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          Georg von Signau: Noch weit bis Eden


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Die Schnorrer


"Begegnet waren sie sich schon seit Jahren. Jedes Jahr von Mitte März bis ende September verging

wohl keine Woche, ohne dass sie aneinander vorbeigingen beim Fischen. Dann nickte derjenige,

der gerade mit beiden Händen an der Rute manipulierte mit dem Kopf und der andere, der auf dem

nahen Fussweg zum nächsten ihm passenden Plätzchen ging, hob dann leicht eine Hand zum

Gruss. Manchmal aber blieb der eine einen Moment stehen und deutete mit seinem Kinn auf die

Fischertasche des anderen, was in der Fischersprache etwa hiess: "Hast du etwas gefangen?" Dann

schüttelte der andere meist den Kopf, was dem Kollegen verständlich zu machen hatte, dass man

wieder einmal nichts gefangen habe. Hatte man aber mal Glück gehabt, dann streckte man einfach

einen oder mehrere Finger leicht nach oben. Dann wusste der andere, dass es scheinbar doch noch

Fische gab in diesem Wasser.


Ja früher, das war damals, als von der Papierfabrik noch aller Unrat und die Überreste der

Papierfabrikation einfach in den Fluss geleitet worden waren, da hing die Schnur zwar innert

Minuten voller Papierschnitzel und sah aus wie eine Wäscheleine voller Miniaturtaschentücher.

Aber von diesen Abfällen lebten all die Kleinlebewesen, die dann von den Fischen als

Leckerbissen gefressen wurden. Seit aber überall am Fluss Kläranlagen standen und jeder

Umweltsünder hart beim Wickel gefasst wurde, war der Grund des Flusses so klar, dass man jedes

Steinchen erkennen konnte. Die Flora konnte sich nicht so schnell an die veränderten Bedingungen

umgewöhnen, wie die Bedingungen selber. Die Köcherfliegenlarven und all die anderen niedrigen

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