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THEMA:   Die unendliche Geschichte - Ladenschluß

 45 Antwort(en).

Johannes Michalowsky begann die Diskussion am 13.10.02 (16:39) mit folgendem Beitrag:

"Das Ladenschlußgesetz ist momentan wieder in der Diskussion. Anlaß ist eine Verfassungsbeschwerde der Warenhaus-Kette Kaufhof. Das Gesetz würde in die Berufsfreiheit eingreifen, wäre ungerecht und behindere den Wettbewerb."

Das ist eine Meldung von den Online verbreiteten Shortnews des Stern. Diese Diskussion begleitet uns doch nun unser halbes Leben - wenn das reicht -, nun geht es wieder los. Immerhin ist es gut, daß eine kleine Liberalisierung unter einer SPD-Regierung erfolgte, da geht man ja davon aus, daß die arbeitnehmerfreundlich sind.

Dabei geht es in Wirklichkeit nicht darum, sondern um Schutz für den kleinen Fachhandel und die Tante Emma-Läden, soweit es solche überhaupt noch gibt. In meinem kleinen Laden um die Ecke arbeitet die Familie von 8 bis 18.30, ihre für die Kunden nicht sichtbaren Einkaufstouren, Aufräum- und Putzarbeiten und Verwaltung, vor allem Buchhaltung, nicht mitgerechnet. Das würde und müsste sich kein Angestellter bieten lassen.

Dennoch: Für mich handelt es sich hier um etwas, das ganz schlicht keiner staatlichen Reglementierung bedarf, davon haben wir grad genug, und es wird immer mehr. Gewerkschaften und Betriebsräte sorgen ausreichend für die Rechte ihrer Klientel.

Internet-Tipp: https://www.shortnews.de/shownews.cfm?id=417163


rolf antwortete am 13.10.02 (17:04):

Jo,
da habe ich ein Gegenbeispiel aus meinem Bekanntenkreis:
Kleiner Dorfladen, morgens ab 5 Uhr Brötchenverkauf an die zur Arbeit in die Stadt fahrenden Dorfbewohner, tagsüber kaum Umsatz, abends Verkauf an die Zurückgekommenen. Aufgrund einer Anzeige wegen Verstoß gegen das Ladenschlußgesetz Laden dicht gemacht und jetzt Sozialhilfeempfänger.


mulde antwortete am 13.10.02 (17:35):

Wie stand letztens zu lesen?
Ein kleiner Bäckerladen darf Sonntags 3 Std,in der Regel bis vormittags 11 Uhr seine Brötchen verkaufen.
Alles geregelt nach ��� soundsoviel- sonst kommt Bußgeld!
Eine Tankstelle aber, die darf rund um die Uhr Brötchen verkaufen, diese gehört nun wiederum meistens zu einer sehr großen Kette!
Da ist das Recht für alle gleich- nur einige sind eben gleicher, vor dem Gesetz.


Chris antwortete am 13.10.02 (17:38):

Hallo JO,

ich weiss auch nicht wie das Problem unserer derzeitigen Arbeitslosigkeit
zu retten ist. Aber mal als Gegenbeispiel die USA. Dort haben die
Gewerkschaften keinerlei Einfluss und trotzdem sind die Ladenöffnungs-
zeiten geradezu ein Paradies. Wer von uns kann schon abends um
21.00 h zum Friseur gehen oder gar um 22.00 h einkaufen. Habe ich
alles selbst erlebt und habe keinerlei unfreundliches Personal erlebt,
sondern eher das Gegenteil.

Die großen Bosse sollten alle mal die Jobs der kleinen Arbeitnehmer
übernehmen müssen, dann würde ganz schnell an einer Aldikasse
mehr Personal sitzen und der Herr Generaldirektor sollte auf einen
Teil für sein Riesengehalt verzichten, das würde allemal reichen dafür
2 Arbeitnehmer mehr einzustellen.

Aber wie gesagt..... eine Lösung ist es nicht ,,,,,

im Gegenteil, ich bin froh, hier im Ort noch 2 Tante-Emma-Läden
besuchen zu können :-)))

Chris


Johannes Michalowsky antwortete am 13.10.02 (18:34):

@ Rolf

Das sehe ich gar nicht als Gegenbeispiel, ich sehe mich vielmehr bestätigt.

@Mulde

Die Tankstellen sind gepachtet, der Pächter schlägt sich genauso schlecht und recht durch wie ein kleiner Ladeninhaber.

