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THEMA:   Hamburger Krankenhaus lehnt die Aufnahme obdachloser Kranker ab

 9 Antwort(en).

Barbara begann die Diskussion am 03.02.03 (16:15) mit folgendem Beitrag:

Wochenlang sitzt ein Mann in der Hamburger Innenstadt. Fliegen umkreisen sein Bein, er bettelt. Die Wunde an seinem Bein ist offen, eitrig, verrottet und geschwollen. Mitarbeiter der Caritas begleiten ihn in das St.Georg-Krankenhaus. Dort sind die Ärzte nicht einmal bereit, die Wunde zu untersuchen, geschweige denn zu reinigen. Sie schicken den Kranken einfach fort.

In einem ähnlichen Fall war das Bein bereits schwarz. Auch dieser Mann wurde im St.Georg-Krankenhaus mit den Worten abgewiesen: "Wir sind doch kein Pflegeheim!" Erst beim dritten Versuch wurde er aufgenommen. Sein Bein wurde amputiert.

In Stralsund wurde ein Volltrunkener aus der Innenstadt entfernt. Zwei Polizisten setzten ihn neun Kilometer vom Zentrum entfernt aus. In dieser Nacht herrschte leichter Frost. Die nächsten Häuser waren anderthalb Kilometer entfernt. Der Mann starb an Unterkühlung.

Was meint Ihr dazu?
Handelt es sich um Einzelfälle?

Internet-Tipp: https://www.hinzundkunzt.de/hk/strassenmagazin/ausgabe/titelthema/~article~153/


eko antwortete am 03.02.03 (18:17):

Handelt es sich um Einzelfälle ?

Hoffentlich !!


angelika antwortete am 03.02.03 (18:26):

ich weiss nur, dass ein grosses krankenhaus in berlin vor einigen jahren seine intensivabteilung für brandverletzungen (eine der wenigen) schliessen musste, weil die stadt sich weigerte ,weiterhin die kosten für behandlung von obdachlosen zu übernehmen, die mit schwersten brandverletzungen eingeliefert wurden - und das waren nicht wenige. ein tag auf der abteilung kostete dm 3000 und die klinik konnte die kosten nicht mehr tragen. im schnitt waren 2-3 intensivplätze jahraus jahrein mit obdachlosen belegt, die man nicht nur aus berlin in diese klinik schaffte und die stadt schuldete der klimik breits einen millionenbetrag. es handelte sich keineswegs um ein schickimickikrankenhaus sondern um das grösste krankenhaus für kreuzberg und neukölln, in dem es kaum privatpatienten gab, an denen man "richtig verdienen" hätte können.


Marianne antwortete am 03.02.03 (19:02):

Mir sind solche brutalen Fälle in Österreich nicht bekannt. Hier in Wien gibt es das Spital der Barmherzigen Brüder, in dem Unterstandslose behandelt werden. Sehr viele dieser Bedauernswerten beziehen ja Sozialhilfe und sind so auch in das ärztliche Versorgungssystem eingebunden.
Sehr viele "untergetauchte" Asylwerber wollen aus begreiflichen Gründen gar nicht ärztlich betreut werden.
Mit Fontane sage ich: Das ist ein weites Feld"

Dass wir mit den wachsenden Möglichkeiten der Medizin in rasender Eile einer medizinischen Zweiklassengesellschaft entgegengehen, ist für mich Tatsache.


Barbara antwortete am 03.02.03 (21:32):

Vielleicht sollte ich noch erwähnen, dass Hamburg zu den reichsten Regionen Europas gehört....

Das Hafenkrankenhaus, was im Brennpunkt St.Pauli lag, wurde trotz jahrelangem Protest der Bürger geschlossen. Nach langem Hin und Her hat man ein Sozial- und Gesundheitszentrum auf dem Gelände errichtet, in dem Obdachlose und andere Bedürftige versorgt werden können. Die Betten reichen selten aus. Als Begegnungsstätte hat sich das "Cafee mit Herz" bewährt, was nun auf Druck von SPD und CDU vertrieben werden soll. In dieser Frage sind sich SPD und CDU schon mal einig......

St.Georg ist ein weiterer sozialer Brennpunkt in Hamburg. Wahrscheinlich fürchtet das Krankenhaus um seinen guten Ruf, wenn es immer mehr Obdachlose aufnehmen muss.

Noch eine Nachricht aus Hamburg:
es sind sechs weitere Einkaufszentren in Planung. Zwei davon direkt an der Alster, ganz exquisit für die sich rasant vermehrenden ausgesprochen Betuchten......

Internet-Tipp: https://www.taz.de/pt/2002/12/24/a0246.nf/text


maggy antwortete am 03.02.03 (22:23):

Hallo Barbara,
ich möchte gerne etwas zu obdachlosen Menschen sagen.

In Deutschland muss niemand auf der Straße schlafen. In nahezu jeder Stadt gibt es für Obdachlose Unterkünfte, wo sie essen, sich waschen und schlafen können. Aber Obdachlose möchten garnicht unbedingt in diese Unterkünfte und das ist eben das Problem.

