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THEMA:   Erinnerungen

 11 Antwort(en).

Gudrun_D begann die Diskussion am 21.09.03 (09:41) mit folgendem Beitrag:

Besuch alter Chormitglieder,fröhliches Beisammensein im Garten,leckere Futtereien,z.B. Zwiebelkuchen und neuer Wein,vorher eine Tomatensuppe nur mit Tomaten aus dem eigenen Garten,Zwiebeln,Sahne und Petersilie so schön sämig ohne Mehl!
Selbstgebackener Apfelkuchen,natürlich mit Sahne;-)!
und Erinnerungen an gemeinsames Singen unter junger Chorleiterein,die uns Senioren zu Höchstleistung und Auszeichnung bei einem Wettbewerb im Schwäbischen Sängerbund brachte!
Natürlich haben wir gestern auch gesungen!
Habt Ihrs wirklich nicht gehört? ;-)

1. Nach Süden nun sich lenken
die Vöglein allzumal,
viel Wandrer lustig schwenken
die Hüt im Morgenstrahl.
Das sind die Herren Studenten,
zum Tor hinaus es geht,
auf ihren Instrumenten
sie blasen zum Valet:
Ade in die Läng und Breite,
o Prag, wir ziehen in die Weite:
et habeat bonam pacem,
qui sedet post fornacem!
2. Nachts wir durchs Städtlein schweifen,
die Fenster schimmern weit,
am Fenster drehn und schleifen
viel schön geputzte Leut.
Wir blasen vor den Türen
und haben Durst genug,
das kommt vom Musizieren,
Herr Wirt einen frischen Trunk!
Und siehe, über ein Kleines
mit einer Kanne Weines
venit ex sua domo
beatus ille homo.
3. Nun weht schon durch die Wälder
der kalte Boreas,
wir streichen durch die Felder,
vom Schnee und Regen naß.
Der Mantel fliegt im Winde,
zerrissen sind die Schuh
da blasen wir geschwinde
und singen noch dazu:
Beatus ille homo,
qui sedet in sua domo,
et sedet post fornacem
et habet bonam pacem.
Joseph von Eichendorff, vor 1826


Medea. antwortete am 21.09.03 (10:50):

Erinnerungen ist ein schönes Thema:

Dazu fällt mir ein - Klassenfahrt von einer Woche - wir sind mit den Rädern unterwegs und in der Jugendherberge Detmold angekommen. Eine Jungenklasse aus Hamm ist schon vor uns eingetroffen. Abends gemeinsames Lagerfeuer und die schönen alten Lieder gesungen .... und bei "Jenseits des Tales" vermisse ich plötzlich meine beste Freundin Renate - wo ist die denn geblieben??? Und dann ist sie wieder da mit rotem Gesicht oder sieht das nur durch den Feuerschein so aus ??? Natürlich will ich wissen, wo sie gewesen ist, aber sie sagt bloß "morgen" ....
Aber spät abends im Schlafraum erzählt sie mir dann doch
noch, daß sie "geküßt" worden ist von einem süßen Hammer Jungen und ganz weg sei.
Himmel, war ich neidisch!!! :-))
Meinen ersten Kuß bekam ich erst ein Jahr später ...


schorsch antwortete am 22.09.03 (09:38):

Ich hatte eine immer-lustige, bildschöne (so schien mir das wenigstens damals!) Klassenkameradin, die erst noch das Töchterchen eines Nachbarn war, mir also zu jeder Tageszeit vor die Augen kam. Ich war soooo verliebt in sie, dass ich Tage lang Bauchweh hatte beim Gedanken an sie. Aber ich getraute mir nicht, ihr auch nur ein paar Sekunden lang in ihre strahlenden Augen zu blicken, geschweige denn, sie auf meine Gefühle anzusprechen. Dass sie für mich nichts anderes empfand, als dass sie mich als Spielkameraden betrachtete, war mir klar. Schulkameraden oder andere Gleichaltrige waren für sie Kinder.
Sie heiratete sehr jung einen Erfolg versprechenden jungen Mann. Es ging nicht gut. Eines Tages drehte sie den Gashahnen auf.......
Ich fragte mich seither oft: Was wäre gewesen wenn......?


chris antwortete am 22.09.03 (11:26):

Hallo!

Erinnerungen an etwas schönes, sind etwas besonders wertvolles,
wir sollten die Erinnerungen an schöne Dinge nicht verlieren.

Wir hatten vor kurzem Klassentreffen und es war schön, aus
alten Geschichten zu hören, dass der eine und andere dies oder
jenes doch nicht vergessen hat.

