Archivübersicht | Impressum

THEMA:   Betrug hört auf: Dienst nach Vorschrift

 22 Antwort(en).

rolf begann die Diskussion am 17.12.02 (10:53) mit folgendem Beitrag:

Ärzte und Apotheker kündigen "Dienst nach Vorschrift" an.
Heißt das, daß sie jetzt die Vorschriften zur korrekten Abrechnung beachten werden?
Und geben sie damit zu, daß Verstöße gegen die Vorschriften die Regel waren?


Fred Reinhardt antwortete am 17.12.02 (11:49):

@Rolf es sind bestimmt nicht alle Ärzte und alle Apotheker die unkorrekte Abrechnungen geschrieben haben, aber unser Abrechnungssystem mit den Kassen verführt gerade dazu.
Warum erhält ein Kassenmitglied seine Rechnung nicht selbst zur Abrechnung mit seiner Kasse ? Eine Rechnung erstellt der Arzt ja so und so, aber diese nur über seine kassenärztliche Vereinigung und die kostet eine Menge Geld.
Schon der ehrenamtliche Vorsitzende dieser Vereinigung, erhält eine Aufwandsentschädigung pro Jahr zwischen 80.000,00 und 120.000,00 Euro.

Da wäre noch so ein sehr alter Zopf der Akademiker, die über " Gebührenordnung " ihr Geld eintreiben. Bei den Handwerkern nur der Schornsteinfeger und der ist in vielen Fällen bereits überflüssig, aber er muss trotzdem bezahlt werden. Dies gehört hier nicht zum Thema, aber es müsste auch darüber nachgedacht und bald abgeschafft werden.

Zu unseren armen Apothekern ein Beispiel :
2 x 180 Stück = 360 Stück Tabletten " Centrum " Preis USA incl.Steuer 19,80 US Dollar.
In Deutschland, gleiche Menge gleiches Fabrikat aber etwas kleinere Verpackungseinheiten umgerechnet zwischen 64,00 und 72,00 Euro. Bei Euro = Dollar keine schlechte Verdienstspanne des Apothekers bei uns. Ich kann mir nicht vorstellen das der Apotheker in den USA ohne Aufschlag verkauft. Ein Beispiel von vielen.


rolf antwortete am 17.12.02 (12:12):

Hallo Fred,
ich wollte zwar eigentlich mehr darauf hinaus, daß Dienst nach Vorschrift als Umschreibung für Streik zu völlig anderer Auslegung führen kann, aber auch Deine Antwort gibt dem Thema eine sinnvolle Richtung.


bello antwortete am 17.12.02 (12:18):

Da Notdienste eingerichtet sind, ist es kein Streik.
Jeder Arzt kann seine Praxis geschlossen halten, wann er will, wenn es nur draußen zu lesen ist. Es gibt keine Vorschriften für "Dienststunden". Viele Ärzte praktizieren an Mittwochen und Freitag-Nachmittagen schon lange nicht mehr.


johannes michalowsky antwortete am 17.12.02 (12:47):

@Fred

Ich glaube schon, daß es den Apotheken bei uns im Lande nicht so gut geht. Das ergibt sich schon alleine aus einer zu großen Apothekendichte. Denn das, was der Kunde hierzulande mehr bezahlt als nach Deiner Rechnung ein US Amerikaner, steckt ja keinswegs die Apotheke ein.


Ursula antwortete am 17.12.02 (13:14):

@bello, es reicht nicht aus, "dass es draußen zu lesen ist", wenn die Praxis nicht besetzt ist!

Der Arzt muß für die Zeit seiner Abwesenheit vor allen Dingen die Vertretung durch einen Kollegen sicherstellen und dessen Name, Adresse, Sprechzeiten etc. seinen Patienten bekanntgeben...
Und mit der Vertretung könnte bei einem "Dienst nach Vorschrift" evtl. problematisch werden.



bello antwortete am 17.12.02 (15:58):

Wenn draußen auf dem Praxisschild nichts steht, daß am Mittwoch geöffnet sei, braucht die Praxis da auch nicht geöffnet zu sein oder eine Vertretung zu haben. Ärzte haben nicht rund um die Uhr Dienst. Nachtdienste sind offiziell geregelt.