Ebenso muss in Deutschland niemand hungern. Es gibt zwischenzeitlich über 310 Tafeln, die weitgehends Lebensmittel kostenlos an bedürftige Menschen verteilen.
Die Hamburger Tafel e.V. arbeitet seit über 9 Jahren.

Es gibt auch Ärzte, die obdachlose Bürger kostenlos medizinisch versorgen. Warum das Krankenhaus in HH eine Aufnahme ablehnte, kann ich nicht sagen. Ich finde es aber sehr schlimm.

Internet-Tipp: https://www.oldenburger-tafel.de


Nuxel antwortete am 03.02.03 (22:55):

Barbara
was Du berichtest,ist ungeheuerlich!
Frage:weisst Du,
ob die Ärzte selber die Behandlung verweigerten oder wurden die hilflosen Behandlungsbedürftigen vom Pfortenpersonal abgelehnt.
Wie auch immer,derartiges Verhalten ist strafbar!
Noch eine Frage:
wenn dieser Kranke wirklich wochenlang auf der Strasse mit eiterndem Bein gesessen hat-an die Fliegen auf der eiternden Wunde darf ich gar nicht denken!- war denn da nirgends ein MENSCH,der sich gekümmert hat?
Manches Krankenhaus musste Stationen schliessen,die mit teurer Apparatetechnik ausgestattet waren,weil die Personalkosten unbezahlbar wurden.Dazu kommt noch,dass viele Patienten wesentlich kürzere Klinikaufenthalte von der Kasse erstattet bekommen und viele Operationen ambulant gemacht werden.
@Maggy
natürlich werden für Obdachlose entsprechende Unterkünfte angeboten,aber,wie Du auch erwähnst, wollen viele aus verschiedenen Gründen nicht dorthin.Und morgends müssen sie ihren Schlafplatz räumen,und suchen dann in Kaufhäusern,Bahnhofshallen u.a. Plätzen etwas Wärme.
Die Suppenküchen haben auch nur bestimmte Öffnungszeiten.

Unser Gesundheits-und Sozialwesen ist der grösste Patient!


kleinella antwortete am 03.02.03 (23:12):

Meiner Meinung nach ist das allerschlimmste, daß es überhaupt Obdachlose gibt.
Da frage ich mich seit 12 Jahren, wo sind wir hingeraten. Das Recht auf Wohnung und auf Arbeit ist das mindeste, was jedem Menschen zustehen sollte.
Und die Ärzte sollten mal über den Eid nachdenken, den sie geleistet haben, oder gibt es das heute gar nicht mehr?


Barbara antwortete am 03.02.03 (23:35):

Nuxel,

nein, nicht der Pförtner, sondern Ärzte haben die Behandlung verweigert. Den gesamten Artikel kannst Du unter dem angegebenen Link lesen.

Dort heißt es u.a.:

>>William (ein Pfleger) fuhr mit dem Patienten in die Notfallaufnahme des AK St. Georg. �Nichts haben die Ärzte gemacht�, sagt der 45-Jährige. �Sie haben ihn nicht mal angefasst!� Obwohl die Wunde dem erfahrenen Pfleger zufolge schon den Knochen angegriffen zu haben schien, schickte man die beiden Männer von der Chirurgie in die Dermatologie. Mit demselben Ergebnis: Trotz Williams Angebot, der unter Überlastung klagenden Ärztin zu assistieren, habe sie die Wunde weder untersucht noch gereinigt, nur kurz darauf gedrückt und gesagt: �Das ist kein Fall fürs Krankenhaus.�<<

und zu dem anderen Fall:

>>�Mit den Füßen könnte man trampeln�, sagt dagegen Schwester Elsbeth über die aufnehmenden Ärzte im AK St. Georg. Die Ordensschwester, die über 45 Jahre Pflegeerfahrung verfügt, versuchte einen obdachlosen, psychisch kranken Mann im AK St. Georg unterzubringen. Schon zwei Jahre zuvor hatte ein niedergelassener Arzt festgestellt, dass dessen zum Teil abgestorbenes Bein nicht zu retten sein würde. Ende November vergangenen Jahres wurden die offenen Füße des Mannes schlimmer, das Bein schwarz.

Doch im AK St. Georg schickten die Ärzte ihn und seine Begleiterin fort. �Wir sind doch kein Pflegeheim�, hätten sie zu hören bekommen. �Sie haben ihm �ne Wanne zum Füße waschen hingestellt und ihm ein Paar neue Socken gegeben. Sie haben nichts verbunden, ihm noch nicht mal beim Reinigen der wunden Füße geholfen�, so Schwester Elsbeth � trotz ärztlicher Einweisung.<<

Artikel aus "Hinz und Kunzt":
https://www.hinzundkunzt.de/hk/strassenmagazin/ausgabe/titelthema/~article~153/

Internet-Tipp: https://www.hinzundkunzt.de/hk/strassenmagazin/ausgabe/titelthema/~article~153/


Nuxel antwortete am 04.02.03 (10:21):

@Barbara

danke für den Link

das ist ja unfassbar!