@Chris

Das habe auch ich erlebt. Man braucht aber gar nicht so weit zu reisen - schon in England ist das ganz anders, in London kannst Du um Mitternacht enkaufen, in Frankreich ist am Sonntag Vormittag Markttag, und in südeuropäischen Ländern verkaufen die Läden wann immer sie wollen.

Mein Anliegen wäre nur: Keine staatliche Reglementierung, lass die Leute das auf Betriebsebene entscheiden, und in diesem Sinne ist auch ein Tante-Emma-Laden ein Betrieb.


wese antwortete am 13.10.02 (18:44):

Es kommt meines Erachtens darauf an, was man von einer Aufhebung der Ladenschlussgesetze erwartet. Und genau da dürften sich die Geister scheiden. Geht es um die Schaffung von Arbeitsplätzen, dann wäre damit überhaupt nichts gewonnen. Eine Umsatzsteigerung erzielt man damit ganz sicher nicht. Niemand kauft ein paar Schuhe mehr, nur weil beispielsweise am Sonntag ein Laden offen ist.

Als Kunde hätte man natürlich ein paar Bequemlichkeiten mehr, weil man etwas individueller einkaufen könnte. Als Verkäuferin oder Verkäufer wären eher Nachteile zu befürchten. Ich glaube nicht, daß eine Mutter sonntags gerne zur Arbeit ginge, weil sie damit auf einen wesentlichen Teil des Familienlebens verzichten müsste.

Der Mensch hat zwar ein Recht zum Geld verdienen, aber der Mensch hat auch ein Recht auf Freizeit und Ruhe.


Johannes Michalowsky antwortete am 13.10.02 (19:04):

Es geht weder um Umsatzsteigerung, Beschneidung von Arbeitnehmerrechten oder Arbeitsplätze. Es geht einfach um Liberalität, Entscheidungsfreiheit der Betriebe und Befreiung von einer überflüssigen staatlichen Reglementierung. Daß sie überflüssig ist, zeigen die aufgezählten Beispiele aus dem Ausland.


wese antwortete am 13.10.02 (19:11):

Dann kannst Du mir sicher erklären, wie zum Beispiel ein großes Kaufhaus (Quelle, Kaufhof, usw.) sonntags seine Kunden bedienen will, wenn das Personal keine Rolle spielt. Es geht also sehr wohl auch um Arbeitnehmerrechte!


rolf antwortete am 13.10.02 (20:09):

Entschuldige Jo,
ich habe Deinen Schlußsatz nicht beachtet.
Ich wollte vor allem ausdrücken, daß mit dem Gesetz nicht immer kleine Läden geschützt werden.
Herzliche Grüße
rolf


kleinella antwortete am 13.10.02 (22:19):

In Sachsen hat man derzeit das Ladenschluß-Gesetz außer Kraft gesetzt, angeblich um den Flutopfern mehr Zeit zum Einkaufen zu geben. Das ist lachhaft.
Meine beiden Söhne sind beide im Einzelhandel tätig, die wissen vor Überstunden nicht, wann sie die mal absetzen sollen. So viel Umsatz kommt gar nicht, daß der Chef mehr Leute einstellen kann also bleibt es auf den vorhandenen hängen.
Warum kann nicht der Laden um 18.00 Uhr oder meinetwegen um 20.00 Uhr schließen? So lange arbeitet keiner, daß er nicht entweder früh oder nachmittags einkaufen kann.


Tessy antwortete am 13.10.02 (22:32):

Natürlich sollten die Ladenschlußgesetze locker gehandhabt werden.
Aber die Realität sieht (bei uns in Nürnberg) so aus:
ab spätestens 19.ooUhr gähnende Leere in den Geschäften, vor allem in den kleinen Fachgeschäften.
In den kleinen fränkischen Städten werden meist die Bürgersteige um 18.ooUhr hochgeklappt. Zu Recht! Da gibt es gerade mal den langen Donnerstag und wenn ich mich an einem solchen Tag umsehe - es rechnet sich nicht.


Johannes Michalowsky antwortete am 13.10.02 (23:09):

@wese

Wo habe ich gesagt, daß das Personal keine Rolle spielt? Ich habe gesagt, daß es nicht um die Beschneidung von Arbeitnehmerrechten geht.

Und den anderen immer wieder - anscheinend kommt es nicht rüber:

Lass die Betriebe entscheiden, das muß nicht staatlich reglementiert werden. Wenn es sich nicht rechnet, wenn kein Kunde kommt, dann sollen sie doch zumachen, ist doch in Ordnung. Wozu aber braucht man da ein Gesetz???