Fred Reinhardt antwortete am 17.12.02 (17:23):

@johannes,
du warst deinem Schreiben nach selbstständig und ich bin es nach wie vor. Würdest du ein Geschäft eröffnen, hohe Investitionen tätigen, wenn der Wettbewerb am Ort schon mehr als überzogen ist ?
Also kann es den Apothekern in Deutschland nur gut gehen, denn diese Leute die in einem bereits gesättigten Raum eine Apotheke eröffnen sind doch nicht von Dummsdorf. Meine Vermutung ist, diese weit überhöhten Arzneipreise und die daraus entstehenden Gewinne teilen sich Hersteller, Arzneimittelgrosshandel und Apotheken.

Noch etwas. Bei den meisten Apotheken in Deutschland muss ich zwei mal laufen, um das mir vom Arzt Verschriebene zu erhalten. Sie haben fast nichts mehr vorrätig und bestellen über teuere Eilzusteller meine Arznei. Da stellt sich wirklich die Frage, ob es nicht an der Zeit ist, gleich beim Schmied und nicht beim Schmiedlein zu kaufen.
Wer Berautng vom Apotheker will soll diese auch haben, aber als reines Auslieferungslager von Heilmitteln ist mir dies zu teuer. Einen Vergleich habe ich bereits gemacht.


Ursula antwortete am 17.12.02 (17:45):

@bello,

Praxisärzte sind verpflichtet, feste Sprechzeiten einzurichten (sonst bekommen sie keine Zulassung), und in diesen Zeiten m ü s s e n sie dann auch zur Verfügung stehen.
Änderungen müssen offiziell (auch der Ärztekammer) mitgeteilt werden, und bei Abwesenheit muß für Vertretung gesorgt werden.

Der zentral geregelte Bereitschaftsdienst gilt nur für die Zeit außerhalb der regulären Sprechzeiten (nachts, Wochenden, Feiertage...). An diesen Bereitschaftsdiensten müssen sich übrigens alle Praxisärzte ebenfalls beteiligen.


Johannes Michalowsky antwortete am 17.12.02 (18:35):

@Fred

"Sie haben fast nichts mehr vorrätig ... "

Dieses System kenne ich, so lange ich denken kann. Ich erinnere mich da an Aussagen eines Apothekers 1990 in Weimar (damals noch DDR), der sich schwer tat mit der Umstellung. Er sagte, früher hätten sie Ware gehortet und sich bemüht, alles bei sich vorrätig zu haben, weil keine Sicherheit der Belieferung gegeben war.

Ich denke, die zentrale Lagerhaltung und damit die Verminderung der Vor-ort-Bevorratung - in allen Apotheken - kann nur postiv sein. Kein Apotheker muß sich Medikamente hinlegen, von denen er nicht weiß, ob er sie je braucht und ob sie bei ihm nicht verfallen würden - was ja auch ein wirtschaftlicher Schaden ist. Der Arzneimittelbestand besteht ja nicht nur aus Aspirin und VickVapurub.

Andererseits weiß ich als Kunde, daß alles, was benötigt wird, binnen 24 Stunden da ist.

Ich glaube, das System ist gut, das wäre das letzte, woran gerüttelt werden sollte - und mit Sicherheit auch nicht kann.


Johannes Michalowsky antwortete am 17.12.02 (18:43):

@Fred

Weitere Antwort:

In den 12 Jahren, in denen ich hier in meinem Wohnort lebe , ist keine einzige Apotheke neu eröffnet worden. Der Vorwurf lässt sich also zumindest hier nicht erheben.

Es ist vielmehr zu beobachten, daß die Apotheken, um dem Schrumpfen ihrer Margen zu begegnen, versuchen sich zu diversifizieren. So, wie es bei Tchibo alles Mögliche außer Kaffee gibt und Tankstellen sich zu kleinen Warenhäusern verwandeln, in denen es halt nicht nur Benzin gibt, so mühen sich die Apotheken mit Angeboten, die nicht zu ihrem ursprünglichen Geschäft gehören und an denen sie wahrscheinlich mehr verdienen als an Thomapyrin oder Sinupret.


Fred Reinhardt antwortete am 17.12.02 (19:13):

Johannes, den Apotheken wird von ihrer Standesorganisation genau vorgeschrieben wieviel Verkaufsfläche, auf dem Raum bezogen, für andere Produkte sein darf. Jeder cm� wir da genauestens überwacht. Also verdienen sie an Arzneien doch sehr gut sonst wäre diese alte Richtlinie schon längst abgeschafft.
Guten Abend Fred


Felix antwortete am 18.12.02 (01:27):

Nach meinen Informationen haben wir in der Schweiz die höchsten Preise der Welt für Arztneimittel, abwohl viele davon sogar hier entwickelt und fabriziert wurden.
Die Lobby ist sehr mächtig und im Parlament übermässig vertreten. Um diese Gilde mache ich mir keine Sorgen, auch wenn immer wieder geklagt wird.
Als Insulinabhängiger Diabetiker erlebe ich hautnah, wie auf Kosten der Kranken und ihrer Kassen abgezockt wird.


bello antwortete am 18.12.02 (08:24):

@ Ursula:

an manchen Praxen steht sogar lediglich:
"Sprechstunden nach Vereinbarung"
oder
"Nur Privatpatienten".

