Archivübersicht | Impressum

THEMA:   Sucht

 14 Antwort(en).

Süchtiger begann die Diskussion am 23.05.03 (13:36) mit folgendem Beitrag:

Teil I
Froh bin ich, keine allzu große Wohnung zu haben. Denn ich laufe hin und her -, hin und her, her und hin. Gedanken fallen aus meinem Kopf und zerstreuen sich in dem Wind, der auch die Busch-Trommeln in meinem Balkon bewegt: blöbb � blubb � ööö � blabb. Nach einiger Zeit machen mich die fernen Melodien nervös; ich schließe die Tür nach draußen und verzichte auf die Frische, die meinem Kopf ja doch nicht hilft. Ich ringe meine Hände - ; ich muß sie festhalten, um sie nicht ringen zu müssen. Wieder einmal beneide ich mich um meine Einsamkeit, die Beobachter nicht zuläßt. Die langen Haare und mein Pullover knistern, wenn sie sich begegnen. Ach ja, mit Baumwolle wäre das nicht so. Dann stehen die Haarsträhnen auf und erzeugen meinen Heiligenschein. Die Fingernägel sind lang genug, um dem Ekzem zu erwidern, daß sein Juckreiz nicht zu ertragen ist. Im Sitzen zappeln meine Beine unter dem kleinen Computer-Tisch und mein Haustier verkriecht sich hinter einer Gardine, weil es die Unruhe spürt


.. antwortete am 23.05.03 (13:42):

Teil II
Es sind Entzugserscheinungen -, mir fehlt der Stoff. Ich warte auf einen, der sich damit auskennt. Indessen schwimmt ein schwarzer Punkt vor meinem linken Auge, und ich reibe und drücke und knete das geschlossene Lid und den Augapfel, bis die Umgebung des Auges eine Rötung der Haut aufweist. Aber der Punkt bleibt. Nebenbei: ich hab ja auch keinen Laserstrahl, sonst könnte ich den Punkt erschießen. Schwimmt der nun in einer der Augenkammern? Oder ist das erneut. Ja, ähäm, dann kommt morgen einer. Zehn, elf. Jetzt ist es zehn Uhr fünfundvierzig. Der schwarze Punkt ist weg. Bis zum nächsten Mal. Ich weiß, daß er wiederkommt.Ich nehme mir den Zettel mit den Tipps gegen Entzug. Doch ich stehe schon zu lange mittendrin. Eine Woche vielleicht. Jetzt geht es nicht mehr. Ich schaffe es nicht allein. Es muß einfach einer kommen!


... antwortete am 23.05.03 (13:46):

Teil III
Es ist jetzt zehn Uhr fünfzig. Um sechzehn Uhr muß ich mit meinem Tier zu Impfen. In meiner Unruhe werde ich es nicht fangen können, werde lediglich tiefe, blutende Wunden in der Haut meiner Hände spüren. Es ist jetzt elf Uhr. Zehn, elf. Warum sagen sie das? Weil sie mit unserer Abhängigkeit spielen. Nicht wir, nur unser Geld ist ihnen wichtig. Und da kann man die �Kunden� auch ruhig warten lassen; das Geld bekommt man am Ende doch. Elf Uhr zehn. Unten klappt eine Autotür. Ist vielleicht doch meine Klingel kaputt? Ich kann die Haustür von oben nicht sehen. Aber ich kann auch nicht hinunter laufen, um nicht das Telefon zu überhören. Vielleicht sagen sie heute, gestern wolltest du nicht, heute können wir nicht. Ich stehe wieder auf und gehe hin und her, her und hin. Ich habe nicht einmal Schlaftabletten zu Hause. Meine Handflächen sind feucht. Abwischen reizt die Schweiß-Drüsen nur noch mehr. Falls doch noch einer kommt, kann ich ihm nicht die Hand geben. Ich muß das Händeschütteln irgendwie umgehen. Vielleicht zurücktreten und mit der Hand zum Arbeitszimmer weisen? Oder mich umdrehen und schnell voran gehen? Oder einen Verband an die Hand? Aber dann könnte er ja die linke verlangen. - Es klappt wieder eine Autotür -, ach, jetzt fährt jemand weg. Es ist elf Uhr fünfzehn. Ich kann nicht mehr sitzen. Ich habe die Toilette besucht, aber es kam nichts. Alle Muskeln verkrampft verschlossen. Zehn, elf. Vielleicht haben die ihre Uhren noch nicht auf Sommerzeit gestellt? Oder habe vielleicht gar ich ...? Ob Fehler sechshundertdreißig oder sechsundvierzig --, das ist doch gleichgültig, wenn man die Fehler jedes Jahr wieder macht. Der Punkt ist wieder da. Nur weil ich mich nach vorn gebeugt habe. � Manchmal gehen die auch zu Fuß. Da würde ich natürlich keine Autotür hören. Also schließe ich die tiefen Töne der Buschtrommeln wieder aus. Tür zu. Meine Hände zittern. Auch von der Kälte.
Ich muß dem Tierarzt absagen. Wie heißt der noch? Jedes Jahr wieder habe ich seinen Namen vergessen. Ach ja. Im Impfpaß: �Brand� heißt er. Das ist wirklich schlecht zu merken. Könnten die nicht anrufen und sagen, was los ist? Hin und her, her und hin. Vielleicht sage ich wieder ab und hole mir Schlaftabletten. Vier, fünf würden vielleicht erst einmal helfen. Schlafen kann ich damit allerdings nicht. Zehn, elf. Es ist jetzt zwölf. Hin und her. Meine Füße bleiben dennoch kalt.