WANDA antwortete am 14.10.02 (09:02):

Ich könnte dazu vieles sagen, hier dem einem Recht geben, dort dem anderen, was solls, es bleibt eine unendliche Geschichte- der Ladenschluss.


rolf antwortete am 14.10.02 (10:00):

Du hast Recht, Jo,
das Ladenschlußgesetz ist eines der vielen überflüssigen Gesetze die von Anfang an ihren Zweck nicht erfüllt haben.
Es war mal im Gespräch, neue Gestze mit einer Laufzeitbeschränkung einzuführen und den Erfolg nach 5 - 10 Jahren zu kontrollieren. Nur bei Erfolg - also Erfüllung des geplanten Zwecks - sollte das Gesetz dann Bestand haben.
Davon hört man aber nichts mehr.


wese antwortete am 14.10.02 (11:33):

Einen Moment bitte !

Das Ladenschlussgesetz wurde, wenn ich nicht irre, 1996 von der CDU/CSU/FDP geändert und neu beschlossen. Wenn es so überflüssig wäre, dann stellt sich doch die Frage, warum haben die es damals eigentlich nicht gleich abgeschafft....?

Und dann wäre da auch noch die Frage, warum man ein Gesetz abschaffen soll. Was will man damit bewirken? Es schafft angeblich keine neuen Arbeitsplätze, es bringt nicht mehr Umsatz... was also soll die Abschaffung tatsächlich nützen?

Eines steht fest, es würde die abhängig Beschäftigten zur reinen Verfügungsmasse der Arbeitgeber degradieren. Man könnte sie zur Nacht- und Sonntagsarbeit zwingen.

Man kann ja über alles nachdenken. Man darf auch unterschiedlicher Meinung sein. Aber sagen sollte man wenigstens, was man eigentlich bezwecken will. Wenn das nicht geschieht, dann wird leider nur leeres Stroh gedroschen.


Heinz-Dieter antwortete am 14.10.02 (12:49):

Das Ganze funktioniert, wenn das alte 630 .-- DM-Gesetz wieder aktiviert wird, z. � 500--.
Ich bin auch dafür dieses 1996 abgeänderte Gesetz abzuschaffen, dh. Liberalisierung der Öffnungszeiten.
Es finden sich genügend Mitarbeiter für den Verkauf in Kaufhäuser,wenn sie nach dem alten von H. Riester abgeschafften Gesetz entlohnt würden.
Auch kleinere Läden haben dann eine reelle Überlebens-Chance, denn sie können in flauen Verkaufszeiten ihren Laden schließen.


wese antwortete am 14.10.02 (13:37):

@ Heinz-Dieter:

Wenn kein Zwang auf Arbeitnehmer ausgeübt wird, dann sieht die Geschichte schon ein wenig anders aus. Ich bezweifle allerdings, daß es genügend Freiwillige geben würde. Insbesonders Frauen mit Kindern haben das Bedürfnis, sich auch der Familie widmen zu können. Und das funktioniert nicht, wenn man abends oder an den Sonntagen arbeiten geht.

Folgenden Satz verstehe ich leider nicht:

"Auch kleinere Läden haben dann eine reelle Überlebens-Chance, denn sie können in flauen Verkaufszeiten ihren Laden schließen."

Wie man durch die zeitweilige Schließung des Ladens eine bessere Überlebens-Chance hat, das ist mir ein Rätsel. Entscheidend für ein Geschäft ist der Umsatz. Zu welcher Uhrzeit man den Umsatz erzielt, das ist doch völlig unwichtig. Ein Kunde kauft kein Stück Brot und kein Paar Schuhe mehr, nur weil ein Laden abends länger offen hat.


rolf antwortete am 14.10.02 (13:58):

Es nützt weder dem kleinen noch dem großen Laden, wenn er zu Zeiten öffnet, zu denen keine Kunden kommen, es schadet ihm aber, wenn er nicht öffnen darf, wenn die Kunden einkaufen wollen; siehe Beispiel in meinem ersten Beitrag.
Und gerade die kleinen, die durch das
gesetz geschützt werden sollten, sind so flexibel, daß sie auf das (zeitliche) Kaufverhalten ihrer Kunden, die sie ja kennen, eingehen können.


wese antwortete am 14.10.02 (14:11):

@ rolf:

Du siehst es meines Erachtens sehr einseitig. Du betrachtest immer nur die Bequemlichkeit der Kunden. Versetze Dich doch auch mal in die Lage einer Verkäuferin, die solchen Zwängen ausgesetzt werden soll. Ich werde dazu später ein Beispiel aufzeigen....


wese antwortete am 14.10.02 (14:33):

In den Filialen der Kaufhof-Kette in München sind schätzungsweise 2.000 Verkäuferinnen beschäftigt. Viele davon kommen aus dem Umland und haben Anfahrtswege von bis zu 100 Kilometern. Viele haben Familie und Kinder. Sehr viele sind auf die öffentlichen Verkehrsmittel angewiesen.