Mir haben meine lieben Erinnerungen besonders in schweren
Zeiten sehr viel geholfen.


Chris


dingo antwortete am 23.09.03 (04:01):

Erinnerungen
Gerade als es dunkel wird sind wir in den kleinen Lastwagen geklettert, ausgerüstet mit Scheinwerfer und Gewehre um wilde Katzen und Karnickel das leben schwer zu machen. Oft gab es Kaninchen zum Frühstück.
Im Winter, Fussball spielen, mit einem ovalen Ball und 18 Mann in einer Manschaft,
Dienstag und Donnerstag Fussball training, danach muss man den Wasserverlust im Hotel mit Bier ersetzen.
Sommer, Tennisspielen, hamse mich in der ersten Runde in den Westaustralischen Meisterschaften (53) rausgeworfen.
Auch in 53 bei 80 km vom Motorad gefallen.
Glücklicherweise habe ich ein schweren Unfall gehabt, in 54, da musste ich alles langsamer machen für die nächsten 2 Jahre. Dann hat mich ein Mädchen entdeckt und hat ein Ende zu mein sorgloses Leben gemacht.

Und das waren nur die ersten 5 Jahre.


tiramisusi antwortete am 23.09.03 (21:27):

Meine Nachbarn guckten mich ziemlich komisch an, als ich das Ungetüm aus meinem Auto holte und auseinanderfaltete. Sie schüttelten den Kopf unverständlich und murmelten so etwas wie "das ist doch albern, ihr seid doch keine Kinder mehr!" Aber ich hielt ihn mit einer Hand hoch in die Luft, ging zum Fenster unseres Esszimmers und klopfte. Gleich sprang drinnen ein grosser, stattlicher Mann auf, riss die Gardine etwas unbeholfen weg, starrte erst ins Leere und dann merkte ich, wie sein Blick sich sammelte und seine Augen zu strahlen anfingen: Der riesengrosse chinesische Drache in Kobaldblau, Apfelgrün und Himbeerrot hatte seine Aufmerksamkeit! "Komm raus, wir lassen Drachen steigen! Komm, nimm Deine Jacke, wir gehen mit dem Wind spielen!" Kaum war er vor der Tür, verschwanden die Nachbarn und ich sah, wie sie hinter den Gardinen hinter uns hergafften. Er sah es auch und ich konnte fühlen, wie ihn das einmal mehr verletzte. Zaghaft wollte er wieder ins Haus aber dann zog ich ihn, so wie man seinen Spielkameraden hinter sich herzieht und dann war das schöne bunte Spielzeug stärker. "Ohmannomannomann" lachte er immer wieder. "omannomannomannomann!" - wir waren auf der grossen Wiese angekommen, er stand da wie ein lachender Klotz, hielt den Drachen und ich lief los - wohl an die 20 mal, immer wieder lies er ihn zu früh los und scheuchte mich immer wieder, halb lachend wie ein Kind; halb souverän, als wenn er Regieanweisungen gibt, so wie damals. "Nun lauf doch!!Schnellerschnellerschneller!!!" Und endlich hob es den Drachen in die Lüfte -Ssssssssssssssssss......schnell waren fast 100m abgewickelt und das grosse Ungetüm tanze wie ein leibhaftiger lustiger Drachen im Wind. Da standen wir und schauten nach oben - wie auf einem alten chinesischen Bild: der alte Mann mit der Drachenschnur in der Hand und die junge Frau lachend und kichernd daneben. So standen wir da im Wind und es hätte Ewigkeiten dauern können. Überwältigt sagte der Mann "Hallo Leben, da bin ich, wart auf mich, ich komm gleich!" und er lachte und lachte und die Tränen, die ihm über die Wangen liefen, waren Freude und Trauer zugleich. Plötzlich riss er den Drachen herunter. "Das war genug Leben für heute, mir wird sonst schwindelig, ich muss was essen, was hast Du zu essen?" - liess den Drachen fallen und lief voraus nach Hause. Von Hinten sah ich ihm nach: Wer es nicht wusste, der merkte es kaum aber seine Schritte waren unsicher und fahrig. Der schwere Unfall fast 2Jahre zuvor hatte ihm die linke Stirnhäfte zertrümmert, schwerstes frontobasales Hirnttrauma, Appalisches Durchgangssyndrom, Korsakowsche Krankheit - ein Mann, der seine Gedanken verloren hatte und den nur noch die äussere Hülle zusammenhielt. "Ich bin nicht tapfer, ich bin nur diszipliniert, war ich immer doch!" sagte er am Abend einer schweren Operation zu mir. Die Bronchen bzw die Luftröhre musste verkürzt werden. Nur wenige Wochen später starb er.

