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THEMA:   Achtung: Wie sarkastisch darf Sarkasmus sein?

 19 Antwort(en).

seewolf begann die Diskussion am 07.01.03 (14:16) mit folgendem Beitrag:

Unbedingt lesenswert - wenn nicht Pflicht für Forum-Schreiber :

ein Bericht in Spiegel-Online heute...

"Im schönen Münster beginnt am Mittwoch ein bemerkenswerter Strafprozess. Ein Mann steht da vor Gericht, der in einem Internet-Forum einen - seiner Meinung nach sarkastischen - Diskussionsbeitrag veröffentlicht hat. Der Vorwurf der Staatsanwaltschaft: Billigung von Mord.
..."

Link unten.

Internet-Tipp: https://www.spiegel.de/netzwelt/politik/0,1518,229610,00.html


Wolfgang antwortete am 07.01.03 (15:34):

Warten wir ab, wie das Urteil sein wird... Eines aber muss jede(r) Schreiber(in) wissen: Öffentliche Foren sind keine rechtsfreien Räume.

Jede rechtswidrige Äusserung - zum Beispiel Äusserungen, die den Tatbeständen wie Volksverhetzung oder Leugnung des Holocausts entsprechen - kann für eine Anzeige verwendet werden. Für die rechtlichen Folgen trägt der/die VerfasserIn die Verantwortung.

Übrigens stehen auch Websitebetreiber und sogar der Provider (der, der die Website hostet), in der Pflicht und dürfen solche Äusserungen nicht öffentlich stehen lassen.


webmaster antwortete am 07.01.03 (16:03):

Deshalb steht in den Regeln, dass sich der ST das Recht der Löschung vorbehält. Dadurch bin ich andererseits aber auch in der Pflicht, um die mich sicher alle beneiden.


schorsch antwortete am 07.01.03 (16:26):

Ich halte mich an zwei einfache Regeln:

1.) Alles was ich in einem Leserbrief in einer Zeitung schreibe, kann auch in ein Internet-Forum veröffentlicht werden.

2.) Alles was ich einem Zeitgenossen nicht unter Zeugen ins Gesicht sagen würde, unterlasse ich auch in einem Internet-Forum.


Felix antwortete am 07.01.03 (17:01):

Ich bin auch der Meinung, dass das Internet und seine Institutionen kein rechtsfreier Raum sein darf. Ich bin auch ... von wenigen Ausnahmen abgesehen ... gegen die Anonymität, die zu Entgleisungen aufmuntert.
Ich zeichne mit meinem bürgerlichen Namen: Felix Schweizer. Auch meine e-Mail-Adresse heisst bekanntlich [email protected] und ist damit durchsichtig. Bis jetzt brauche ich auch kein schlechtes Gewissen zu haben ... auch wenn ich oft für einige unbequem sein kann.


DorisW antwortete am 07.01.03 (17:22):

Die bisherigen Beiträge sind ja so alle ganz schön und richtig, gehen aber meiner Meinung nach an dem eigentlichen Problem weit vorbei.

Die Frage ist hier nicht, ob man im Internet volksverhetzende Äußerungen, Aufrufe zum Mord oder was weiß ich alles posten darf. Natürlich darf man nicht. Punkt. Aus.

Aber: wie weit muß ich mir Sarkasmus verkneifen, wenn ich befürchten muß, daß er nicht verstanden wird, sondern mir ein wildgewordener Staatsanwalt das Wort im Munde verdreht?

Habt ihr den Fall mal wirklich durchgelesen? Ich meine nicht nur den Spiegel-Artikel, sondern
a) den auslösenden Bericht im Internet-Magazin Telepolis(https://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/co/12758/1.html)
b) den wirklich menschenverachtenden und haßtriefenden Forumsbeitrag eines Menschen mit dem Nick "Engine of Aggression" (https://www.heise.de/tp/foren/go.shtml?read=1&msg_id=1911553&forum_id=30631)
c) die sarkastische Reaktion des nun angeklagten Holger Voss
(https://www.heise.de/tp/foren/go.shtml?read=1&msg_id=1916234&forum_id=30631)

Ich bin fassungslos, daß die sarkastische Antwort von Holger Voss Gegenstand der Anklage ist und nicht der Beitrag von "Engine of Aggression".

Kürzlich schrieb ein Diskutant in einem Politikthema hier im ST:
"Lernen müssen die Israelis !!!!
Aha, so ist das !
Die Israelis müssen lernen, sich weiterhin von fanatisierten Menschenbomben töten zu lassen. Sie müssen lernen, stets in Furcht zu leben, nie wissend, ob nicht einer der Wartenden an der Bushaltestelle eine solche lebende Bombe ist.
Macht ja nichts, sind ja nur......Juden!! Odrr??"