Wie paßt das in das erwähnte Reglement?


schorsch antwortete am 18.12.02 (10:21):

Wie ernst es die Organisationen meinen mit ihrem Sparwillen sei an diesem Beispiel demonstriert (Sendung "Kassensturz" von gestern):
Ein Mann wollte der Invalidenversicherung helfen Geld zu sparen. Er organisierte einen Rollstuhl für eine Patientin zu einem Drittel des Preises, die das offizielle Entlehnungsinstitut verlangt. Er bekam den Rollstuhl nicht rückvergütet! Nur wenn er dreimal so viel bezahle, gäbe es eine Entschädigung, sagte sinngemäss die Invalidenversicherung.


schorsch antwortete am 18.12.02 (10:29):

Und noch etwas, das grosszügig noch ins Thema passen dürfte:

Dem Vernehmen nach gibt es in Deutschland viele Zahnärzte, die "am Fiskus vorbei" praktizieren. Das gehe so: Medikamente und Instrumente werden auf dem Graumarkt eingekauft. Rechnungen an die Patienten gehen "an der Kasse vorbei". Es seien Nachforderungen an Steuern in mehrfacher Millionenhöhe am Laufen. Weiss da jemand Genaueres?


bello antwortete am 18.12.02 (11:03):

Ich kann nur sagen, daß ich regelmäßig Rechnungen über sog. Betriebsausgaben erhalte, die als Praxis-Kosten von der Steuer abgesetzt werden. Diese zahlt die Versicherung nicht. Der Zahnarzt kassiert also das Eineinhalb-fache für die Leistung.


Helga B. antwortete am 18.12.02 (17:00):

Weil die Ärzte zu verarmen drohen, haben sie größtenteils an Mittwoch- und Freitagnachmittagen geschlossen.


hl antwortete am 18.12.02 (17:16):

Die Ärzte haben -grösstenteils- an den Mittwoch- und Freitagnachmittagen geschlossen, weil sie dann ihre Hausbesuche machen.


Poldi antwortete am 18.12.02 (19:28):

Bei mir ist sogar schon einmal ein Arzt am Samstag Vormittag gewesen wegen eines Notfalls. Das sollte man mal einem Verdi-Mitglied zumuten!!!


pilli antwortete am 19.12.02 (01:01):

@ hl

für einen meiner kunden, einen zahnarzt, habe ich auch an mi/fr. nachmittagen termine mit golfpartnern auf dem green abgesprochen. vielleicht ist das ein einzelfall?

falls ich fragen zu neuen aufträgen und terminvereinbarungen hatte, durfte ich ihn dort jederzeit stören...*ggg*


DorisW antwortete am 19.12.02 (08:14):

@Poldi

Das WIRD vielen Verdi-Mitgliedern zugemutet.

Oder glaubst du, der Arztberuf ist der einzige, bei dem Notfälle auftreten können und bei dem ein Bereitschaftsdienst erforderlich ist?

Vielleicht hast du etwas von verlängerten Börsen-Öffnungszeiten mitbekommen. Das bedeutet für viele Bankmitarbeiter ebenfalls Arbeitszeiten außerhalb des normalen "Nine-to-five"-Rhythmus.
Beispielsweise sind der 24. und der 31. Dezember Börsentage.
Ich habe als Anwendungsbetreuerin eines EDV-Systems an beiden Tagen Bereitschaft und muß im Zweifelsfall an Heiligabend oder Silvester den 40 km langen Weg zu meiner Arbeitsstätte antreten.


schorsch antwortete am 19.12.02 (09:34):

Wer vor X Jahren einen Beruf ergriff, von dem er wusste, dass er ihm Mehrstunden bringen würde, dann hat er das freiwillig gemacht. Wenn aber heute Leute, die einmal einen Beruf ergriffen, weil ihnen die Arbeitsbedingungen passten und die nun plötzlich andere aufdiktiert bekommen, dann sei ihnen unbenommen, darauf böse zu reagieren.