Beim Auspacken meiner letzten Umzugskartons fiel mir neulich der zusammengerollte Drachen in die Hand. Ein paar Wochen noch, dann werde ich hinausgehen auf ein anderes Feld und ihn steigen lassen. Aber der Wind wird der selbe sein.


Gudrun_D antwortete am 23.09.03 (22:07):

..der Wind wird derselbe sein-und die Erinnerung bleiben-
Freude-Lebensfreude -
gegeben zu haben.


Rosmarie antwortete am 23.09.03 (22:53):

Sehr anrührend! Danke, Angelika!

Aber auch Dank an die anderen Erzähler! Ein Genuss, dieses Thema!


schorsch antwortete am 24.09.03 (09:14):

...und ich werde ihn hoch halten. DU aber wirst laufen......


chris antwortete am 24.09.03 (12:10):

Diese Erinnerung ist doch wie unser Leben, halten wir die
lieben Erinnerungen hoch, wie einen Drachen und lassen sie fliegen, sie werden uns dann in besdonders schweren Zeiten wie
ein wunderbarer Traum vorkommen.




Chris


rachel antwortete am 25.09.03 (08:59):

Erinnerungen sind ein Segen...Manchmal schlummern sie tief in uns, brechen nicht auf, dann wieder gibt es Tage, da holen sie uns ein, haken sich im Gehirn fest und lassen uns lächeln und manchmal weinen...
Wir standen beide auf dem Marktplatz unserer Stadt. Beide haben wir uns vom 16. bis zum 21. Lebensjahr sehr geliebt, waren verlobt - und sind dann doch getrennte Wege gegangen.
Nie konnten wir uns aus den Augen verlieren, wir wohnten mit unseren Familien nur wenige Kilometer voneinander entfernt. Eines Tages, wir trafen uns auf dem Marktplatz unserer Stadt, sagte er zu mir: Denkst du noch manchmal daran, als wir zwei so richtig glücklich waren, unser Leben planten, sogar das Leben danach? Ja, sagte ich, manchmal kommen die Gedanken....Er sprach lachend weiter: Ja, wir gaben uns sogar das Versprechen, sollte einer von uns zuerst von dieser Welt gehen, dann legt der andere stets am Sterbetag eine Rose der Erinnerung aufs Grab...
Ich stubste ihn in die Seite, lachte, und meinte: also, an was du dich aber auch erinnerst.....
Wenige Monate danach starb er mit 49 Jahren...Ich lege sie hin, die Rose der Erinnerung, jedes Jahr neu auf sein Grab..


Gudrun_D antwortete am 27.09.03 (07:22):

Es war 1943
mein Vater sollte einige Tage Heimaturlaub von der
Front bekommen.Da die Ankunftszeit in der Nacht irgendwann sein sollte,-es war Sommer- band Mutter sich ein langes Seil um den Fuss,band etwas Schweres daran und liess es aus dem Fenster baumeln. Er sollte ziehen,um sich bemerkbar zu machen,damit nicht alle aufwachten,wenn Vater läuten würde.
So leise unsere Eltern auch waren-wir hörten doch,dass Vater gekommen war und glücklich hielten wir uns alle umschlungen.
Wir waren so eine grosse,glückliche Familie-
Angst und Sorge,als wenige Monate später lange Wochen keine Post von ihm kam.
Eines morgens kam Mutter aus ihrem Schlafzimmer,sah zum -Erbarmen aus und sagte zu mir: ich weiss,dass Vater heute Nacht gefallen ist-
es war die Nacht vom 12.zum 13. April 1944
es war für mich unbegreiflich,dass sie das aussprechen konnte-und ich sagte ihr,sie solle sich nicht versündigen .....
Es vergingen lange Wochen,Mutter stand oft lange am Fenster und schaute in die Ferne.Sie wirkte traurig.
Bis an mein Lebensenden werde ich den Augenblick nicht vergessen,als ihr die Mitteilung gebracht wurde,dass mein Vater tatsächlich in jener Nacht vom 12.zum 13.April 1944
auf der Krim in der Nähe von Sewastopol vor einem Munitionszug herreitend beschossen wurde-----
3 Tage hat meine Mutter wie erstarrt gesessen-es war so unheimlich-ich versorgte meine Geschwister,Mutter hörte mich gar nicht,wenn ich sie bat,doch etwas zu trinken oder essen-
Nach diesen Tagen hat sie ihre Aufgaben wieder übernommen-geweint hat sie nur,wenn sie alleine war-ich sah es an ihren Augen.