Kein denkender Mensch würde nun auf die Idee kommen, der Schreiber würde es billigen, daß Israelis durch Selbstmordattentate getötet werden. Oder??
Im von Seewolf zitierten Fall ist es aber genau so :-(((


schorsch antwortete am 08.01.03 (11:48):

Satire ist in totalitären Staaten manchmal für Schriftsteller der einzig noch mögliche Weg, ihren Frust gegen Ungerechtigkeiten kund zu tun. Aber was bei uns als Satire gilt, führt in den erwähnten Staaten oft zu Kerker und Tod. Zur Satire zähle ich auch die Politischen Karikaturen.


Wolfgang antwortete am 08.01.03 (13:23):

Das Gericht hat gesprochen: Freispruch für den Forenteilnehmer Holger Voss.

In der Verhandlung um einen Meinungsbeitrag in einem öffentlichen Forum wurde der Angeklagte Holger Voss von dem Vorwurf freigesprochen, er habe zumindest billigend in Kauf genommen, dass unbefangene Leser seine Äußerungen als Zustimmung zu Terroranschlägen interpretieren. Wie die Richterin Schach zum Freispruch ergänzend ausführte, bleibt offen, wer oder was ein "unbefangener Leser" in einem Forum sein kann. ;-)


Hanskarl antwortete am 08.01.03 (20:13):

Hallo SCHORSCH,

Meinungsfreiheit gibt es immer. In einigen Staaten ist man
nur frei ohne eigene Meinung - in anderen ist man so frei
und leistet sich keine Eigene Meinung.

Gruß Hanskarl


hl antwortete am 09.01.03 (09:08):

Münster: Freispruch in Prozess um Forum-Posting

Im Verfahren um eine Meinungsäußerung in einem Forum des Magazins "Telepolis" sprach das Amtsgericht Münster den Angeklagten vom Vorwurf der Gewaltdarstellung (�131 StGB) frei. Der Foren-Teilnehmer hatte sich nach eigenen Angaben "sarkastisch und ironisch überspitzt" über
einen "Telepolis"-Artikel geäußert.

Die Richterin schloss sich mit ihrem Urteil der Auffassung der Verteidigung an, die aus dem Foren-Posting keine Verherrlichung einer Gewalttat sah. Dem Angeklagten könne nicht zur Last gelegt werden, er habe billigend in Kauf genomme, dass unbefangene Leser seine Äußerungen als
Zustimmung zu Terror-Anschlägen interpretieren.

Zuvor hatte sich die Staatsanwaltschaft der Forderung der Verteidigung nach einem Freispruch des Angeklagten angeschlossen. Ihr lagen offenbar unvollständige Ermittlungsunterlagen vor, in denen ein Teil des
Foren-Postings fehlte: Mit dem Satz "Wer Sarkasmus findet, der/die möge ihn bitte weiterverwenden" hatte sich der Autor, der nach eigener Aussage überzeugter Kriegsgegner ist, von dem Posting distanziert.

Der Angeklagte äußerte nach dem Prozess Kritik an seinem Provider T-Online, der die Verbindungsdaten, auf deren Basis sein PC als Absender des Textes ermittelt wurde, rechtswidrig gespeichert hatte. Nach dem deutschen Teledienstedatenschutzgesetz dürfen Verbindungsdaten vom
Provider nur zu Abrechnungszwecken gespeichert werden. Der T-DSL-flat-Anschluss des Angeklagten wird jedoch pauschal abgerechnet, sodass die Speicherung der Verbindungsdaten für Abrechnungszwecke nicht erforderlich ist.

Quelle: Chip.de / www.pc-special.de

Internet-Tipp: https://www.pc-special.de


juttam antwortete am 12.01.03 (06:28):

Hallo HansKarl,

"Meinungsfreiheit gibt es immer. In einigen Staaten ist man
nur frei ohne eigene Meinung -
in anderen ist man so frei und leistet sich
keine Eigene Meinung."

Sehr, sehr Richtig!

Ironie und Sarkasmus sind NIEMALS drohend,
sondern lediglich ein Spiegelbild, in welchem man
sich (gelegentlich ueblerweise) selber sehen muss.

Wolfgang, natuerlich ist ein Oeffentliches Forum
kein Rechtsfreier Raum....doch schreckst Du z.B.
nicht vor den uebelsten Verleumdungen zurueck.
...nur mal so bemerkt, nicht dass ich Dir was krumm
nehme!

