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THEMA:   österreichische Maßeinheiten

 13 Antwort(en).

cilia begann die Diskussion am 10.05.04 (19:07) :

Ich habe gerade etwas Nettes gemailt bekommen. Was mich dazu interessiert � könnt ihr mit diesen Ausdrücken etwas anfangen? Die Bayern unter euch sicher, nehme ich doch einmal an � aber etwas nördlicher da bin ich mir nicht sicher. Auf jeden Fall habe ich herzlich darüber gelacht und mich dabei erwischt, dass ich vor allem Fuzerl, Wengerl und Euzerl selbst gerne verwende.

ÖSTERREICHISCHE MASSEINHEITEN
Ich wage zu behaupten, dass es keine Sprache gibt, die so unverbindliche Maßeinheiten hervorgebracht hat, wie die Österreichische.

An der Aufforderung: Noch ein Wengerl, ein Wengerl sitzen, ein Wengerl da zu bleiben, noch ein Wengerl lustig zu sein, daran finden wir gar nichts bemerkenswertes mehr, noch dazu wo sich dieses Wengerl auch ausreichend von "ein Wenig" herrührend erklären lässt.

Dass ein Weg breit ist, wenn er lang ist, wundert auch keinen mehr: "Heast, wo woast denn? - Na des woar a brader Weg!"

Dass man endlos wartet und ewig nicht dran kommt, auch daran hat man sich gewöhnt. Ja selbst, dass jemand bei einem auf einen Hupfer vorbeischaut, wird in den seltensten Fällen missverstanden und stört selbst nach zwei Stunden noch niemanden.

Schwieriger wird es dann, wenn jemand um ein Euzerl daneben liegt. Kann man zum Beispiel auch um zwei Euzerl daneben liegen? Waren in grauer Vorzeit einmal 10 Euzerl 1 Euz? Und wenn etwas um 100 Euz nicht stimmt, kann man dann schon sagen: "Na den Unterschied möchte ich Klavier spielen können"?

Wann hat man etwas um ein Haus verfehlt oder gar um ein Eckhaus?

Um welche Menge handelt es sich wirklich wenn jemand sagt:
"Ich bin den ganzen Nachmittag eine Stunde herumgerannt. I war in 97 Gschäftln, hab 17 Sakkos in 100 verschiedenen Größen probiert. Kein einziges hot ma passt, bis auf zwa, san gar net so schlecht. I hab a Lawine zahlt, und bin fix und fertig, weil überall a ganzer Oasch voll Leut woar!" Wie viele Leute gehen da hinein? Ja, wenn besagter Körperteil einer einflussreichen Persönlichkeit gehört, wie viele san scho drin?

Wann wird aus einem Tröpferl ein Tropfen? Wann daraus ein Schluckerl? Wann kann man von einem Glaserl sprechen?

Bitte, dass ein Flascherl Wein in Österreich meistens ein Doppelliter ist, darf allerdings als bekannt vorausgesetzt werden.

Jedoch, wie groß ist ein Futzerl? Wann mutiert es zum Eckerl? Wann zum Stückerl? Welche Ausdehnung muss ein Körper haben, das wir ihn in der Folge als Trumm, oder gar als Mordstrumm bezeichnen können?

Wie viel ist ein bissi?
Bissi ist besonders heikel, weil man bissi so ambivalent verwenden kann. Zum Beispiel: "Na is a bissi vü!" oder aber auch: "Na is a bissi wenig!" "Bist ein bissi deppert." Trägt noch ein harmloses, fast liebenswertes Irresein in sich.
Während: "Du bist mir scheint a bissi deppert!" bereits auf ernsthaft gestörte Geisteszustände hinweisen möchte.

Die Bereitschaft zur physischen Attacke drückt diese dann nur noch mehr durch die rhetorisch gestellte Frage aus, wenn sie unter Weglassung sämtlicher Zischlaute gestellt wird, denn: "Heat bid a bidl debad!" "A bidl" das kann man gar nicht anders als drohend sagen.