Mache einer solchen Verkäuferin mal klar, sie soll nachmittags zu Hause bleiben und stattdessen abends um 20 Uhr oder 22 Uhr zur Arbeit erscheinen. Nach Mitternacht fahren dann die S-Bahnen nur noch alle 40 Minuten. Und... und... und...

Für den Rest braucht man nur noch ein wenig Fantasie walten zu lassen. Kundenfreundlichkeit ist schon in Ordnung. Aber bitte alle Seiten betrachten. Wo Vorteile sind, da sind auch immer eine ganze Menge Nachteile zu berücksichtigen. Auf diese Nachteile will ich hinweisen. Das ist mein einziges Anliegen in dieser Sache.


Johannes Michalowsky antwortete am 14.10.02 (15:55):

@Wese

Und dazu bedarf es eines Bundesgesetzes? Vielleicht können sich die Damen ja mit dem Betriebsrat unterhalten.


rolf antwortete am 14.10.02 (16:29):

@wese

ich habe vor allem auf die Interessen der Inhaberin des kleinen Dorfladens abgestellt, die ihren Laden öffnen durfte, wenn die meisten ihrer Kunden zur Arbeit in der Stadt waren, abends aber schließen mußte.
Die Kunden konnten ihre Einkäufe auch in der Stadt erledigen, teilweise günstiger und mit größerer Auswahl. Der Transport machte (und macht) keine Probleme, da wegen der schlechten Verkehrsverbindungen auf dem flachen Land der Weg zur Arbeit sowieso mit dem Auto erledigt werden muß.
Übrigens wird die Arbeitszeit - nicht nur im Einzelhandel, der als einziger von dem Gesetz betroffen ist - durch Tarifverträge und Arbeitszeitordnung geregelt.
Als Arbeitnehmerschutzgesetz wird dieses Gesetz auch nur von den Gewerkschaften angeführt.
Das Ladenschlußgesetz läßt übrigens Öffnungszeiten von rd. 64 Std./Woche zu, also mehr als auch jetzt von den Verkäufern gearbeitet wird.


rolf antwortete am 14.10.02 (16:32):

P.S.

Die Probleme mit Arbeitsweg usw. haben auch alle anderen Arbeitnehmer, für die das Ladenschlußgesetz nicht gilt, z. B. in der Gastronomie, Polizei, usw.


schorsch antwortete am 14.10.02 (18:16):

Ich wurde 2X ausgebootet und versuche es nochmals.

@ Jo: "...lass die Leute das auf Betriebsebene entscheiden.."

Ich denke, lieber Jo, Du warst noch nie in der Lage, die Folgen einer totalen Liberalisierung am eigenen Leibe zu verspüren. Lieberalisierung nützt nur den Grossen, die ein Heer von Untergebenen haben. Sie können es sich leisten, versetzt arbeiten zu lassen. Der Kleine aber steht einsam oder mit 1-2 Mitarbeitern X Stunden im Laden und weiss sich nicht zu wehren - während der Grosse es sich leisten kann, das Heft mitten am Tage seinem Stellvertreter in die Hand zu drücken und sich auf seine Yacht zurückzuziehen oder in seine Jagdhütte.
Betriebsebene? Eine solche kann nur funktionieren, wenn eine funktionierende Betriebskommission besteht. Ansonsten ist der Arbeitnehmer auf Gedeih und Verderben auf seinen Boss und dessen Wohlwollen angewiesen.


wese antwortete am 14.10.02 (18:56):

@ Johannes:

Ich sagte ja weiter oben, daß man unterschiedlicher Meinung sein darf. Und ich selbst kaufe meine Wurstsemmel sowieso zu ganz "normalen" Geschäftszeiten. Das würde sich vermutlich auch nach Aufhebung des Ladenschlussgesetzes nicht ändern.

Allerdings fürchte ich, daß eine gesetzliche Regelung unbedingt notwendig ist. Dafür habe ich meine Gründe. Es hat ja mal eine Zeit gegeben, da wurden Arbeitnehmer wie Sklaven gehalten, die überhaupt keine Rechte hatten. Die Rechte für Arbeitnehmer sind mit völlig legalen Mitteln erstritten worden.

