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7. Juni 2004, Montag:

Zu Jahresbeginn wurde bekannt, dass eine ökumenische Reise der Marcher Kirchengemeinden nach Polen führt, u.a. nach Auschwitz. Das war eine Motivation, daran teilzunehmen. Vom 31.5.2004 bis 6.6.2004 waren wir also auf Reisen, sozusagen �Iter in Poloniam", meine zweite, vgl. Tagebuch 16.8.1972.

 

Zuerst kommen wir nach Prag, weil es am Wege liegt. Wir waren diesmal nur auf dem Hradschin und saßen nachmittags am Altstädter Ring auf einer Parkbank. Auf derselben saß ein junger Jude. Er las in einem hebräischen Taschenbuch. Er konnte deutsch und sagte, er wolle zu seiner Großmutter nach Berlin weiterreisen, er selbst sei in Israel ansässig.

520 km weiter östlich liegt Krakau, das war am dritten Tag erreicht. Man wundert sich über die Schönheit dieser alten Stadt. Aber vorher machten wir zwei Stunden Station in Auschwitz I. Eine Führung gewährte Einblick in das Schreckenslager. 57 Gebäude aus den Jahren 1940 bis 1945 sind erhalten, auch der Stacheldrahtzaun etc. Wir gelangten über die Lagerstraßen in einige Blocks. Haare, Koffer, Gebetstücher, Schuhe, Brillen der Umgekommenen sind hinter Glas zu sehen und auch leere Zyklon-B-Dosen. Eine Gipsdarstellung verdeutlicht, wie die Häftlinge im nahen Lager Auschwitz II - Birkenau auf der Güterzugrampe ankamen und durch einen unterirdischen Entkleidungsraum in die Gaskammer gelangten, wo sie in 40 Minuten vergast wurden. Dieses Lager besteht nur noch aus Ruinen. Wir gewahrten zwischen zwei Blocks eine Erschießungsstelle, in einem anderen Block verschiedene Zellen, in welchen die Gefangenen z.T. zu Tode gemartert wurden, in einer solchen schmachtete auch Maximilian Kolbe. Schließlich kamen wir an Leichenverbrennungsöfen vorbei. 1,1 bis 1,5 Mio Menschen fanden hier den Tod. Das Grauen ist nach 60 Jahren lebendig. �hnlich fühlte ich das in Dachau und in Natzweiler-Struthof.

      Schwarze Milch der Frühe wir trinken dich nachts

      wir trinken dich mittags der Tod ist ein Meister aus Deutschland

      wir trinken dich abends und morgens wir trinken und trinken

      der Tod ist ein Meister aus Deutschland sein Auge ist blau

      er trifft dich mit bleierner Kugel er trifft dich genau

      ein Mann wohnt im Haus dein goldenes Haar Margarete

      er hetzt seine Rüden auf uns er schenkt uns ein Grab in der Luft

      er spielt mit den Schlangen und träumet der Tod ist ein Meister  

      aus Deutschland



Konnte später in eine Anthologie mit Gedichten von Häftlingen gucken, auch spätere waren zu lesen, etwa von Celan, Kaschnitz, Fried, Ulla Hahn.

Als wir abends in Krakau ankamen, umfing uns diese prächtige alte Stadt. Bald gingen wir über den Rynek, sahen die Tuchhallen und andere prachtvolle Gebäude. Am 4. Tag besuchten wir auf dem Wawel Königsschloss und Bistumskirche, in der der jetzige Papst Erzbischof war. Die Marienkirche am Markt ist bis in die Gewölbe hinein ausgemalt, sie besitzt ein geschnitztes Hochaltarbild von Veit Stoß.

Tschenstochau war der Höhepunkt des 5. Tages. Durch Beziehungen gelangten wir durch die Sakristei unmittelbar vor das Gnadenbild. In der brechendvollen Kirche begann bald ein Gottesdienst. Ein Paulinerpater führte durch wichtige Räume des Klosterkomplexes. Er erzählte viel, auch Wundersames. Bei der Weiterfahrt hielten wir in Oppeln und bald danach in Jauer wegen der evangelischen Friedenskirche aus �Holz und Lehm" des 17. Jh. Sie bietet Platz für 6000 Personen. Das Innere ist total mit religiösen Szenen ausgemalt. Es gibt auch eine solche in Schweidnitz, in dessen Nähe mein Vater seine Kindheit und Jugend verbracht hat. Am Abend waren wir in Breslau. Schon bei Lampenlicht hielten wir uns lange auf dem Rynek auf, was Ring heißt. Dies ist ein quadratischer Platz, von barocken Häusern gesäumt, mittig das gotische Rathaus. Alles in den letzten Jahren tipptopp restauriert. Am nächsten Tag erlebten wir den Dom.

Der 6. Tag abends brachte uns Dresden, für uns - genau wie Prag - Wiederholung. Im Restaurant Pulverturm nahe der Frauenkirche war ein reichhaltiges Buffett hergerichtet. Das Abendessen dauerte vier Stunden. Der Fußweg zum Hotel führte am Schloss, an der Hofkirche, an der Semperoper und am Zwinger vorbei. Am 7. Tag waren wir abends wieder daheim. Die gesamte Strecke betrug 2600 km.


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