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THEMA:   Ödipusmacke abballern

 6 Antwort(en).

emilwachkopp begann die Diskussion am 20.03.04 (23:57) mit folgendem Beitrag:

Ich wunder mir manchmal über, wie der Mensch sich verändern kann.
Ich mein das so: Früher hab ich nie über was nachgedacht. Die Dinge um mir herum waren mir ehrer selbstverständlich und ich hab sie hingenommen, als müsste alles so sein wie es ist. Ich sag nich, dass ich die Welt gut fand. Ich fand sie weder gut noch schlecht. Ich fand sie bloß vor.
Ich weiß nich, ob man das � wenn das alles besser durchdacht gewesen wär � hätte Fatalismus nennen können. Ich glaub das aber nich. Ich hab nümlich fest an die Verbesserungsfähigkeit der Welt geglaubt und daran, dass sie auf den Wege war sich zu bessern. Ich war also ehrer Naivist.
Aber darum hab ich gelebt. Mitten drin in alles.

Denn hab ich das Grübeln gelernt. Das heißt, �gelernt� ist eigenlich das falsche Wort. Der Kopf hat ganz von allein damit angefangen. Angefühlt hat sich das, als wie wenn ein Wall durchbrochen worden is. Ins Innere, mein ich. Und plötzlich is mein ganzes Leben in den Kopf gerutscht. Aber die Welt war danach nich mehr so schön wie vorher. Nich mal das Saufen konnte mir das verlorene Lebensgefühl wiederbringen.
Eigenlich war danach nie mehr irgendwas genau wie vorher. Ich kann heut nich mehr sagen, wann das gewesen is. Aber ich hab an dem Tage zum ersten Mal in mein Leben bemerkt, dass der Schnee kalt und das Dunkel unheimlich is. Von da an konnte es nie wieder ganz vertrieben werden.

Ich weiß noch, dass ich einmal, aber da war ich noch jung, da bin ich gegen einen Telegraphenmast gerannt, bloß weil ich so tief über nachgegrübelt hab, wo ich mir für meine paar Kröten die größte Mahlzeit beschaffen konnte.
Als ich wieder zu mir kam, stand vor mir eine hübsche Frau:
�Na, alles noch heil?�
�Twiet twiet querilie�, hab ich geantwortet.
Ja, mit die Methode konnst früher schon bei die Fraun nix mit werden. Aber das muss ein Reflecks gewesen sein, dass ich so geantwortet hab. Mir war nümlich so, als wie wenn die ganze Luft voll Frühling und Vogelgezwitscher war. Eine krumme Absicht hatte ich jedenfalls nich. Außer das war unterbewusst. Weil ich doch von meine paar Kröten nich auch noch eine Frau groß einladen konnte. Sich von eine Frau einladen lassen, das durfte man damals noch nich, weil man sonst aus den Kegelverein rausgeworfen worden wär. Als entehrt. Aus den Schützenverein auch. Aber da war ich nie Mitglied drin. Vater wollte mir da eigenlich gern als Mitglied reinstecken, weil ich doch schon in das Alter war, wo man ein büschen sozialisiert werden kann. Aber Mutter hat auf den Putz gehaun: �Das Saufen braucht meinen Emil fürwahr keiner zu lehren, o� Mann.� Vater dachte in diese Frage ausnahmsweise mal logischer als wie Mutter: �Keiner kann ihn lehren, was er bereits zur Perfektion entwickelt, o� Weib.� Nur der O� Sohn wurde nich befragt.


emilwachkopp antwortete am 21.03.04 (00:00):

Ich war deshalb mal bei ein Schützenfest mit bei. Ehrer aus Neugier. Aber noch mehr zu meine Entwicklung. Mudder hätt mir an�n liebsten noch als Vierzigjährigen in�n Kindergarten gehabt und Vater hätt mir gern als Dreijährigen schon zum Nobelpreisträger gemacht. Ein Schützenfest, musst ich ja darum denken, is bestimmt die richtige triebökonomische Mischung, wo fallische und aggressive Triebelemente (Flintenlauf und Geballer) wie Realitätsbezogenheit (die Schützenfestregeln) ungefähr in gleichen Mengen zu ihr Recht kommen und sozialisierend auf mir einwirken würden, ohne dass dabei das ganze Lustprinzip hops geht. Was das alles bedeutet, weiss ich nich. Die Ausdrücke sind aus ein pornographisches Buch, �Psüchodünamische Betriebsökonomie�, das ich gegen zwei Schachteln Zigaretten eingetauscht hatte. Heimlich natürlich. Ohne Filter.

