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THEMA:   Rechnen im Wandel der Zeiten

 12 Antwort(en).

Erna Ecker-Philippi begann die Diskussion am 16.11.02 (16:08) mit folgendem Beitrag:

"Die Realschule im Saarland" hat als Reaktion auf die Pisa-Studie das Rechnen im Wandel der Zeiten dargestellt. Hier auszugsweise einige Beispiele:

VOLKSSCHULE 1950
Ein Bauer verkauft einen Sack Kartoffeln für 20 Mark. Die Energiekosten betragen 4/5 des Erlöses. Wie hoch ist der Gewinn?

REALSCHULE 1960
Ein Bauer verkauft einen Sack Kartoffeln für 50 Mark. Die Erzeugerkosten betragen 16 Mark. Berechne den Gewinn.

GYMNASIUM 1970
Ein Bauer verkauft eine Menge Kartoffeln (K) für eine Menge Geld (G). G ist die Menge aller Elemente g, für die gilt: g ist eine Mark. In Strichmengenform müsstest du für G = 20 zwanzig Strichlein machen. Die Menge der Erzeugerkosten (E) ist um 4 Strichlein weniger als die Menge G. Zeichne das Bild der Menge E als Teilmenge der Menge G und gib die Lösungsmenge L an.

WALDORF-SCHULE 1995
Male einen Sack Kartoffeln und singe ein Lied dazu.

JAR 2010
Sorrie, es gipt kaine gartoffeln mehr! nur noch pom frit bei mc donelds.

Beim Lesen der Beispiele habe ich schmunzeln müssen, habe aber auch das Körnchen Wahrheit darin entdeckt.

Erna


Rosmarie S antwortete am 16.11.02 (16:40):

Köstlich, liebe Erna!
Leider ist der teilweise wahre Hintergrund weniger amüsant... :-(


Felix antwortete am 16.11.02 (19:08):

Hallo Erna ...
deine Beispiele sind für mich nicht neu. Eine Variante fehlt mir noch.

In einer modernen weiterführenden Schule:

Ein Biobauer verkauft eine Menge Biokartoffeln. Er erzielt einen Preis, der um einen Drittel höher liegt als bei gewöhnlichen Produzenten. Da er 13% des Verkaufspreises durch Verzicht auf Pestizide eingespart hat, aber nur 3/4 der möglichen Ernte eingebracht hat, fragt er sich, ob es rentabel sei ... Biobauer zu sein?

Aufgabe: diskutiert und schreibt eine Zusammenfassung eurer Überlegungen.


Johannes Michalowsky antwortete am 16.11.02 (19:15):

Mir war das neu, und ich fand es sehr amüsant. Besonders das Beispiel aus 1970. Ich fand das damals - Vater von betroffenen Kindern - als den puren Nonsens, Kindern Mathematik so beizubringen.

Im übrigen - wir haben schon mal drüber diskutiert - braucht man heute überhaupt nicht mehr zu rechnen, man muß nur noch einen Taschenrechner bedienen können. Vielleicht ist das auch eine Fortsetzungsvariante?


Klaus W antwortete am 16.11.02 (21:32):

es fehlt noch eine erklärung wie fuktioniert denn nun die Mengenlehre?
In einem Raum befinden sich 9 Leute
10 gehen raus
dann muss einer wieder rein damit der Raum lehr ist
schönen gruss
Klaus W.


Felix antwortete am 16.11.02 (23:21):

Die Mengenlehre ist für Nichtsachverständige ein Schimpfwort geworden .. für einen neuen Ansatz des Mathematik - Unterrichtes. Ich habe mich schon sehr früh in Kursen weitergebildet und auch Ausbildung betrieben. Leider musste weitgehend zurückbuchstabiert werde, weil viele Lehrer überfordert waren und den neuen Gedankenansatz nicht an ihre Schüler/innen vermitteln konnten.
Wir gaben auch für interessierte Eltern Einführungsabende, weil gerade die Eltern, die den Sinn dieses Mathematikverständnisses nicht kapiert hatten, ihre Kinder beim Nachsehen der Hausaufgaben noch vollständig verunsicherten.
Die Mengenlehre spielt dabei übrigens nur eine untergeordnete Rolle.
Leider beschränkt sich das hochinteressante Gebiet der Mathematik für die meisten Menschen auf Arithmetik, also aufs Zahlenrechnen und auf einige gehobenere Algorithmen (Lösungsverfahren) und geometrische Grundbegriffe.
Auch Gymnasiasten, die sich mit Algebra,Trigonometrie, Goniometrie, Infinitesimalrechnungen also mit Differenzial- und Integralrechnen etc. herumgeschlagen haben ... brauchen noch lange nicht mit zentralen Problemen der Mathematik in Berührung gekommen zu sein.
Wer kennt sich z.B. in der Zahlentheorie oder in der mathematischen Logik aus ... also Kerngebieten der Mathematik?
Tatsächlich lassen sich die meisten Lösungsverfahren heute mit Hilfe elektronischer Mittel berechnen.
Was der Mensch selber noch leisten muss, ist das Analysieren des mathematischen Problems. Nur dann kann er die nötigen Algorithmen (Lösungsverfahren) wählen und die Grössen in den richtigen Einheiten und Beziehungen eingeben.
Früher lernte ich noch die Kubikwurzel zu ziehen. Das war recht aufwendig. Heute legt man grösseren Wert darauf, dass jemand merkt und versteht, dass es bei einem Problem um die dritte Potenz geht ... und dann muss er die Formel auch noch fehlerfrei eingeben können. Wichtig ist auch, dass er die Grössenordnung des Resultats abschätzen kann.
Also ganz kurz gesagt: die Befähigung im Kopf etwas auszurechnen ... hat sehr wenig mit mathematischem Verständnis zu tun!


