versprochen, in Zukunft die Tini einzusperren, und mit Hilfe der Haftpflicht kann der Schaden gütlich geregelt werden.

Den Tierfreunden auf dem Hof tut der eingesperrte Hund aber entsetzlich leid. Bei einem Bummel durch ein Zoogeschäft entsteht die Idee, der Tini einen kleinen Maulkorb zu kaufen. Gesagt, getan. Mit Maulkorb kann das Teufelchen wieder rennen und keinen Schaden unter dem Hühnervolk anrichten, meint man.

Und schon wieder ein Anruf vom Nachbarhof. „Frau R., Ihr Hund...“ „Aber er hat doch einen Maulkorb um“. Die Antwort: „Jetzt hat er die Hühner in den Teich getrieben“.

 

 

Das Wecken                                                            

 

In den Dörfern der Börde werden die Bewohner an Schützenfest von dem Spielmannszug der Freiwilligen Feuerwehr mit Musik geweckt. Eigentlich hört man schon lange vorher, wenn die Musik unterwegs ist. Auf dem Rienhof in Meiningsen haben die Bewohner in den fünfziger Jahren das aber wohl einmal nicht gehört. Vorm Haus nimmt der Spielmannszug Aufstellung, das Kommando des Tambourmajors D. B. ertönt, und die Musikanten spielen, jedoch erwacht im Haus niemand. Noch einmal gespielt und - wieder nichts. Ratlosigkeit - und ein vorsichtiger Griff auf die Klinke der Haustür: „Die ist ja offen“, ein schneller Entschluß vom Kommandeur: Aufstellung und Marsch, die „Knüppelmusik“ zieht vorne mit klingendem, jetzt ohrenbetäubendem Spiel ins Haus ein und am Ende durch eine Tür wieder hinaus.

Unser Tambourmajor, vielen Älteren noch bekannt, war eben einfach ein Original.

Ein guter Informant weiß auch zu berichten, daß der Spielmannszug vor dieser Zeit als erstes im Dorf die Bewohner des Rienhofs geweckt haben soll. Hagebuttenschnaps, selbst hergestellt aus gesammelten Hagebutten der Springstraße, wurde zum Dank als besondere Delikatesse eingeschenkt.

 

 

Sonntags                                                                                        

 

So ganz sicher können wir nicht sein, daß W. C., der Erzähler dieser Geschichte, sie nicht erfunden hat, um seine kirchentreue Mutter etwas auf die Schippe zu nehmen.

Also, nach der Predigt soll der Pastor Raabe, ein Junggeselle, seine Gemeindeschäfchen öfter in Spannung versetzt haben. Es konnte nämlich vorkommen, daß er noch von der Kanzel herunter den Namen der Familie verkündete, bei der er gedachte, zum sonntäglichen Mittagessen zu Gast zu sein. Und verwunderlich war es nicht, daß manche der Frauen deshalb still und leise vorzeitig die Kirche verlassen haben sollen.

 

 

Zwei böse Buben                                                                           

 

Zwei Schuljungen aus Meiningsen waren dicke Freunde und unzertrennlich. Auf einem der elterlichen Bauernhöfe konnte man besonders gut und ungestört spielen. Es machte Spaß, auf dem „Steinpott“ zu schippern, oder auch hinter der Ecke eine erste Zigarette zu versuchen. Eines Tages schaute die Mutter des einen auf diesem Bauernhof aus dem Fenster. Ihr fiel auf, daß eine der damals gewöhnlich frei laufenden Enten auf der Sandsteinmauer saß und gemütlich ihr Federkleid putzte. Doch was war das? Verwundert rieb sich die Beobachterin die Augen, denn wie ein Stein war diese Ente gerade von der Mauer gefallen. Als die Mutter der Sache nachging, stellte sich heraus, daß das Federvieh von der Mauer geschossen worden war, und hinter der Ecke standen zwei schuldbewußte Jungen, die ihr Strafgericht erwarteten. Sie hatten ein altes Jagdgewehr benutzt, um auszuprobieren, ob es noch funktionierte. Wie böse hätte das ausgehen können, aber versonnen meinte der Vater, ein passionierter Jäger: „Und sie haben sogar die Ente getroffen“.