Früher gabe es 80-Stunden-Wochen, Nachtarbeit, Sonntagsarbeit, fast zum Nulltarif. Es gab Kinderarbeit in Bergwerken und anderswo. Und es gab nirgends ein betriebliches Mitspracherecht. Arbeitnehmer waren völlig schutzlos der Willkür von Arbeitgebern ausgesetzt. Sie waren Objekte der Ausbeutung, sonst nichts.

Ohne gesetzliche Regelungen wäre es vermutlich noch heute so. Ich glaube nicht an das soziale Verantwortungsgefühl von Arbeitgebern, weil Tag für Tag bewiesen wird, um was es denen wirklich geht. Nämlich um privaten Reichtum und um Aktienkurse. Menschen spielen da nur noch eine statistische Rolle.

Entschuldigung, aber auf pauschale Forderungen bekommt man halt nur ganz pauschale Antworten.


Johannes Michalowsky antwortete am 14.10.02 (20:08):

Ich verstehe das einfach nicht - was hat Arbeitnehmerausbeutung mit der Ladenschlußregelung zu tun? Es gibt doch Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen - sind die so wenig wert, daß auch noch ein Gesetz her muß? Wenn dem so wäre, bräuchte das Land Gewerkschaften, Betriebsräte und Tarifverträge nicht mehr, es wäre alles staatlich geregelt.

Und wie ist es denn überhaupt jetzt? Mein Supermarkt hat von 8 bis 22 Uhr geöffnet, es ist aber keineswegs so, daß die Mitarbeiter deswegen 14 Stunden im Laden stehen und ausgebeutet werden. Wenn es stimmte, was wese sagt, dann wäre dem nämlich so.


Johannes Michalowsky antwortete am 14.10.02 (20:10):

Entschuldigung - von 8 bis 20 Uhr natürlich nur, aber auch 12 Arbeitsstunden pro Tag lägen noch deutlich über dem, was zulässig ist. Die 22 Uhr habe ich von südeuropäischen Ländern im Ohr, wo das Personal anscheinend die Fron erträgt und überlebt.


Barbara antwortete am 14.10.02 (21:22):

Ich kann mich der Meinung von wese voll und ganz anschließen. Die Diskussion, den Ladenschluss abzuschaffen, kommt gerade dann auf, wo die Umsätze dramatisch zurückgehen. Warum gehen diese denn zurück? Weil man keine Zeit zum Einkaufen hat? Nein, den Leuten fehlt das Geld!

Außerdem finde ich eine Gesellschaft, die spät abends und sonntags nichts Besseres vorhat, als mit der Familie "shoppen" zu gehen, schon ziemlich krank.

Die VW-Studie hat belegt, dass sich flexible Arbeitszeiten negativ auf die Pflege sozialer Kontakte auswirkt. Man stelle sich einmal den Freundeskreis einer Verkäuferin vor. Heute kann sie sich am Feierabend mit Freunden treffen, im Verein Sport betreiben etc. Bei Ladenöffnungszeiten, die rund um die Uhr und am Wochenende Arbeitskräfte benötigen, wird sie große Schwierigkeiten haben, ihre Freunde in ihrer Freizeit überhaupt noch anzutreffen, da die dann evtl. gerade arbeiten müssen. Auch den Sportverein wird sie vergessen können.

Eine Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten trägt zur Vereinsamung der Gesellschaft bei.


wese antwortete am 14.10.02 (22:34):

@ Johannes:

Ganz im Gegensatz zu Dir, habe ich Dir eine Menge Argumente geliefert. Du hast leider noch immer nicht erklärt, was Du mit der Abschaffung des Gesetzes bewirken willst. Es führt zu keiner Umsatzssteigerung und es schafft keine neuen Arbeitsplätze. Was also soll eigentlich damit erreicht werden? Lasse doch mal die Katze aus dem Sack!

Und nun zu Deinem Einwand. Auch wenn Du Dich gegen die Einsicht sträubst, Arbeitszeiten berühren nun mal in massiver Weise die Arbeitnehmerrechte. Das versteht sich eigentlich von selbst und bedarf keiner weiteren Erklärung.

Und was Dein Hinweis auf Gewerkschaften und Betriebsräte betrifft, so möchte ich folgendes dazu sagen. Gewerkschaften können letztlich nur das schützen, was im Rahmen der Gesetzgebung erlaubt ist. Auch Betriebsräte können nicht gesetzlos agieren. Tarifverträge werden doch nicht in einem rechtsfreien Raum ausgehandelt. Ist das wirklich so schwer zu kapieren?