mulde antwortete am 17.11.02 (11:36):

Felix zugegeben , was Du da schreibst.
aber im normalen Handwerklichen Beruf war/ ist das Kopfrechnen eines der wichtigsten Voraussetzungen den Beruf auszuüben.
Ich selbst habe eine gewisse Zeit Studenten/inen (Bauing.)
in der Praxis der täglichen Bauleitung anleiten müssen.
Da ist nicht immer das höhere Verstehen Kompexer Zahlenwerte notwendig gewesen, viel eher das schnelle
Umsetzen bestimmter Faktoren ja auch mitTaschenrechner
Für "feinere"oder kompliziertere Dinge da waren die Statiker wohl eher qualifiziert.
Es kam vor das man nach intensiver Fachschulbildung den Lehrsatz des Pytagores nicht praxisbezogen anwenden konnte.
Ohne Deine Erwägungen zu negieren , bin ich nach wie vor der Meinung "das Kopfrechnen" sollte intensiver gelehrt
werden.


Wolfgang antwortete am 17.11.02 (13:04):

Eine Aufgabe... Früher - zu Zeiten der Mark - gab es häufig Sonderangebote, wie dieses: 100 g Rinderroulade zu 0,99 DM. Der amtliche Umrechnungsfaktor DM -> Euro beträgt 0,51129. Wie viel kosten 100 Gramm Rinderroulade jetzt im Euroland? Runden Sie das Ergebnis ab!

Wenn jetzt jemand, wie aus der Pistole geschossen, sagt: 0,50 Euro - dann kann er gut rechnen. Aber, diese Antwort wäre falsch... Für's richtige Ergebnis braucht's halt die (höhere) Mathematik. :-)))


Ursula J. antwortete am 17.11.02 (14:36):

Ich vermute (bin Veg. deswegen nicht sicher) 100 g Rinderrouladen kosten heute 0,99 Euro.


Barbara antwortete am 17.11.02 (16:40):

100g Rinderroulade??? Das wären ja zwei hauchdünne Scheibchen. Davon kannst Du nie eine Roulade machen ;-)))


schorsch antwortete am 17.11.02 (20:03):

@Felix: "...Wir gaben auch für interessierte Eltern Einführungsabende, weil gerade die Eltern, die den Sinn dieses Mathematikverständnisses nicht kapiert hatten, ihre Kinder beim Nachsehen der Hausaufgaben noch vollständig verunsicherten...."

Ein Beispiel wie Lehrer eine ganze Familie entzweien können?


Felix antwortete am 18.11.02 (17:31):

Lieber Schorsch...
ich hoffe nicht, dass du das mit dem "Entzweien" ernst gemeint hast! Aber ich vermisse dein &:-))

- Hausaufgaben ... wenn es diese überhaupt braucht ... sind in erster Linie eine Angelegenheit zwischen der Lehrperson und ihren Schülern/innen. Die Eltern sollen durchaus an der Arbeit ihreres Kindes teilhaben. Sollen sich aber nicht einmischen oder sogar bei der Lösungssuche selber einbringen. Sie kennen die Aufgabestellung nicht. Sie meinen oft alles sei noch gleich wie in ihrer Schulzeit und verunsichern ihr Kind.
Wenn Aufgaben zuhause nicht gemacht wurden ... sei es aus Bequemlichkeit, Vergesslichkeit oder weil das Verständnis fehlt etc. ist es Sache der Lehrperson auf die Gründe einzugehen.
War die Einführung zu wenig vertieft? Wurde die Augabenstellung nicht klar genug erläutert? Sind die Schüler/innen überfordert?
Eltern sind keine Hilfslehrer. Sie sollen für ein optimales Arbeitsklima besorgt sein, ihre Kinder motivieren oder ihnen Mut zum Nachfragen in der Schule machen. Hausaufgaben sind nur sinnvoll gestellt, wenn sie vom Kind allein bewältigt werden können.
Für ein Kind ist es ein wichtiges Erlebnis, wenn es auch einmal seinen Eltern etwas erklären oder beibringen kann, etwas was diese in ihrer Schulzeit nicht gehabt hatten!
Zum Erlären muss man selber gut begriffen haben!


schorsch antwortete am 19.11.02 (08:47):

Es steht ein Fragezeichen dahinter (;--))))

Natürlich kam auch für mich die Zeit, da ich unseren Kindern bei gewissen Sachen nicht mehr helfen konnte. Dann sagte ich eben: "Ja, jetzt ist es halt so weit: Nicht mehr ich zeige dir wie mans macht, sondern du mir." Das bewirkte, dass die kleinen grauen Zellen der Kinder sich in Aktion setzten - weil plötzlich der Ehrgeiz erwachte, "es dem Alten auch mal zu zeigen"!
Ein "Triumph" ist mir bis heute geblieben: Wenn es etwas Wichtiges zu schreiben gibt, nehmen immer noch beide meine Dienste gern in Anspruch - trotzdem sie selber schon Kinder haben, denen sie bei den Aufgaben helfen müssen!