 

 

 

Nachbarn                                                                                        

 

Zwei Meiningser Bauern sind nicht nur Nachbarn, sondern auch ihre Felder am Hof grenzen aneinander. Und wie das so ist, die Männer treffen sich eines Mittags am Ackerrand, um über die Grenze hinweg „en klain Pröleken te holln“2. Vielleicht über die Schweinepreise, die Ernteerträge, das Vieh oder auch über die Menschen im Dorf. Ganz vertieft sind sie, bemerken nicht, daß der eine von ihnen zum Essen gerufen wird. Sie setzen das interessante Fachgespräch fort, es fällt ihnen gar nicht auf, daß eine zweite Aufforderung zum Mittagessen alsbald erfolgt, aber noch immer können sie kein Ende finden. Und wie reagiert nun die geplagte Ehefrau, die mit dem Mittagessen wartet? - Sie kommt ein drittes Mal zum Feld hinter dem Hof, stellt zwei Stühle neben die ins Gespräch vertieften Männer und meint: „En sittenden Äs kann viäl biäter bedenken!“3

 

 

 

 

 

Strenge Zucht in der Schule                                                       

 

In der Dorfschule sollen bei Lehrer G. die Erziehungsgrundsätze noch zusätzlich mit dem Rohrstock bekräftigt worden sein. Das war allen Schülern und auch manchen Eltern bekannt.

Eines Tages legte es einer der rüpelhaftesten Schüler besonders darauf an, mit dem Rohrstock Bekanntschaft zu machen, warum nur?

Und es kam, wie es kommen mußte. Lehrer G. griff zum Stock, holte aus, der Stock zischte durch die Luft, und dem gebückten Tunichtgut wurde unter schrecklichem Gebrüll der erste Schlag auf den Hosenboden verpaßt.

Doch was war das? An den Beinen des Schülers lief das Blut, und alle Schüler und Lehrer G. hielten den Atem vor Schreck an.

Die Erklärung fand sich aber schnell. Diesmal hatte der Junge dem Lehrer eine Lehre erteilen wollen. Beim Schlachtfest am Tag vorher hatte er die aufgeblasene Schweinsblase mit Schweineblut gefüllt und sich vor der Schulstunde die Konstruktion auf dem Hosenboden unter der Buxe befestigt.

Ein älterer Meiningser Bürger, ehemals auch ein betroffener Schüler des Herrn Lehrer G., weiß zu berichten, daß auch die Mädchen vor der strengen Zucht mit dem Stock nicht sicher sein konnten. Oft spritzten die Schürzenknöpfe der gezüchtigten Schülerinnen umher, wenn einmal wieder der Rohrstock benutzt wurde.

 

 

Kartoffelkäfer suchen                                                                                       

 

In den 1940er Jahren wurden alle Schulklassen in Deutschland  in den Frühsommerwochen dazu ‚verdonnert’, Kartoffelkäfer zu suchen. So zogen  an einem warmen Vormittag auch die Großen der Meiningser Schule unter Leitung von Lehrer Sch. hinaus auf einen mehrere Morgen großen Kartoffelacker auf dem Aakfeld. Dabei wurden einem Mädchen oder einem Jungen je zwei Reihen zugewiesen, und man mußte nun in gebückter Haltung durch die Furche gehen und von der Blattoberfläche die schwarz-weiß getreiften Käfer oder von der Unterseite die rosa Larven absammeln. Sie wurden in kleine Blechbüchsen gesteckt, nach einmaligem Rauf und Runter im Feld auf einen Haufen geschüttet und verbrannt. Dann kamen neue Furchen an die Reihe.

Der Vormittag war sonnig und warm, die Schülerschar schwitzte ganz schön. Die Aufsichtsperson hatte sich in der Zwischenzeit auf den warmen Grasstreifen gelegt, der am Köchlingser Patt entlang in 1–2 Meter Breite leicht schräg nach oben Weg und Acker trennte. Sehr zu ihrem Erstaunen bemerkten die Mädchen und Jungen nach einiger Zeit, daß Herr Sch. eingeschlafen war. Das Ergebnis einer sofort einsetzenden Flüsterberatung war: „Wir schleichen nach Hause!“ Gesagt, getan. Merkwürdigerweise hat der sonst so strenge Herr Sch. diese Unbotmäßigkeit nie mehr erwähnt, geschweige denn bestraft.



1 Spässchen

2 Einen kleinen Schnack halten.

3 Im Sitzen kann man viel besser denken.


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