Und was soll der Hinweis auf südeuropäische Länder? Das ist ja schon fast absurd. Dort herrschen doch ganz andere Lebensumstände. Schon wegen der Hitze findet dort das Leben hauptsächlich in den kühleren Abendstunden statt. Folglich ist dieser Vergleich völlig untauglich.


rolf antwortete am 14.10.02 (23:04):

Wese,
was soll der Angriff auf Jo?
Du hast doch nicht ein begründetes Argument für das Ladenschlußgesetz geliefert. Deine Argumente zum Schutze der Arbeitnehmer treffen doch auf alle Berufsgruppen zu, das Ladenschlußgesetz gilt nur für den Einzelhandel. Firmierung als Großhandel umgeht es schon.
Gastronomie, Verkehr, Industrie, Handwerk, alle Dienstleister usw. sind nicht daran gebunden. Der Zweck des Gesetzes war der Schutz der Tante-Emma-Läden vor der Übermacht der Konzerne, dieser Zweck wurde nicht erfüllt, das Gegenteil trat ein, die kleinen Läden verschwinden, weil sie ihre Nischen nicht nutzen können. Das bringt zwar keine sensationellen Arbeitsplatzzahlen, aber wie sagt man? Kleinvieh macht auch Mist.


Johannes Michalowsky antwortete am 15.10.02 (00:40):

Ich will gar nichts bewirken, ich äußere nur meine Meinung. Und die ist, daß die Arbeitszeitregelung einer Verkäuferin aus dem Münchener Umland keiner bundesgesetzlichen Regelung bedarf, sondern durch Tarif- oder Betriebsvereinbarungen geregelt werden kann. Wenn das nicht möglich ist, dann brauchen wir keine Tarifverhandlungen mehr.

Wir haben so viel Staat, da sollten wir dort auf ihn verzichten, wo er entbehrlich ist.


wese antwortete am 15.10.02 (01:13):

@ rolf:

Du solltest Dich einfach etwas sachkundiger machen, bevor Du so eigenartige Thesen verbreitest. Der Zweck des Ladenschlußgesetzes ist nicht der Schutz von Tante-Emma-Läden gewesen, sondern hat einen völlig anderen Hintergrund. Vielleicht hilft es Dir, wenn ich aus dem einschlägigen Gesetz zitiere:

*****

Die geltende Rechtslage wird durch das Ladenschlußgesetz (LSchlG) vorgegeben. Es regelt die höchstzulässigen Öffnungszeiten von Verkaufsstellen und gibt den Inhabern damit einen Rahmen vor, innerhalb dessen sie die Öffnungszeiten ihrer Geschäfte festlegen können.

Zweck des Ladenschlußgesetzes ist es, die Arbeitnehmer im Einzelhandel vor überlangen Arbeitszeiten, insbesondere am Wochenende und in den Abend- und Nachtstunden zu schützen und die Einhaltung der Arbeitszeitbestimmungen für die Arbeitnehmer sicherzustellen bzw. zumindest deren Kontrolle wirksamer zu machen.

*****

So, das ist eine Kopie aus dem Gesetzestext. Und wenn Dir jetzt immer noch nicht klar sein sollte, um was es beim Ladenschlußgesetz wirklich geht, dann bitte den lieben Gott um Erleuchtung. Gute Nacht!


wese antwortete am 15.10.02 (01:34):

@ Johannes:

Du sagst: "Wir haben so viel Staat, da sollten wir dort auf ihn verzichten, wo er entbehrlich ist."

Diese Auffassung teile ich voll und ganz. Aber das wäre ein völlig anderes Thema. Wo ist der Staat entbehrlich? Das ist eine sehr schwierige Frage. Nicht entbehrlich ist der Staat jedenfalls überall dort, wo Menschen ein Schutzbedürfnis haben. Dazu gehört für mich auch der Arbeitsplatz.

Freiwillige Betriebsvereinbarungen wären wünschenswert. Aber wer garantiert die Einhaltung? Welchen Schutz hat ein Arbeitnehmer, wenn solche Vereinbarungen gebrochen werden? Freiwilligkeit klingt immer gut, hat allerdings den Nachteil, daß sie zu nichts verpflichtet. Das ist der Haken bei der Geschichte.


Johannes Michalowsky antwortete am 15.10.02 (09:22):

Die sind überhaupt nicht freiwillig, Betriebsratsvereinbarungen sind für beide Seiten - Arbeitnehmer und Arbeitgeber - verbindlich.