Alle diese Beiläufigkeiten sind in ihrer Ungenauigkeit keine fixen Größen, aber als Österreicher lebt man mit ihnen. Wahrscheinlich könnten Etymologen unter zu Hilfenahme diverser Lautverschiebungen ihre Herkunft einigermaßen klären. Anthropologen werden unter Hervorkramen alter Sitten und Gebräuche weiter Klarheit schaffen können, egal ob es sich um ein Trumm, ein Eckhaus oder ein Futzerl handelt.

Aber NIEMAND, NIEMAND kann erklären von wo es kommt oder gar von welchem Brauch es sich ableitet, dass wenn jemand gefragt wird, ob er beispielsweise seinen Zug erwischt hätte, dieser kann antworten kann: "Oba ums Oaschleckn net!"


Sonnenblume antwortete am 10.05.04 (22:26):

Ich denke jedes Land hat seine Maßeinheiten.
Die von Dir genannten, liebe Cilia, sind bunt gemischt aus ganz Österreich. Der echte Wiener-Dialekt
stirbt ja leider aus.Heute sagen sich die Jugendlichen, die ordinärsten Schimpfwörter, bzw.Gemeinheiten
auf Hochdeutsch.Euzerl und Fuzzerl sind meist nur noch der älteren Generation geläufig. Vieles kommt aus dem Judentum.
Wenn Du aus Wien bist und genaueres über die Volkssprache erfahren möchtest, besuche bitte das Wiener Volksliedwerk hinter der Oper. Das Archiv ist so umfangreich, dass es inzwischen an die National-Bibliothek angeschlossen wurde.Hier wirst Du fündig.
Herzliche Grüße, Sonnenblume


juergen1 antwortete am 10.05.04 (23:15):

Und der Wetterbericht in Holland, wo es eigendlich oft regnet, spricht oft von:

"Regen of mottregen" - also Regen ODER Nieselregen.

Das ärgert mich schon, wenn man die ganze Bandbreite von Niederschlägen
serviert bekommt und sich selbst was aussuchen darf :-)


schorsch antwortete am 11.05.04 (09:02):

So hat mans leichter, fremde Fötzel von Einheimischen zu unterscheiden - vor einigen Jahrhunderten noch überlebenswichtig, da man nie wusste, ob sich fremde Halunken in der Stadt herumtrieben, die nachts Überfälle machen wollten....


hugo1 antwortete am 11.05.04 (11:37):

Maßeinheiten und dann noch gut und wissenschaftlich definiert sind keinen Deut besser. Da lob ich mir doch viele Rezepte, wo es so schöne ,jedem selber belassene, Zugabenmengen gib.
Oh man nehme eine Handvoll, dazu eine Messerspitze, dann noch eine Prise, einen halben Löffel(Kelle,Tasse,,), beträufele dies mit einigen Tropfen, darüber wird ein Wenig oder Reichlich gestreut und schon ist das Gericht für jede Menge hungrige Mäuler fertig.


siria antwortete am 12.05.04 (09:16):

Kennt ihr die schweizerischen Masseinheiten? Es bitzli, e Hampfele, (ein bisschen, eine Handvoll), e chli, (ein wenig).
Ganz früher stand in den Kochbüchern: Den Teig rühren drei Vaterunser lang. Kochen drei Gegrüsst seist du Maria lang.
Man mass in den katholischen Gegenden die Zeit mit Gebeten, weil die Frauen so viele Sorgen hatten mit ihren vielen Kindern und dem wenigen an Geld, beteten sie sowieso bei aller Arbeit. Also war das praktisch, denn Armbanduhren gab es nicht und Küchenuhren auch nicht, da war wohl nur die Uhr an der Kirche.
Ich fand das schön, als ich es gelesen hatte, meine Grossmutter hatte die Gebete auch so in ihren Alltag integriert. Nicht als Masseinheit, aber sonst.