Zuerst hab ich noch kontrolliert geschossen, bloß eben immer vorbei. Nachher, als ich ordentlich ein in die Kiste hatte, da hab ich bloß noch auf blauen Dunst hin abgeballert und ehr ich mir verseh bin ich Schützenkönig. Die haben mir denn � zur Musik aus den �Freischütz� - einmal auf ein Sessel (der wull mein Thron vorstelln sollte) in Saal rumgetragen und danach durft ich wieder alleine laufen.
Aber was die mir da für eine Schützenkönigin angedreht haben, da hätt ich Klage gegen erheben könn. Vor Gericht. Außer das war als Jux gedacht, denn wär die Klage wull abgelehnt worden, weil der Jux sehr gelungen war. Jedenfalls musste ich zuerst denken, die wär vielleicht bei meine Schiesspulverorgie erlegt worden. Ein Unfall. Aber so war das nich. Die hatte sich bloß bein Saufen übernommen.
Ganz schlimm war das auf solche Feste. Deshalb braucht sich keiner über wundern, dass ich für so was immer schwer zu haben bin. Aver ik segg mi ümmer: Jeedeen möökt dat graad as he dat will, un ik mecker nich.
Das war bloß, weil ich doch alles berappen musste. Die ganze Zeche. Für alle. Ich musste wegen diesen Patzer den elterlichen Hof versetzen. Die wollten mir sogar noch hinter Gitter bringen, weil der Hof mir doch gar nich gehörte und ich ihn darum eigenlich nich versetzen konnte. Das war eine richtige Zwickmühle. Jedenfalls hab ich vor Gericht die Ausstellung eines nachträglichen Jagdscheins beantragt. Nich um meine Handlung, sondern um meine Existenz zu rechtfertigen. Ja, das is immer viel Krampf mit solche Schützenfeste. Ich rat Euch von so was immer ehrer ab.
Mutter hat mir freigekauft und Vater hat mir verprügelt. Ich glaub, an den Tag hab ich mir mein Ödipuskomplex aufgesackt. Weil doch die Wahl zwischen Anarchie und Zwickmühle nur in die Neurose enden kann. Glaub ich. Aber das is die Geschichte, die ich eigenlich hätte erzählen wollen.


schorsch antwortete am 21.03.04 (08:51):

Wer auf dem Grübeln zu viel hält,
meistens doch sich selber quält!

Drum lieber Emil rat ich dir:
Nimm statt des Grübelns ein Glas Bier!

Schorsch


wanda antwortete am 21.03.04 (09:11):

ich denke darüber nach, wie ich mir die triebökonomische Mischung auf den Sonntag verteile - keine Sorge, das schaff ich - :-)))))


Gudrun_D antwortete am 21.03.04 (10:10):

Ja,Emil Wachkopp
das tut mir ja nu bannig leid für dich,datte so unter deinem Ödipussi leiden musstest;-))
aber,was man nich kennenlernt,kennt man auch nich,oder?

Haste uns abba schön vaklickert-
danke fürs Schmunzeln!


emilwachkopp antwortete am 23.03.04 (00:12):

Hallo Gudrun,

heut ist das schon viel besser. Ich hab doch ein Alter erreicht, wo ich älter bin als wie mein Vater, als der gestorben is. Der könnt heut mein Sohn sein und ich könnt ihn leicht verkloppen.
Dass der Gedanke mir manchmal zusagt, lässt mir büschen an zweifeln, ob ich wirklich ganz und gar genesen bin.


Gudrun_D antwortete am 23.03.04 (07:58):

Tja,emilwachkopp,

dascha ma nu sehr schwer,nen guten Rat zu geben....ich sing dir mal:
heile,heile Gänschen,-vielleicht wirds dann noch gut;-)