Um zwölf Uhr eins kamen sie. Sie brachten den richtigen Stoff mit. Dann ging alles ganz schnell.Und nun kann ich meiner Sucht, im Internet zu surfen, wieder nachgehen: der Rechner hat den Stoff akzeptiert.</b>


Karl antwortete am 23.05.03 (16:24):

Eindruckvoll ist deine Schilderung des Entzugs. Ich weiß aber nicht, ob diese körperlichen Entzugserscheinungen wirklich auch bei "Internetsucht" auftreten. Als unser Anschluss längere Zeit ausfiel, war ich ärgerlich und ich ertappte mich immer wieder dabei, den Computer trotzdem einzuschalten, aber körperliche Beschwerden in der geschilderten Art, nein.

Es macht schon einen Unterschied, ob ich einen "Stoff" schlucke und meine Chemie dadurch verändere oder ob ich eine besondere Art der Tätigkeit liebe und von dieser einige Zeit ausgeschlossen bin.

Falls es andere Erfahrungen geben sollte, bin ich gespannt.

Mit freundlichen Grüßen

Karl


Lisa1 antwortete am 23.05.03 (16:47):

Hallo,

ich wollte Dir schon Hilfe schicken,dann kam das große Aufatmen :-)))


Medea. antwortete am 23.05.03 (19:29):

Das ist ja wie in einem Krimi - leider habe ich ihn nicht verstanden :-(
W o n a c h ist Süchtiger denn süchtig?
Nach "echtem" Stoff oder hatte der Rechner lediglich seinen Geist aufgegeben und mußte wiederbelebt werden??
Ist mir alles sehr rätselhaft.


hugo antwortete am 23.05.03 (20:31):

@ medea,,die Lösung liegt im vorletzten Satz:"Und nun kann ich meiner Sucht, im Internet zu surfen, wieder nachgehen."
,,


WANDA antwortete am 23.05.03 (20:55):

@süchtiger, hast du nicht nur Deine Sucht verlagert auf etwas, was noch toleriert wird ?


.... antwortete am 25.05.03 (08:16):

Es sollte doch nur eine ironisch-übertriebene Zustandsschilderung im Rahmen einer "Kurzgeschichte" sein.

Wohin hätte ich diesen Text setzen sollen?
"Literatur" ist es nicht.
Mit "Gesundheit" im eigentlichen Sinne hat es nichts zu tun.
Zu "Computer"? Es ist ja kein technisches Problem.
Unter "Soziales"? Ist ein Süchtiger unbedingt asozial?

usw.
Wäre es Euch möglich, jetzt endlich über die Geschichte zu lachen?

Wunsch eines erfolglosen Autors


Gudrun antwortete am 25.05.03 (08:27):

Du Armer;-))))))

erst diese grässliche Sucht und dann auch noch das grosse Missverstehen?
Ich denke mal,so dumm sind wir gar nicht,dass wir den Sinn und Zustand deiner schweren Sucht nicht erkennen konnten......
Wenns mal bei uns mal nur flimmert,erwischt uns der gleiche Bazillus-meistens-nur,wie bei jeder Erkrankung:den einen packts schlimmer als den andern,-))

also denn,schreib mal wieder!


Medea. antwortete am 25.05.03 (09:04):

An Süchtiger

... erst einmal bin ich erleichtert, daß es "nur" eine Geschichte war ;-) - und dann kann ich jetzt auch darüber lachen. Sie war ja sehr naturalistisch geschildert. Ich persönlich hatte mit Süchten noch nichts zu tun und es ist dann etwas schwierig, sich hineinzuversetzen. Aber Du hast ja wohl Talent zum Schreiben, also weitermachen :-)


WANDA antwortete am 25.05.03 (09:21):

@verwandte Seele !!!
Woran zweifelst Du, natürlich ist das Literatur. Im Moment läuft noch ein Wettbewerb - Thema "Dazwischen" dürfen nur 1000 Worte sein.
Schieb einen Paravent zwischen Deine Sucht und den PC und leg los!!! :-)))


..... antwortete am 25.05.03 (09:59):

... und wohin soll ich loslegen?
Wo ist denn der zitierte Wettbewerb?

Ansonsten danke ich nun allen, die mir bei der "Sucht" beistehen.


PS: Entschulkdige, Karl, mit den Punkten hört's auch wieder auf. Du weißt ja, wer ich bin. Also schick' mir 'n Mahn-Mehl.


Gudrun antwortete am 25.05.03 (15:21):

ne,lieber nicht,"Mehl" staubt so;-))

und wenn Du schreiben konntest,ischa man alles kloar,nech?


WANDA antwortete am 25.05.03 (16:31):

nur ganz schnell "Literareon im Herbert Utz-Verlag"
GmbH.Zieblandstr. 7, 80799 München, www.uschtrin.de/preise,html - alles, was dort orange untermalt ist, läuft noch. Viel Spass und Erfolg!!!