Richtig Schorsch, ich pflichte Dir voll bei!

Felix: das ist ehrenswert - und so sollte es sein.

Danke DorisW. - das ist genau der Punkt!
Ich koennte Dir nicht mehr beipflichten.

Schorsch, Ich bin voll Deiner Meinung! Leicht
'verhangene" Realitaet i n Form von politischer Satire,
oder ganz einfach menschlichem Sarkasmus
sollte niemals zu Anklagen oder sogar "Verschwinden"
fuehren.
Es gibt genuegend Laender auf der Welt, wo das leider
so ist!

Wolfgang:

"er habe zumindest billigend in Kauf genommen, dass unbefangene Leser seine Äußerungen als Zustimmung zu Terroranschlägen interpretieren"

Der Mann musste DESWEGEN vor Gericht?
...UNBEFANGENE LESER?
Wie dusslig sind eigentlich Leute, die es fertigbringen
mit einem Computer umzugehen?
Oder fuer wie Dusslig werden sie gehalten?

Das ist doch wohl kein ernstes Argument!
Sowas nenne ich die Spitze des Sarkasmus und
der Satire!!!! - und das von Rechtlicher Seite -
wenn es nicht so traurig waere dass jemand vor
Gericht stehen musste deswegen!

Ich wuerde allen Ernstes mal vorschlagen dass man
sich mal ueberlegt wie es um ideologische Freiheiten
bestellt ist, wenn sowas bereits moeglich ist!


webmaster antwortete am 12.01.03 (09:28):

@ Juttam

ich möchte nur zu einer Bemerkung von Dir Stellung beziehen. Du verpackst in Deinem Text den Satz "Wolfgang, natuerlich ist ein Oeffentliches Forum kein Rechtsfreier Raum....doch schreckst Du z.B. nicht vor den uebelsten Verleumdungen zurueck."
Als Webmaster, der jeden einzelnen Forumsbeitrag unter allen Themen in allen Rubriken hier liest, möchte ich für Wolfgang eine Ehrenerklärung abgeben. Wer sich erinnert weiß, dass ich mit ihm schon heftigst inhaltlich gestritten habe. Aber ich stelle fest: Nicht er ist es, der persönlich unter der Gürtellinie angreift. Er hat unbequeme Meinungen und viele wollen ihn deshalb(!) gern abschiessen, ja für einige ist er ein "rotes Tuch". Deshalb ist er das häufige Opfer persönlicher Angriffe. Hierzu zähle ich auch den Vorwurf "... doch schreckst Du z.B. nicht vor den uebelsten Verleumdungen zurueck."

Meinungsfreiheit ist vor allem die Freiheit des anderen, seine Meinung sagen zu dürfen, auch wenn sie einem politisch nicht in den Kram passt. Die Kunst besteht darin, ihm so zu antworten, dass die Meinung kritisiert wird und nicht die Person, eine Kunst, die ich selbst auch immer wieder aufs neue üben muss ;-)

Mit freundlichen Grüßen

Karl


schorsch antwortete am 12.01.03 (10:09):

.....und manchmal ist es besser dreimal leer zu schlucken - und dann auf eine Antwort zu verzichten - auch wenn der Angreifer den Verzichter dann als Feigling brandmarkt.


juttam antwortete am 15.01.03 (07:46):

"Tschulligung" Webmaster:
Ein Staatsoberhaupt (oder irgend jemanden) - ein ganzes
Land (oder irgend jemanden) routinemassig als
blutruenstige Moerder hinzustellen gilt wohl nicht
als Verleumdung?

Sorry, habe mich vertan!

Ich dachte hier geht es fair zu

ja "webmaster" (Du sagst):
Meinungsfreiheit ist vor allem die Freiheit des anderen, seine Meinung sagen zu dürfen, auch wenn sie einem politisch nicht in den Kram passt. Die Kunst besteht darin, ihm so zu antworten, dass die Meinung kritisiert wird und nicht die Person, eine Kunst, die ich selbst auch immer wieder aufs neue üben muss ;-)"

Wenn Du, webmaster, mal zurueck sehen wuerdest auf
eintraege meinerseits, die nichts sagten als meine Meinung, und dann auf viele "Antworten" andererseits,
die mir bestaetigten dass ich dumm und doof sei,
wuerdest Du mir gar nicht damit ankommen!

Sarkasmus - hier - scheint mir nur viable zu sein wenn
er von der "politisch korrekten" Seite kommt!
Ansonsten sind es "faux pas" die sich nicht gehoeren!