Was meint ihr, wenn wir in der Küche die Zeit auch so abmessen wollten oder müssten?


cilia antwortete am 12.05.04 (15:14):

siria das mit den Gebeten finde ich wirklich interessant. Ich würde gerne einmal so ein Kochbuch sehen.


pilli antwortete am 12.05.04 (15:25):

zu beten...anstatt...den reichen kindersegen erzeugenden ehelichen erschütterungen zu frönen... scheint mir hungersnot verhütend zu sein

:-)


navallo antwortete am 12.05.04 (18:48):

So weit ab vom Rest der deutschen Sprache ist manches nicht. Das Wengerl ohne die südstaatliche Verkleinerungsform gab es auch in Niederschlesien. "Wart ok a weng" sagte meine Mutter noch, wenn sie meinte "Warte doch ein wenig".


siria antwortete am 13.05.04 (09:41):

zu beten...anstatt...den reichen kindersegen erzeugenden ehelichen erschütterungen zu frönen... scheint mir hungersnot verhütend zu sein...

Leider falsch verstanden. Die Leute beteten nicht anstatt, sondern während, nämlich während des Kochens. Um die Länge der Kochzeit oder der Rührzeit zu bestimmen.

Anderseits war die von dir angesprochene Tätigkeit oft wohl die einzige Freude im harten Tageslauf. Die Leute wären wohl dankbar gewesen für die heutige Freiheit. Sie konnten ja nichts dagegen tun, entweder enthaltsam leben, oder Kinder bekommen.

siria das mit den Gebeten finde ich wirklich interessant. Ich würde gerne einmal so ein Kochbuch sehen.

Leider habe ich kein solches Kochbuch, aber meine Mutter hat mir das erzählt, und ich habe später auch darüber gelesen. Wahr ist es sicher, vermutlich war die Kirchenuhr die einzige Uhr im Dorf, sonst richtete man sich nach dem Sonnenstand. Aber man kann nicht gut die Backdauer eines Brotes nach dem Sonnenstand messen.

Wenn ich so darüber nachdenke, dann wächst meine Bewunderung für die Vorfahren. Mit wie kargen Mitteln mussten sie überleben und ihre vielen Kinder grossziehen.

Und wie viel Leid gab es, wenn Mutter oder Vater starben. Und sie haben alles überlebt, jedoch ist es kein Wunder, wenn das durchschnittliche Lebensalter bei 35 lag!

Ich wünsche allen, die hier vorbei schauen, einen schönen Tag siria


pilli antwortete am 13.05.04 (21:51):

"beten anstatt den ehelichen erschütterungen zu frönen"

so in etwa lautete der rat meiner grossmutter...wenn auch seinerzeit scherzhaft gemeint...als ich im alter von 20 jahren zum ersten male heiratete:

"Mariellchen...wenn die lorbasse nich mehr mit Machandelchen und plachandern zufrieden sind" griente sie
"dann hilft nur noch beten...ich jlaube nich datt die dittchens sonst noch reichen...der deibel soll sie holen...die lorbasse"

so sind sie meine vorfahren :-)wenn ich sie richtig verstanden habe.

lach...der apfel fällt nich weit vom stamm...

:-)))


DorisW antwortete am 14.05.04 (13:38):

Pilli,
bitte noch ein paar Vokabeln erklären.

lorbasse? Machandelchen? plachandern? dittchens?

Hilfe...


pilli antwortete am 14.05.04 (14:52):

himmel...ich guck jrade die marjellchens bei die "königs-hochzeit" :-)))

aber für dich lass ich jede prinzessin im regen stehen!

Lorbasse...und Marjellchen = jungen und mädchen im weitesten sinne...:-)

Machandel ist ein alkoholisches getränk und plachandern bedeutet = sich unterhalten...plachandert wird oft stundenlang...:-)vom einen thema ins andere kommen :-) und so manches Machandelchen inspiriert dabei.

Dittchen ist eine art währungseinheit = kleingeld
...Dittchen für`s kintopp oder für das eijene verjnüjen.

wir bewegen uns dabei sprachlich im reich von meer und seen, dunklen wäldern und viel gefühl...

in Ostpreussen :-)...
(wenn ich früher alles richtig verstanden habe)

...der heimat eines teiles meiner vorfahren

:-)


DorisW antwortete am 14.05.04 (16:41):

Ja, so 'ne Bedeutung kam tatsächlich rüber bei mir, trotz Unkenntnis des Vokabulars... aber neue Wörter lern ich immer gerne :-)

Merci!