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THEMA:   Totensonntag

 10 Antwort(en).

Nuxel begann die Diskussion am 24.11.02 (11:17) mit folgendem Beitrag:



Blätter wehen vom Baume,
Lieder vom Lebenstraume
Wehen spielend dahin;
Vieles ist untergegangen,
Seit wir zuletzt sie sangen,
Zärtliche Melodien.
Sterblich sind auch die Lieder,
Keines tönt ewig wieder,
Alle verweht der Wind:
Blumen und Schmetterlinge,
Die unvergänglicher Dinge
Flüchtiges Gleichnis sind.

Mit Hermann Hesses Gedicht möchte ich die Frage stellen:

Brauchen wir einen bestimmten Tag,z.B.*Totensonntag* um an unsere Verstorbenen zu denken?


Chris antwortete am 24.11.02 (11:29):

Hallo Nuxel,

ich denke es sollte uns allen dieser Tag wert sein, dass wir der vielen Menschen gedenken,
die uns nahe sind, die wir verloren haben.

Wir haben hier im Ort eine gemeinsame ökumenische Feier, dort gedenken wir all dener
die im letzten Jahr von uns gegangen sind.

Und Menschen, an die man mit Liebe denkt, die sind nicht tot in unserem Herzen!

Chris


Nuxel antwortete am 24.11.02 (11:50):

Liebe Chris

ich muss keinen besonderen Tag für mich geben,um an die Menschen zu denken,die verstorben sind.
An Menschen,die mir nahe und lieb waren,denke ich sehr,sehr oft,erinnere mich ganz bewusst an Erlebnisse mit ihnen.
Eine persönliche "Fotogalerie",an der ich häufig verweile,zeigt viele Erinnerungen.
Ein selbstgebundener Blumenkranz von getrockneten Blüten je nach Jahreszeit hängt dazwischen und auf einem schmeideeisernen Halter eine dicke Honigkerze,die ich je nach Stimmung anzünde.
Ehemann und Geschwister,sowie viele Anverwandte haben ihre Gräber so weit verstreut,dass ich an dem dafür bestimmten Tag nicht hinfahren kann.
Meiner Mutter Urne,die ich selber aus dem Schwarzwald hierher holte,hat ihren Platz in meiner Nähe auf dem Friedhof,dort bin ich so oft,wie ich sein möchte-----

An Opfertote denke ich auch öfter als an einem Tag und es tut mir leid-in des Wortes wahrster Bedeutung-dass sie durch Unfälle,Naturgewalten,Krieg oder Terror oder Mord ihr Leben verlieren mussten.
Ganz zu schweigen,von den vielen Kindern,die wegen Hunger oder schwerer unheilbarer Krankheit sterben mussten.

In mir ist oft eine grosse Traurigkeit,dass der Mensch sich immer grausamere Methoden ausdenkt,um Mensch-und Natur und Tiere- zu vernichten,anstatt sich auf seine humane Bestimmung zu besinnen.

Nuxel


Heidi antwortete am 24.11.02 (11:51):

Novemberfrost

Aus heiterem Himmel
fällt Frost und
Dunkelheit

Novembertage: die Totentage
lassen mich schutzlos
vor kommender Kälte
zittern

hl

Nein, ich brauche sie nicht, diese "Feiertage".


Loreley antwortete am 24.11.02 (12:08):

Danke Nuxel für dieses Gedicht, es hat mich sehr berührt.

Wer weiss, vielleicht braucht ihn der eine oder andere, um daran erinnert zu werden, wie vergänglich unser Leben doch ist? Mit dem Totensonntag wird ja auch das kirchliche Jahr
beendet und die Zeit des Advents, der Ankunft, ist somit Neubeginn des Kirchenjahres.
Für mich brauche ich keinen Totensonntag, ich habe sie Alle im Herzen, denke liebevoll an sie, spreche mit ihnen wenn mir danach ist, egal, ob es meine Mutti ist, die ich früh
verloren habe, meinen Papa, den ich nie gekannt habe, meine
Großeltern die mich betreut haben, besonders meine Omi, die
mich bis zu meinem 18. Geburtstag begleitet hat und vor allem mit meinem Mann. Für mich ist es Trost, gibt mir Mut
weiterzumachen.
Sehr, sehr wichtig ist im Leben die Zeit,
die wir einander geben.

Einen friedlichen Sonntag wünscht
Loreley







Loreley antwortete am 24.11.02 (14:34):

Gebet an Gott und all seine Engel:

Manche von uns sind so verzweifelt
daß sie nichts sagen können
daß sie nicht klagen können
sie bleiben stumm
ihr Leben lang.

Gott, bitte, hör ihre Klagen
wenn sie vor dem geleerten Glas sitzen
sieh ihren Schrei in den fahrigen Gesten
Gott, hör Du, was sie nicht sagen.

