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THEMA:   Wahrheit

 11 Antwort(en).

Pheedor begann die Diskussion am 12.02.03 (16:06) mit folgendem Beitrag:

Bei all dem, das berichtet wird, stellt sich die Frage, ist es Wahrheit, oder Lüge? Bei der Beurteilung ist mir folgendes aufgefallen:

Wenn die Wahrheit in einer Übereinstimmung zwischen der Aussage und der Wirklichkeit besteht, kann Wahrheit nicht erkannt werden. Denn um die Wahrheit zu erkennen, müßte ich etwas Wahres über die Übereinstimmungsrelation zwischen der Aussage und der Wirklichkeit sagen können, was aber die Gewißheit der Wahrheit einer neuen Aussage verlangte, die als wahre Aussage selbst mit irgend etwas übereinstimmen muß, was wiederum die Wahrheit einer dritten Aussage voraussetzte usw. in einem unendlichen Regreß.


Karl antwortete am 12.02.03 (16:41):

Lieber Pheedor,

in der Wissenschaft gilt nur die "Falsifikation". Etwas kann eindeutig als falsch erkannt werden, wenn die Widerlegung einer Hypothese experimentell gelingt (ihre Voraussagen treffen nicht ein). Der Beweis der "Wahrheit" kann aber nicht geführt werden. unsere Modelle der Wirklichkeit sind mit dieser nicht identisch, sondern nur Abbildungen und werden revidiert, sobald sie die Welt nicht mehr beschreiben.

Du meinst aber wahrscheinlich nicht die Wissenschaft mit Deiner Frage, sondern die alltägliche Politik? Hier gibt es häufig sogar bei der Falsifikation von Meldungen handfeste Probleme, da "Geschichte" nicht wiederholbar ist und Aussagen häufig schwer überprüfbar sind.


Pheedor antwortete am 12.02.03 (16:59):

lieber Karl,

ganz richtig: ich setze es praktisch auf alle "Informationen" ein, die mich erreichen, und die ich verarbeiten muß, bzw. beurteilen will, oder muß, um zu einer Meinung zu gelangen.

Grüße, Pheedor


Simba antwortete am 12.02.03 (17:36):

Und jemand andere Informationen bekommt, dessen Wahrheit sieht dann wohl ganz anders aus...


Marianne antwortete am 12.02.03 (18:09):

Ich würde sagen, dass "Wahrheit" ( nicht im wissenschaftlichen Sinne) ein hypothetisches Konstrukt ist, das der, der diesen Begriff benutzt, mit "Stoff" füllt. Das heißt, Wahrheit ist vom Menschen, der diesen Begriff für den Aussagewert seiner Sätze benutzt ,abhängig.Die Wahrheit des vom jeweils Sagenden ist von vielen Faktoren abhängig: von dem, was wir Charakter nennen, vom Grad des Bildungsstandes, vom Ort des Erlebens usw.
Ich stelle mir das so vor: Viele Leute stehen um ein brennendes Haus herum. Das ist FAKT. Das sieht jeder. Aber das, was die Zuschauer dann weitererzählen - als wahres Erlebnis natürlich - wird dann völlig anders aussehen-. Der eine wird nur die schreienden Menschen bemerken- der andere genau das Löschen beschreiben usw. Das Erleben von Fakten ist immer unterschiedlich und dann kommt noch die Wertung dazu und da wird es ganz abenteuerlich. Der Eine mag sagen, da ss es gut sei, dass alles gerettet sei, der Andere Vermutungen anstellen, der Brand sei gelegt worden.
Beispiele sind natürlich wie immer irgendwie blöde, aber sie sollen nur ausdrücken, dass die Wahrheit nichts Einheitliches sein kann. Aber in der Nennung des Faktums werden alle Berichte gleich sein . Wir benennen aber fast nie, wir werten gleichzeitig und wählen Fakten aus und das macht die verschiedenen
Wahrheiten so angreifbar und bietet wunderbaren Stoff für "Forums" diskussionen. ;-))).


Marianne antwortete am 12.02.03 (18:51):

PS


kurz:Wat den een die Nachtijall - ist den annern die Lerche


DorisW antwortete am 12.02.03 (20:27):

Hallo Pheedor,

der Mathematiker und Philosoph Bertrand Russell hat sich zu diesem Thema auch so seine Gedanken gemacht und sie in dem spannenden Aufsatz "Über die Natur von Wahrheit und Falschheit" niedergelegt.

Es wäre zu viel verlangt, wenn ich die Essenz des Aufsatzes jetzt in zwei, drei Sätzen zusammenfassen sollte - nur den Schluss möchte ich der geneigten Leserschaft nicht vorenthalten, weil er mir so gut gefällt ;-)

"Einer der Gründe für den langsamen Fortschritt der Philosophie ist, daß ihre grundlegenden Fragen für die meisten nicht die interessantesten sind und deshalb eine Neigung besteht, weiterzueilen, bevor die Grundlagen sicher sind. Um diese Neigung unter Kontrolle zu bekommen, ist es notwendig, die grundlegenden Fragen zu isolieren und sie ohne zu viel Rücksicht auf die späteren Entwicklungen zu untersuchen; das habe ich für eine solche Frage auf den vorangegangenen Seiten versucht."

(Bertrand Russell, "Über die Natur von Wahrheit und Falschheit", 1910)


katharina antwortete am 12.02.03 (20:51):

wen es interessiert: ich stelle einen kleinen text zum thema "wahrheit" in literaturforum, titel: "Drei Kinder".

lg
katharina


henner antwortete am 12.02.03 (22:44):

Im Zweifelsfalle sag die Wahrheit

Ein Sprichwort von Mark Twain


Felix antwortete am 13.02.03 (00:07):

Erkenntnistheoretisch würde ich nicht von Wahrheit sprechen.
Wie Karl bereits ausgeführt hat, kennt die Naturwissenschaft keine Wahrheitsbeweise. Was experimentell unter kontrollierbaren Bedingungen nachgewiesen werden kann, ist allenfalls die Widerspruchsfreiheit zur angenommenen Hypothese. Genaugenommen gilt dies sogar nur im Ereignisraum ,der das zugrundegelegte System nicht transzendiert.
Statt Wahrheit könnte man also von einer system-immanenten Widerspruchsfreiheit sprechen ... mehr nicht.

Vereinfacht gesagt:

Es gibt keine Möglichkeit herauszufinden, ob etwas w a h r ist. Behaupten kann man lediglich, dass bis jetzt eine bestimmte Aussage noch nie wiederlegt werden konnte!


Pheedor antwortete am 13.02.03 (02:04):

@Felix

Übereinstimmung! Vielleicht noch mal folgendes:

Bei Wittgenstein und Russell erhält die Korrespondenztheorie eine strenge Fassung, indem die Übereinstimmung als eine Relation zwischen zwei Dingen verstanden wird: zwischen dem, was wahr ist (eine Aussage, ein Glaubenszustand, eine Behauptung usw.), und dem, was es wahr macht (ein Ereignis, eine Tatsache, ein Sachverhalt oder ein Faktum). Die Übereinstimmung soll darin bestehen, daß die beiden �Dinge� dieselbe Struktur haben, so daß von einer Aussage gesagt werden kann, sie sei Abbild der Struktur des wirklichen Faktums. Die so verstandene Korrespondenztheorie faßt Wahrheit als Übereinstimmung oder Abbildverhältnis von Aussage und Wirklichkeit.


schorsch antwortete am 13.02.03 (08:24):

Wahrheit heisst für mich: keine Lügen - aber die Wahrheit so, dass sie keinem schadet, sondern nützt!