Auf der Anderen Seite gehoert hierher wohl aber auch
meine vollkommene Zustimmung und mein tiefster
Respekt fuer ALLE die sich die Zeit und Muehe nehmen
uebehaupt hier zu sein - und sich den Senf der Andern
anzulesen!

Zeigt es doch, dass wir nicht Alle nur
"ach-egal" daherwandern! Und das ist doch ein
Gutes Zeiche, oder?

Selten (moechte ich hoffen) nehmen wir einander
"verbale Ausgleisungen" krumm. - auch wenn wir
noch so scharf und sarkastisch darauf reagieren.

Die frage ist: wie sarkastisch darf Sarkasmus sein?

WIE SCHARF IMMMER MAN MOECHTE, SOLANGE
DIE ANDERN VERSTEHEN DASS ES SARKASMUS IST! - (that for future reference :))))

Frohes Streiten Allerseits


Karl antwortete am 15.01.03 (08:04):

@ juttam,


wir haben schon oft hier gesagt, dass Politiker für sich nicht den gleichen Personenschutz in den Foren (und in der Öffentlichkeit allgemein) besitzen wie die Diskutanten. Wenn ein Bush eine blutrünstige Politik macht, dann ist diese Feststellung übrigens kein Sarkasmus, sondern leider Realismus.
Andererseits schallt es aus dem Wald so heraus wie man hereinruft. Deine extremen Meinungen (bei Dir zu Hause mögen sie "normal" sein) z.B. zur Todesstrafe, fordern scharfe Repliken heraus. Diese sind viel eher hinzunehmen als unschuldig zum Tode Verurteilte.


Angelika antwortete am 15.01.03 (10:52):

Zwischen Humor, Satire, Ironie, Groteske und Sarkasmus muss man wohl differenzieren und manche Abscheulichkeiten werden einem durch Satire erst wirklich bewusst und helfen uns, sie durch Sarkasmus besser zu verarbeiten. Man denke nur an die grausamen Kindermorde von Belgien und die unglaublichen menschenverachtenden Witze, die es dann gab. Wollen wir nicht darüber diskutieren, dass es -menschenverachtend war- aber sie haben auch etwas bewirkt: Das Lachen ist so manchem im Hals stecken geblieben und hat das Geschehen und das Schicksal dieser Kinder zurück ins Gedächtnis gerufen.

Wo Sarkasmus nicht mehr weiterhilft, ist es vielleicht Zeit, still zu werden und eine Kerze anzuzünden ...
Bitte dem Link einfach folgen ....

Angelika

Internet-Tipp: https://www.gratefulness.org/candles/enter.cfm?l=GER&s=f


juttam antwortete am 16.01.03 (03:59):

Schon wieder daneben, Karl!

Dabei hatte ich mir Muehe gegeben!

Du z.B. DENKST dass Busch aggressive Politik macht!
Das ist DEINE MEINUNG!
Meine ist es nicht!

Ich z.B. denke dass mit der Todesstrafe nichts verkehrt
ist!
Das ist MEINE MEINUNG!
Deine ist es nicht!

Und warum ist Deine Meinung dann richtig und meine
Meinung falsch?
Schliesslich stehen wir hier 50/50, oder?

Meine Meinung ist extrem, aber Deine nicht?
Fuer mich ist Deine Meinung durchaus jedes Bisschen
so extrem, wie Meine Dir erscheint!

It's in the nature of the beast!


schorsch antwortete am 16.01.03 (09:23):

Bush ist der Meinung, dass er ein paar hunderttausend Iraker töten lassen darf. Das ist seine Meinung.

Hunderttausend Iraker sind der Meinung, dass sie leben wollen. Das ist ihre Meinung.

Also stehen Bush und die hunterttausend Iraker 50/50 zu einander?


Angelika antwortete am 22.01.03 (14:25):

ob sich die vehementen Befürworter der Todesstrafe mal überlegt haben, dass es sich dabei um nichts anderes als legitimierten Mord handelt? Daß sie nichts nützt und oft in Kauf genommen wird, zeigen amerikanische Statistiken zum Thema Kriminalität, im speziellen Mord.
Aber - so eine Todesstrafe ist wohl auch eine Befriedigung des Aggressionstriebes braver Bürger, die danach schreien und sich nach deren Ausübung genüsslich in ihrem Sessel zurücklehnen. Das alleine lässt mich schaudern ...


Nuxel antwortete am 22.01.03 (15:53):


...mich auch,und wie!!!!!