Manche von uns sind so verzweifelt
daß sie nicht mehr weinen können
sie haben es verlernt und
sie nun bleiben trockenen Auges
ihr Leben lang.

Gott, bitte, sieh ihre Traurigkeit
vergib ihnen ihre Versteinerung
und sammle die ungeweinten Tränen.

Manche von uns sind so verzweifelt
daß sie noch nie einen Engel gesehen haben
sie leben, ohne daß jemand fragt
Frau/Mann, warum weinst Du?
Sie glauben dir deine Geschichte nur halb
und bleiben allein beim Weinen.

Gott, bitte,
schick doch mal einen oder zwei Engel
die fragen: Warum weinst Du?
schicke eine/einen von uns zu fragen warum
damit wir alle nicht allein bleiben
vor den Gräbern
wo unsere Hoffnungen verscharrt liegen
und lehr uns klagen
und lehr uns weinen
und zeig uns die Engel
die am Grab (Jesu) warten... (D.Sölle)

... und vergib uns unsere Schuld...

Loreley


Gila antwortete am 24.11.02 (16:38):

Hallo miteinander,

sicher ist der Totensonntag nicht der einzige Tag im Jahr, an dem wir der Verstorbenen gedenken. Dazu bedarf es nicht eines speziellen Tages.

Eigentlich heißt dieser Sonntag ja Ewigkeitssonntag. Im Volksmund nennt man ihn auch Totensonntag, weil viele an diesem letzten Sonntag im Kirchenjahr zum Friedhof gehen, um an die Verstorbenen zu denken und die Gräber winterfest zu machen. In unseren Gottesdiensten werden die Namen der Verstorbenen verlesen und in das Gebet der Gemeinde aufgenommen. Diese Tradition ist noch nicht alt. 1816 ordnete der preußische König Friedrich Wilhelm III. an, den letzten Sonntag im Kirchenjahr als Feiertag zum Gedenken der Toten zu begehen.

Das Datum des Ewigkeitssonntags ist nicht zufällig gewählt. Es bezeichnet zum einen das Ende, das Unwiederbringliche. Auf dieses Ende folgt aber der Advent, der Neuanfang. Es wird der Glaube veranschaulicht, dass der Tod nicht das letzte Wort hat. Wir denken also nicht nur zurück, sondern vor allem nach vorn. Wir reden und singen von der Hoffnung auf die Auferstehung zum ewigen Leben, darum reden wir vom Ewigkeitssonntag.


Nuxel antwortete am 24.11.02 (16:59):

Hallo,Gila
nicht alle Menschen leben *im Krchenjahr*sprich:sind gläubige Christen und gedenken der Verstorbenen darum nicht mit weniger Trauer.
Meint Nuxel


schorsch antwortete am 25.11.02 (09:09):

Bei uns in der Schweiz hat der 1. November (Allerheiligen) diese "Aufgabe", sich an die Toten zu erinnern. Ich bin da nicht so Anhänger davon, denn um sich seiner Verstorbenen zu erinnern (an sie zu denken) brauche ich keinen besonderen Tag. Manchmal unter dem Jahr habe ich plötzlich das Gefühl, im Moment sei gerade dieser oder jene Verstorbene ganz nah bei mir und helfe mir bei einem Problem. Ganz besonders sind das die Buchpatin meines ersten Buches und ein Meisterkollege aus "unserem" Betrieb, der mir sehr nahe stand, weil er auf praktisch alle Fragen eine Antwort wusste oder beschaffte. Die Buchpatin RB ist leider an Bauchspeicheldrüsenkrebs früh gestorben und der Kollege kam bei einem Autounfall ums Leben - als er jemandem einen Gefallen tun wollte.Merkwürdigerweise aber denke ich an meine verstorbenen Familienangehörigen weniger.


Fred Reinhardt antwortete am 25.11.02 (13:14):

Auch bei uns in Bayern ist Allerheiligen Feiertag Schorsch, aber auf den Dörfern wird der 2. November " Allerseelen ", nach wie vor höher bewertet. An Allerseelen gedenkt man den Verstorbenen im näheren Umkreis. Warum man den " Heiligen " so einen Feiertag eingerichtet hat und den Seelentag, nur noch nebenbei erwähnt, weiss ich nicht.
Möglicherweise gerät dieser Tag, der auch für mich der Wichtigere war, in Vergessenheit.


Friedgard antwortete am 25.11.02 (18:19):

Brauchen wir einen Muttertag - einen Vatertag, der ursprünglich Himmelfahrt war? Brauchen wir einen Gedenktag für die Wiedervereinigung? Brauchen wir überhaupt Feiertage?
Es hat nichts damit zu tun, daß man nur an diesem Tag der Toten gedenken soll.
Wir leben in einer Tradition, die natürlich angegriffen werden kann. Was kommt an ihrer Stelle?