Ende der Debatte, ich verreise morgen.


wese antwortete am 15.10.02 (12:49):

@ Johannes:

Um auch mal etwas positives zu sagen: Ich bedanke mich für die faire Diskussion, die trotz unserer kontroversen Meinung möglich war.

Wünsche Dir eine gute Reise, wohin auch immer !


schorsch antwortete am 15.10.02 (16:41):

@ Jo: "....Es gibt doch Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen - sind die so wenig wert, daß auch noch ein Gesetz her muß? Wenn dem so wäre, bräuchte das Land Gewerkschaften, Betriebsräte und Tarifverträge nicht mehr, es wäre alles staatlich geregelt...."
Ist es denn nicht einfacher, EIN Gesetz für ALLE zu machen, als hunderte oder tausende von (verschiedenen) Vereinbarungen zwischen Ladenbesitzern und Personal? Wo eine starke Personalvertretung intakt ist, wie z.B. in Grossläden mit Niederlassungen in Zentren, ist eine Vereinbarung wohl eher möglich, als in einem einzelnen kleinen Geschäft, wo die paar Angestellten vom Goodwill des Chefs abhängig ist.
Oft ist die Verankerung eines Zustandes oder Mindestbedingungen in Verträgen per Gesetz ja erst möglich, wenn zuvor die Grundlagen durch die Gewerkschaften erkämpft wurden.
Ich war 50 Jahre Gewerkschafter, 8 Jahre davon als Betriebskommissionspräsident tätig und weiss aus bitterer Erfahrung, dass Gerechtigkeit dauernd von den "Kleinen" gegen die "Grossen" erstritten werden müssen - manchmal mit einschneidenden Nachteilen für jene, die sich als Sprecher ihrer Mitmenschen betätigen. Und ich habe am eigenen Leibe erfahren müssen, dass Undank der Welt Lohn ist.


Eddie antwortete am 15.10.02 (19:33):

Ich kann der Meinung von Jo nur zustimmen.

Ich bin sehr oft in Frankreich. Dort haben die Supermärkte alle feste Öffnungszeiten.
In den kleineren Läden kann man fast zu jeder Tages- und Nachtzeit einkaufen und alle sind zufrieden. Wie allerdings die Gesetzeslage dort ist, weiß ich nicht.
Aber es beschwert sich auch niemand und das ist schon seit Jahrzehnten so.
Eine Debatte, wie sie hier im Forum stattfindet, wäre dort undenkbar, und es würde sie auch niemand verstehen.


wese antwortete am 15.10.02 (20:17):

Donnerwetter, was sagt man dazu?

Was sind wir doch für arme Schweine, daß wir ausgerechnet in Deutschland leben. Ich habe sogar gehört, daß es in der Wüste Sahara und im Südosten von Kolumbien auch keine Ladenschlußgesetze gibt.

Also, schnüren wir die Stiefel: Nichts wie dorthin !


Heinz-Dieter antwortete am 16.10.02 (12:06):

Denken wir doch ein paar Jahre zurück.
Es war damals undenkbar, daß ein Bäcker am Sonntag vormittag Brötchen verkaufen darf.
Und heute ??
Warum sollen denn kleine Geschäfte nicht ihren Laden öffnen können , um etwas verkaufen zu können ??
In anderen Ländern geht es doch auch.


schorsch antwortete am 16.10.02 (14:14):

Ich denke: Es ist ein Unterschied, ob ein Bäcker, Metzger undundund mit seinen Familienmitgliedern die 7-Tagewoche haben will. Problematisch wirds erst, wenn er glaubt das Recht zu haben, den gleichen Einsatz auch von anderen als den eigenen Leuten verlangen zu dürfen.
Natürlich ist mir klar, dass es viele Berufe gibt, die ganz selbverständlich nachts und sonntags arbeiten, wie z.B. Polizisten, Bahnpersonal, Spitalpersonal etc.. Aber diese wollen diese Arbeitszeitformen offensichtlich - weil sie aus was immer für welchen Gründen einen Vorteil darin sehen, an einem anderen Tag frei zu haben.
Zu glauben, dass ein 7-Tage-Betrieb mehr Umsatz bringe klappt so lange, als dies nicht alle tun. Denn wenn es alle tun, verlagert sich der normale Umsatz ganz einfach au 7 Tage statt auf 5 oder 6.


DorisW antwortete am 16.10.02 (14:52):

@Schorsch:
"Natürlich ist mir klar, dass es viele Berufe gibt, die ganz selbverständlich nachts und sonntags arbeiten, wie z.B. Polizisten, Bahnpersonal, Spitalpersonal etc.. Aber diese wollen diese Arbeitszeitformen offensichtlich - weil sie aus was immer für welchen Gründen einen Vorteil darin sehen, an einem anderen Tag frei zu haben."
Schorsch, du glaubst doch nicht, daß man sich für einen solchen Beruf entscheidet, weil man einen Vorteil darin sieht, nachts oder am Wochenende zu arbeiten?
Wer sich für einen so ehrenwerten und nützlichen Beruf wie die von dir aufgezählten entscheidet, hat meinen Respekt, aber ich kann beim besten Willen nicht glauben, daß es ein Krankenpfleger gut findet, sich die Nächte in weißen Linoleumgängen um die Ohren zu schlagen. Sondern diese Arbeitszeiten sind ein Übel, das bei denjenigen Berufen in Kauf genommen werden muß, die es unbedingt erfordern.

Eine Öffnung von Läden rund um die Uhr gehört meiner Meinung nach nicht dazu. Die gemeinsamen Zeitkorridore von Arbeitszeit und Freizeit bei einem möglichst großen Teil der Arbeitnehmer halte ich für ein wertvolles Gut, sie sind wichtig für den Zusammenhalt der Gesellschaft.

Es muß einfach nicht sein, daß alles und jedes 24 Stunden am Tag und 7 Tage die Woche zur Verfügung steht.
Wem es nicht reicht, 5x wöchentlich von 6 - 20 Uhr und 1x von 6 - 16 Uhr einzukaufen (oder auch zu verkaufen), der hat ein Problem, das ich nicht nachvollziehen kann.


hl antwortete am 16.10.02 (15:10):

"..Spitalpersonal etc.. Aber diese wollen diese Arbeitszeitformen offensichtlich - weil sie aus was immer für welchen Gründen einen Vorteil darin sehen, an einem anderen Tag frei zu haben.."

Das ist wohl nicht dein Ernst Schorsch?

Da sich Menschen weder nachts noch am Wochenende einfach abschalten lassen, muss das Pflegepersonal notgedrungen auch zu diesen Zeiten arbeiten. Weder ich noch meine KollegInnen sehen in dieser Arbeitszeit einen Vorteil.

Wie Doris schon ganz richtig sagt: es ist ein Übel, das in Kauf genommen werden muss in diesem und in einigen anderen Berufen die sich direkt mit Menschen beschäftigen.

Im Handel und in der Produktion halte ich das für überflüsig. Wechsel-Schichtarbeit rund um die Uhr macht krank und einen Vorteil haben letztendlich nur die Arbeitgeber.


Barbara antwortete am 16.10.02 (15:18):

Liebe DorisW,

ich sehe das genau so. Wenn wir bedenken, dass wir heute aufgrund von Kühl- und Gefrierschränken Vorräte sogar sehr viel besser lagern können, als unsere Eltern, ist es noch weniger zu verstehen, warum andere Menschen für uns die Ware rund um die Uhr anbieten sollten.

Und sollte jemand wirklich nicht dazu kommen, sich einen neuen Video-Recorder oder das ersehnte Buch zu kaufen, gibt schließlich auch noch den Internet-Handel.


Eddie antwortete am 16.10.02 (15:27):

Hallo Wese,

Du begreifst sehr schnell. Nun mach Dich auf und davon.
Eddie


wese antwortete am 16.10.02 (16:34):

@ Pro & Contra:

Das größte Rätsel für mich ist, warum das Thema ausgerechnet bei Rentnern so brisant sein soll. Es würde mich tatsächlich interessieren, wie diese Leute gedacht haben, als sie noch selbst im Berufsleben standen.


rolf antwortete am 16.10.02 (17:20):

Das Thema ist zwar Ladenschlußgesetz, ein aus meiner Sicht völlig überflüssiges Gesetz, aber die letzten Beiträge behandeln ja auch andere Berufe, die rund um die Uhr - also im Schichtdienst - ausgeübt werden. Ich habe als Bergmann ebenfalls im Schichtdienst gearbeitet, und war häufig froh, wenn ich Nachtschicht hatte, also tagsüber frei. Da hatte ich die freie Wahl, morgens zu schlafen und ab Mittag was zu erledigen oder zu unternehmen oder Erledigungen vormittags und dann nach dem Mittagessen schlafen. Meine liebste Schicht war 24.00 Uhr bis 7:00 (bei entsprechender Temperatur) oder bis 8:00 als normale Schicht.